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GLEICHHEIT/4252: Zypern benötigt Euro-Rettungsschirm


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Zypern benötigt Euro-Rettungsschirm

Von Markus Salzmann
13. Juni 2012



Der Mittelmeerstaat Zypern, der am 1. Juli die EU-Präsidentschaft übernehmen wird, steckt tief im Strudel der europäischen Schuldenkrise. Es wird erwartet, dass die Inselrepublik noch in diesem Monat Gelder des Euro-Rettungsschirms beantragt. Damit wäre Zypern nach Irland, Portugal, Griechenland und Spanien das fünfte von 17 Euro-Ländern, das Hilfe aus dem Rettungsschirm braucht.

Die Rating-Agenturen Moody's und Standard & Poor's haben das Land in der letzten Woche auf Ramschniveau herabgestuft. Sie begründen die Herabstufung mit der engen Verbindung zyprischer Banken zu griechischen Kreditinstituten. Ein Großteil aller Forderungen der zyprischen Banken entfällt auf griechische Schuldner. Bis Ende des Monats muss allein die Laiki Bank, die zweitgrößte Bank des Landes, eine Finanzspritze von 1,8 Milliarden Euro erhalten, um die Auflagen der Europäischen Bankenaufsicht zu erfüllen. Das entspricht rund 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Landes.

Zyperns Banken haben laut der Financial Times mindestens 22 Milliarden Euro an Privat- und Unternehmenskrediten in Griechenland ausstehen. 3 Milliarden Euro an Bankenvermögen wurden während des Schuldenschnitts bereits abgeschrieben. Ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro würde den vollständigen Kollaps für Zyperns Banken bedeuten.

Zyperns Wirtschaft ist eng mit der griechischen verknüpft. Das Land wickelt einen Fünftel seines Handels mit Griechenland ab und ein Viertel der Auslandsinvestitionen kommen von dort. Es befindet sich im dritten Monat in Folge in der Rezession. Im laufenden Jahr wird die Wirtschaftsleistung voraussichtlich um 1,6 Prozent schrumpfen.

Der zyprische Finanzminister Vassos Shiarly bezeichnete die Lage als "außerordentlich dringend". Der Hilfsantrag an den Euro-Rettungsfonds werde nicht nur auf die Banken beschränkt sein. "Wenn man sich an den Stützungsmechanismus wendet, dann berücksichtigt man alle Tatsachen, einschließlich des Bedarfs, der künftig entstehen könnte", sagte der Minister. "Entsprechend wäre es eine umfassende Anfrage, die nicht nur aktuelle Umstände abdeckt und die Rekapitalisierung der Banken, sondern auch künftige Erfordernisse."

Der Finanzminister gab allerdings auch der Hoffnung "auf günstige Bedingungen" Ausdruck, da das Defizit und die Gesamtverschuldung des Landes relativ gering seien.

Zypern versucht außerdem, Geld aus anderen Quellen zu bekommen. Bereits im letzten Jahr hatte es von Russland einen bilateralen Kredit in Höhe von 2,5 Milliarden Euro erhalten. Nun kursieren Gerüchte, dass es mit China über eine Finanzspritze verhandle.

Während das wirtschaftliche Gewicht Zyperns mit nur 0,2 Prozent der gesamten Wirtschaftskraft der Eurozone gering ist, nimmt die Insel im östlichen Mittelmeer eine wichtige strategische Lage ein. Sie liegt weniger als 200 km von der syrischen Küste entfernt und beherbergt einen wichtigen britischen Militärstützpunkt. Im Norden der geteilten Insel sind dagegen starke türkische Militäreinheiten stationiert.

Die russische (und möglicherweise chinesische) Finanzhilfe für Zypern dürfte daher auch strategische Hintergründe haben. Großbritannien und vor allem die Türkei drängen auf eine militärische Intervention in Syrien, die Russland und China strikt ablehnen.

In den europäischen Institutionen sind Hilfszahlungen an Zypern umstritten. Man sei zuversichtlich, dass Zypern die Herausforderungen alleine bewältigen könne, ließ ein EU-Kommissionssprecher vergangenen Montag die Medien wissen. Gemessen an den Finanzproblemen anderer europäischer Länder wie Griechenland oder Spanien sind die Summen, die zur Stabilisierung des Bankensystems in Zypern notwendig wären, zwar vergleichsweise gering. Dennoch wird eine Signalwirkung gegenüber anderen Staaten befürchtet.

Hinzu kommen Bedenken innerhalb der EU, dass die Regierung unter Präsident Dimitris Christofias den Sparkurs nicht mit der von Brüssel geforderten Härte vorantreibt. Der seit vier Jahren amtierende Christofias ist Mitglied der Fortschrittspartei des werktätigen Volkes (AKEL), die aus der stalinistischen Kommunistischen Partei hervorgegangen ist.

Die AKEL unterstützt zwar die Sparpolitik im Interesse des europäischen Finanzkapitals uneingeschränkt. So hatte sie im letzten Jahr gemeinsam mit allen anderen Parteien im Parlament für eine Rekapitalisierung der Laiki Bank mit staatlichen Mitteln gestimmt. "Ein Konkurs hätte fatale Folgen für das Bankensystem und auch für die gesamte Wirtschaft", hatte ein AKEL-Sprecher diese Maßnahme begründet.

Trotzdem versucht Christofias von Zeit zu Zeit mit rhetorischen Ausfällen gegen das Spardiktat der EU die soziale Opposition in Schach zu halten. "Als in Griechenland die ersten Sparmaßnahmen anfingen", erklärte er kürzlich, "betrugen die Schulden des Landes 115 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach zwei Jahren Sparpolitik stiegen sie auf 165 Prozent, das will schon etwas heißen."

Die oppositionellen Rechtsparteien und die Sozialdemokraten treten für europäische Finanzhilfen und einen radikalen Sparkurs ein. Hilfen vom Europäischen Rettungsfonds wäre die beste Lösung, erklärte der konservative Abgeordnete Christos Stylianidis: "Die Regierung soll eine EFSF-Anleihe ins Auge fassen, damit der Ruf Zyperns als Finanzzentrum nicht beschädigt wird. Wir müssen klar signalisieren, dass wir uns einer strikten Finanzdisziplin unterwerfen."

Schon 2011 hatte Präsident Christofias sein Kabinett umbilden müssen, nachdem Gerüchte über einen Hilfsantrag an Brüssel aufgekommen waren. Auslöser für die damalige Regierungskrise war ein verheerendes Unglück in der Hafenstadt Limassol. Bei Explosionen von Munitionsdepots waren 13 Menschen gestorben und ein Großteil der landeseigenen Energie- Infrastruktur zerstört worden. Die Reparatur kostet zwei Milliarden Euro, etwa zehn Prozent der jährlichen Wirtschaftleistung.

Die Sorge der AKEL vor politischen Verwerfungen und sozialen Unruhen ist nicht unbegründet. Arbeitslosigkeit und Armut nehmen seit Beginn der Wirtschaftskrise beständig zu. Während 2008 die offizielle Arbeitslosigkeit bei 3,6 Prozent lag, stieg sie bis 2010 auf 6,5 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei knapp 20 Prozent. Im abgespaltenen Nordteil Zyperns ist die Lage weit dramatischer. Die Arbeitslosigkeit wird hier auf über das Doppelte geschätzt.

Das im letzten Jahr auf Druck der EU verabschiedete Sparpaket der Regierung hat die Löhne im Öffentlichen Dienst eingefroren und weitere soziale Leistungen für Angestellte gekürzt. Im Dezember streikten Tausende öffentlich Beschäftigte gegen die Kürzungen.

Die AKEL, die größte und einflussreichste Partei Zyperns, hat eine lange Tradition darin die Bevölkerung zu unterdrücken und ihre reaktionäre Politik im Interesse der westlichen Mächte durchzusetzen.

1941 als Nachfolgerin der stalinistischen Kommunistischen Partei gegründet, paktierte sie mit diversen rechten Kräften und sprach sich für die so genannte Enosis, den Anschluss Zyperns an Griechenland auf nationalistischer Grundlage, aus. Nach der Unabhängigkeit der britischen Kolonie 1960 war die AKEL ununterbrochen im Parlament vertreten und unterstützte verschiedene bürgerliche Kräfte.

Mitte der 90er Jahre machte sie sich für die Aufnahme Zyperns in die EU stark und unterstützte bis zum Beitritt 2004 die Maßnahmen der rechten Regierungen, die die EU zur Auflage machte. Bei den Wahlen 2008 konnte sich Christofias gegen seinen konservativen Herausforderer durchsetzen. Unmittelbar nach den Wahlen versicherte er Brüssel, dass seine Regierung alles tun werde, um die Lasten der Wirtschaftskrise auf die Bevölkerung abzuwälzen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 13.06.2012
Zypern benötigt Euro-Rettungsschirm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2012