Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/3688: Österreich - Rechtsradikale FPÖ in Umfragen stärkste Kraft


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Österreich: Rechtsradikale FPÖ in Umfragen stärkste Kraft

Von Markus Salzmann
7. Juni 2011


Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unter Parteichef Heinz-Christian Strache ist laut einer Umfrage von Ende Mai zur stärksten österreichischen Partei geworden. Sie liegt knapp vor den Sozialdemokraten (SPÖ) und der konservativen Volkspartei (ÖVP). Derart hohe Werte hatte die FPÖ zuletzt Ende der neunziger Jahre unter ihrem damaligen Vorsitzenden Jörg Haider erreicht, bevor sie sich im Jahr 2000 an der Regierung beteiligte.

Laut den Zahlen des Meinungsforschungsinstitutes OGM würden bei Parlamentswahlen 29 Prozent der Befragten den Freiheitlichen ihre Stimme geben. Die SPÖ kommt in dieser Umfrage auf 28 Prozent, die ÖVP auf 23, die Grünen auf 13 und die FPÖ-Abspaltung Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) auf 5 Prozent.

Die wachsende Unterstützung für die FPÖ hatte sich bereits in den letzten zwei Jahren abgezeichnet. Sie gewann bei mehreren Landtagswahlen massiv an Stimmen. Im Oktober 2010 ging die rechtsradikale Partei deutlich gestärkt aus der Wiener Gemeinderatswahl hervor. Mit knapp 200.000 Stimmen konnte sie ihr Ergebnis von 2005 fast verdoppeln.

Durch ihre Regierungsbeteiligung von 2000 bis 2006 hatte sich die FPÖ stark diskreditiert und stand vor dem finanziellen Kollaps. Als sie sich 2005 spaltete und ihr langjähriger Vorsitzender Jörg Haider mit dem BZÖ eine neue Partei gründete, schien die FPÖ am Ende. Ihr erneuter Aufstieg ist vor allem auf die Politik der Sozialdemokraten und der Grünen zurückzuführen, deren rechte Politik der FPÖ in die Hände spielt.

Volkspartei und FPÖ hatten während ihrer Regierungszeit massiv soziale und demokratische Rechte abgebaut. Bei den Nationalratswahlen 2006 war die FPÖ abgestürzt und die SPÖ hatte eine Koalition mit der Volkspartei gebildet. Die Hoffnung breiter Schichten nach einem Wechsel der Politik erfüllte sich damit jedoch nicht.

Die Große Koalition setzte die Politik der Vorgängerregierung unbeirrt fort und verschärfte sie sogar noch. Besonders nach 2009, als die Wirtschaftskrise die Alpenrepublik und den für sie wichtigen osteuropäischen Raum erreichte, beschloss Kanzler Werner Faymann (SPÖ) massive Haushaltskürzungen und Einsparungen im Sozialbereich. Gleichzeitig erhöhte seine Regierung Steuern, die untere und mittlere Einkommen am stärksten belasten.

Die Folge waren historische Niederlagen für die Sozialdemokraten, die die österreichische Politik während der gesamten Nachkriegsperiode dominiert hatten. Beispielhaft war die Niederlage in der sozialdemokratischen Hochburg Wien, wo die SPÖ seit 16 Jahren den Bürgermeister gestellt und alleine regiert hatte. 2010 büßte sie über fünf Prozentpunkte ein und ist seither auf die Unterstützung der Grünen angewiesen.

2009 hatte die SPÖ auch in Kärnten, Salzburg, Vorarlberg und Oberösterreich herbe Verluste erlitten. In Vorarlberg erreichte sie mit nur 10 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte.

Die SPÖ ist nicht nur für eine unsoziale Politik im Bund und in den Ländern verantwortlich, sie hat mittlerweile auch die ausländerfeindliche Politik der FPÖ weitgehend übernommen.

So stand der ehemalige oberösterreichische SPÖ-Parteichef Erich Haider seinem Namensvetter von der FPÖ in nichts nach. Erich Haider sprach sich dafür aus, den Integrationswillen von Migranten "vertraglich" zu fördern. Neben Sprachkursen forderte er auch eine schriftliche Verpflichtung, die Grundregeln des Zusammenlebens zu achten, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen und Familienmitgliedern den ungehinderten Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Werde diese Verpflichtung "gebrochen", sollten Sanktionen bis hin zur Ausweisung drohen.

Auf die Serie von Wahlniederlagen haben sämtliche SPÖ-Größen mit einem scharfen Rechtsruck reagiert. Der Fraktionsvorsitzende im Nationalrat (Klubobmann) Josef Cap erklärte, die SPÖ müsste das Thema Ausländer deutlicher ansprechen. Er will so die rassistischen und ausländerfeindlichen Standpunkte der FPÖ übernehmen und am rechten Rand auf Stimmenfang gehen.

In der Praxis hat die Große Koalition das Asylrecht drastisch verschärft. Seit 1993 ist die Anzahl der genehmigten Asylanträge um 55 Prozent gesunken. Skandale über menschenunwürdige Bedingungen in Asylheimen sind an der Tagesordnung. "Unser Asylrecht ist jenseits von Gut und Böse", erklärte Heinz Patzelt, der österreichische Chef von Amnesty International, vor kurzem.

Der Staatssekretär für Integration, Sebastian Kurz (ÖVP), sagte kürzlich der Tageszeitung Standard, er und die Regierung wollten Strache und der FPÖ das Monopol auf das Thema Zuwanderung streitig machen. Das bedeutet, dass sie die Politik der Freiheitlichen übernehmen. Gleichzeitig machte Kurz deutlich, dass die ÖVP auch weiterhin für ein Bündnis mit den Ultrarechten offen sei.

Die Grünen konnten vom Einbruch der SPÖ bisher kaum profitieren. Sie stehen in vielen Punkten rechts von der SPÖ und konzentrieren ihre Politik auf gut verdienende Mittelschichten. In der Wiener Landesregierung gelten sie als rechter Einpeitscher der SPÖ. Sie fordern vehement eine Sanierung der Stadtfinanzen auf Kosten der ärmeren Bevölkerungsschichten.

Auch Bündnisse mit der Volkspartei sind für die Grünen kein Tabu. Bereits nach der Nationalratswahl 2002 hatten die beiden Parteien lange über eine gemeinsame Bundesregierung verhandelt. Seit 2003 bilden sie in Oberösterreich eine gemeinsame Landesregierung, und auch mehrere Städte werden von einer schwarz-grünen Koalition regiert.

SPÖ, Grüne und ÖVP haben ihre Politik in den letzten Jahren ausschließlich an den Interessen der Banken und Konzerne orientiert. Die Gewerkschaften, die eng mit der SPÖ verknüpft sind, unterstützen sie dabei.

Sehr deutlich zeigte sich diese breite Koalition gegen die arbeitende Bevölkerung in der Steiermark. Dort hat die SPÖ/ÖVP-Landesregierung drakonische Einsparungen im Sozialhaushalt beschlossen und mit Hilfe des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB) umgesetzt, was massive Proteste auslöste. Der ÖGB bemühte sich, die Proteste gegen die Einsparungen zu unterdrücken und die Kürzungen als unumgänglich darzustellen. Die Grünen kritisierten die Sparpläne der rot-schwarzen Landesregierung zwar medienwirksam, arbeiten in der Landeshauptstadt Graz aber mit der Volkspartei zusammen und verwirklichen die Kürzungen auf kommunaler Ebene.

Die steirische Landesregierung nahm schließlich einige kosmetische Änderungen am Sozialbudget vor. Danach zeigten sich SPÖ-Landeschef Franz Voves und der ÖGB zufrieden und sprachen einhellig von einem "tragfähigen Kompromiss". Das Budget sei "nicht aufgeschnürt", sondern nur "umgeschichtet" worden.

Während die Bevölkerung Kürzungen hinnehmen muss, hat die Regierungspolitik einer schmalen Schicht der Gesellschaft geholfen, ihren Reichtum weiter zu vermehren. Aus dem aktuellen Global Wealth Reprot der Boston Consulting Group geht hervor, dass 297 der 3,5 Millionen österreichischen Haushalte über ein Vermögen von mehr als 100 Millionen Dollar verfügen. Außerdem gab es 2010 in Österreich rund 37.000 Dollar-Millionäre. Die Millionärsdichte ist damit nur in Saudi-Arabien, der Schweiz, Hongkong und Kuwait höher.

Das Erstarken der rechten Kräfte in Österreich ist kein nationales Phänomen. Im Nachbarland Ungarn regiert die rechte Orban-Regierung mit einer Zweidrittelmehrheit, und in zahlreichen anderen europäischen Ländern sind extrem rechte Parteien in den Parlamenten oder der Regierung vertreten. Diese Kräfte konnten aus der Wut und der politischen Konfusion Kapital schlagen, die sozialdemokratische und pseudolinke Parteien hinterlassen haben.


*


Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: wsws@gleichheit.de!.

Copyright 1998-2011 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten


*


Quelle:
World Socialist Web Site, 07.06.2011
Österreich: Rechtsradikale FPÖ in Umfragen stärkste Kraft
http://www.wsws.org/de/2011/jun2011/oest-j07.shtml
Deutschland: Partei für Soziale Gleichheit
Postfach 040144, 10061 Berlin
Tel.: (030) 30 87 24 40, Fax: (030) 30 87 26 20
E-Mail: info@gleichheit.de
Internet: www.wsws.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2011