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GLEICHHEIT/4564: Slowenien - Landesweiter Streik im Öffentlichen Dienst verschärft Regierungskrise


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Slowenien: Landesweiter Streik im Öffentlichen Dienst verschärft Regierungskrise

Von Markus Salzmann
26. Januar 2013



Am Mittwoch legte ein landesweiter Streik im öffentlichen Dienst Slowenien weitgehend lahm. Der Ausstand von rund 100.000 Beschäftigten verschärfte die Krise der rechten Regierung von Premier Janez Jansa, die nach nur zwölf Monaten Amtszeit vor dem Aus steht.

Aufgrund des Streiks blieben Schulen, Kindergärten und die staatlichen Universitäten geschlossen. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk, RTV Slovenija, hatte sich dem Ausstand angeschlossen, deshalb gab es nur eingeschränkte Berichterstattung. Im Gesundheitswesen streikten sowohl Ärzte als auch Pflegepersonal. Hier war nur eine Notversorgung gewährleistet. Auch in Sozialzentren und Apotheken war nur ein Notdienst im Einsatz.

Die Zöllner machten "Dienst nach Vorschrift". Ebenso die Polizeibeamten, die bereits vor zwölf Tagen in den Streik getreten waren. Sie verhängten bei geringfügigen Verstößen keine Geldstrafen. Auch Feuerwehrleute, Beamte in Gerichten und Gefängnissen sowie Veterinärbeamte beteiligten sich an dem Streik. Insgesamt nahmen 100.000 von insgesamt 160.000 öffentlich Bediensteten an dem ganztägigen Ausstand teil, der von Demonstrationen in größeren Städten begleitet wurde.

Neben dem öffentlichen Dienst streikten auch rund 14.000 Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie, die den ganzen Tag zu Hause blieben. Bestreikt wurden 101 von insgesamt 189 Unternehmen im ganzen Land.

Es handelte sich um den zweiten Generalstreik im öffentlichen Dienst innerhalb eines Jahres gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. Im April 2012 hatten die öffentlichen Bediensteten aus Protest gegen das 1,25 Milliarden Euro umfassende Sparpaket gestreikt, das einen Monat später verabschiedet wurde. Es war der größte Ausstand im öffentlichen Sektor seit der Unabhängigkeit Sloweniens 1991.

Schon das damalige Sparpaket wälzte einen großen Teil der Kürzungen auf die Beschäftigten im öffentlichen Sektor ab. Im Sparhaushalt für 2013 und 2014 hat die Regierung den Rotstift nun erneut im öffentlichen Dienst angesetzt. Die Mittel für die Gehälter werden um fünf Prozent gekürzt, weitere Lohnsenkungen und Stellenabbau stehen auf der Tagesordnung.

Slowenien gilt seit Monaten als Kandidat für den Euro-Rettungsschirm. 2007 lag die Staatsschuldenquote noch bei gut 20 Prozent, 2013 stieg sie auf rund 45 Prozent. Die Arbeitslosigkeit hat sich in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt. EU und internationale Finanzinstitutionen fordern seither radikale Sparmaßnahmen.

Bereits gegen die Kürzungspolitik der Vorgängerregierung unter dem Sozialdemokraten Borut Pahor hatte es massive Proteste gegeben, die zur Abwahl seiner Regierung im Dezember 2011 führten. Pahor hatte vorher ein Vertrauensvotum im Parlament verloren, nachdem mehrere Minister wegen Korruptionsaffären zurückgetreten waren.

Heute ist die Situation ähnlich. Nur ein Jahr nachdem die rechte Jansa-Regierung die Regierungsgeschäfte übernommen hat, ist sie "klinisch tot", wie die Tageszeitung Delo jüngst titelte. Der wichtigste Koalitionspartner von Regierungschef Jansas Demokratischer Partei (SDS), die Bürgerliste (DL) von Parlamentspräsident Gregor Virant, hat ihm die Gefolgschaft aufgekündigt.

Virant forderte den Rücktritt des Premiers, nachdem dieser die Herkunft von 210.000 Euro auf seinem privaten Konto nicht erklären konnte. Anschließend zogen zwei weitere Koalitionspartner nach. Außenminister Karl Erjavec von der Pensionistenpartei (DeSUS) kündigte an, die Regierung zu verlassen, sollte Jansa sich weigern zu gehen. Er sprach bereits von möglichen Neuwahlen im Mai.

Wirtschaftsminister Radovan Zerjav sagte, seine Volkspartei (SLS) wolle unbedingt noch die Arbeitsmarktreformen im Februar durchsetzen. Wenn Jansa dann noch im Amt sei, werde man ebenfalls die Koalition verlassen. Nur die kleine, erzkonservative katholische NSi sprach sich gegen Neuwahlen aus, da sie wenig Chancen auf einen Wiedereinzug ins Parlament hätte. Auch die SDS würde bei Neuwahlen voraussichtlich 30 Prozent ihrer Sitze verlieren.

Derzeit ist ungewiss, welche politischen Lager als Sieger aus Neuwahlen hervorgehen würden. Der kürzlich veröffentlichte Korruptionsbericht belastet auch Oppositionsführer Zoran Jankovic (Positives Slowenien) schwer. Den Umfragen zufolge bekommt Positives Slowenien die meisten Stimmen (18 Prozent), gefolgt von Jansas SDS mit 12 Prozent. Wie das konservative Lager vertritt auch das sozialdemokratische einen strikten Sparkurs.

Unter diesen Bedingungen kommt den Gewerkschaften die Rolle zu, den Unmut über die etablierten Parteien unter Kontrolle zu halten und eine unabhängige politische Bewegung der Arbeiterklasse zu verhindern.

Vergangenen Monat erklärten Vertreter der großen Gewekschaftsverbände, dass sie kein Referendum gegen die für 2013 und 2014 vorgesehenen massiven Haushaltskürzungen in die Wege leiten werden.

Die Gewerkschaften beugen sich damit einem undemokratischen Urteil des Verfassungsgerichts, das ein Referendum gegen die Kürzungen kurzerhand für unrechtmäßig erklärt hatte. Die Ankündigung erfolgte kurz vor Beginn mehrerer Demonstrationen in der Hauptstadt Ljubljana und anderen großen Städten. Zuvor war es in zahlreichen Städten bereits wochenlang zu Demonstrationen gegen die Regierung gekommen.

Um am Mittwoch eine möglichst breite Streikbewegung zu verhindern, hatte die größte Gewerkschaft der Metall- und Elektroarbeiter (SKEI) nur zu einem Warnstreik aufgerufen. Sie forderte die Arbeiter auf, zuhause zu bleiben, und isolierte sie damit von den öffentlich Beschäftigten. Sie wandte sich auch ausdrücklich nicht gegen die Regierung, sondern erklärte mit dem Streik nur Lohnforderungen durchsetzen zu wollen. In der slowenischen Metall- und Elektroindustrie sind rund 85.000 Menschen beschäftigt, davon sind 35.000 Mitglieder der SKEI.

Auch die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes sind nicht generell gegen die rechte Politik der Regierung. Ihr Protest richtet sich hauptsächlich dagegen, dass die Regierung die Kürzungen einseitig beschlossen hat, ohne darüber zu verhandeln. Die erste von insgesamt sechs Streikforderungen lautet daher, dass die Gewerkschaften als gleichrangiger Sozialpartner anerkannt werden wollen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 26.01.2013
Slowenien: Landesweiter Streik im Öffentlichen Dienst verschärft Regierungskrise
http://www.wsws.org/de/articles/2013/jan2013/slow-j26.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2013