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GLEICHHEIT/4641: EU zwingt Zypern Rettungspaket auf


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

EU zwingt Zypern Rettungspaket auf

Von Jordan Shilton und Chris Marsden
27. März 2013



Die zypriotische Regierung und die Europäische Union (EU) kamen am Montagmorgen zu einer Einigung über ein Rettungspaket für Zypern, um einen Staatsbankrott zu verhindern.

Die Bedingungen des Rettungspaketes laufen auf eine wirtschaftliche Zerstörung des Inselstaates im Interesse der europäischen Finanzelite hinaus. Der zypriotische Finanzsektor, der etwa die Hälfte der Wirtschaftsleistung ausmacht, wird sofort um fast die Hälfte reduziert werden. Die Schulden der zweitgrößten Bank, der Laiki-Bank, sollen von der EZB auf die Bank von Zypern umverteilt werden. Weitere Verluste sind unausweichlich, da die Bankgeschäfte von Zypern auf die Banken anderer Eurozonen-Mitglieder umgelagert werden.

Die Diktate der EU und die kriminellen Finanzpraktiken der herrschenden Elite Zyperns haben den Weg für massive Angriffe auf die arbeitende Bevölkerung geebnet. Obwohl die Arbeitslosigkeit schon bei über vierzehn Prozent liegt, wird es unweigerlich zu Tausenden von Entlassungen im Bankwesen - dem wichtigsten Arbeitgeber Zyperns - und durch die Sanierung von Unternehmen und die Privatisierung von Dienstleistungen kommen.

Das Rettungspaket, das von der zypriotischen Bevölkerung entschieden abgelehnt wird, wird ohne Abstimmung im Parlament umgesetzt. Zu diesem Zweck wurde der ursprüngliche Vorschlag, eine Zwangsabgabe auf Bankkonten zu erheben, der vom zypriotischen Parlament abgelehnt worden war, aus dem endgültigen Abkommen entfernt. Der neue Plan sieht vor, alle Bankkonten über 100.000 einzufrieren, um das Rettungspaket zu finanzieren. Das Geld von Investoren und Aktionären von Laiki wird auf eine "Bad Bank" transferiert, sodass diese alles verlieren könnten.

Diese Maßnahmen sollen, zusammen mit einem Privatisierungsprogramm und Steuererhöhungen insgesamt sieben Milliarden Euro aufbringen, die Zypern zu dem Rettungspaket von EU, EZB und Internationalem Währungsfonds in Höhe von siebzehn Milliarden Euro beitragen soll.

Vor den letzten Verhandlungen am Sonntag beharrten Vertreter der EU auf der Einrichtung einer Wirtschaftsdiktatur über die zypriotische Wirtschaft. Zu den Maßnahmen gehören Mittel zur Verhinderung großflächiger Kapitalflucht, Begrenzungen der Nutzung von Bankkonten und die Einführung von Begrenzungen der Geldmenge, die aus Geldautomaten abgehoben werden kann. Zu den undemokratischen Vorschriften, die das Parlament Freitagnacht in einer Sitzung beschlossen hat, gehört auch die Ermächtigung der Zentralbank, Schritte "zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" zu unternhemen.

Die Hauptforderung war die Abwicklung der Laiki-Bank. Vertreter Deutschlands und des IWF forderten außerdem eine höhere Zwangsabgabe der großen Bankkunden, vor allem der russischen. Angeblich wurde Zypern mehrfach vor die Wahl gestellt, diesen Vorschlag anzunehmen oder die Währungsunion zu verlassen. Am Sonntag gab es Meldungen, dass Präsident Nicos Anastasiades angesichts der unnachgiebigen Forderungen der EU seinen Rücktritt angeboten habe.

Kurz nach Zustandekommen der Einigung mit der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds kam es zu gemischten Reaktionen.

Die Maßnahmen, die auf Investoren mit Bankkonten über 100.000 Euro abzielten, waren für die europäische Bourgeoisie zu verkraften, da sie sich hauptsächlich gegen mittelgroße Anleger richten, die ihre Gelder nicht ins Ausland bringen konnten, und den Einfluss Russlands auf die Insel schwächen würden.

Die Financial Times schrieb, dass Banker aus anderen Steueroasen wie Andorra russische Geschäftsleute umwarben, die versuchten, sich aus Zypern zurückzuziehen.

Obwohl Zypern das unmittelbare Ziel des Bailout war, schickt die herrschende Elite eine eindeutige Botschaft aus: Kein Land, das in einer Finanzkrise steckt, darf in der Eurozone bleiben, wenn es sich nicht den Forderungen der Troika unterwirft.

Als Jeroen Dijsselbloem, der Vorsitzende der Eurozone, die Zwangsabgabe auf Bankkonten als Beitrag zur Bankenrettung in Zypern zum Musterbeispiel für den Rest der Eurozone erklärte, verzeichneten die Märkte des Kontinents Kursverluste. Dabei stehen mehrere Bankensysteme der Eurozone - darunter Spanien, Portugal, Italien, Irland und Griechenland - schon vor dem Bankrott und werden nur noch durch Notrettungspakete am Leben erhalten.

Dijsselbloems Kommentare geben Anlass zu der Frage, ob die Kunden der Banken dieser Länder auch für die kriminellen Praktiken der Banken dieser Länder zahlen müssen.

Dijsselbloem deutete an, dass dies der Fall sei. "Wenn eine Bank in Schwierigkeiten steckt, sollte unsere erste Frage sein: Gut, was wird die Bank dagegen tun? Was kann sie selbst tun, um wieder Kapital zu bekommen?"

"Wenn die Bank das nicht kann, werden wir mit den Aktionären und Anleihebesitzern reden. Wir werden sie bitten, zur Rekapitalisierung der Bank beizutragen, und wenn nötig, bitten wir auch die unversicherten Kontenbesitzer."

"Die Folge davon könnte sein, dass das das Ende der Geschichte ist, und das ist eine Herangehensweise, die wir versuchen sollten, jetzt wo wir aus dem Schlimmsten raus sind," warnte er.

Das ist praktisch eine Lizenz an die europäische Finanzaristokratie, ungehindert die Konten von Arbeitern und Kleinsparern zu plündern. Es schafft auch die Bedingungen für erbitterte Kämpfe in der europäischen Bourgeoise über die Frage, wessen Einlagen geplündert werden.

Wolfgang Münchau veröffentlichte in der Financial Times einen Kommentar mit dem Titel "Zusammenbruch der Eurozone rückt noch näher."

Die Reaktion der Märkte - die von Spanien und Italien gingen um fast 2,5 Prozent zurück - zeigt, wie prekär die wirtschaftliche Lage in Europa geworden ist, vor allem angesichts der Tatsache, dass der Grund für den Rückgang Zypern war, ein Land dessen wirtschaftlicher Beitrag zur Europäischen Union verschwindend gering ist.

Angesichts der Meldungen, dass die spanische Regierung die Investoren von fünf verstaatlichen Banken schwer an Verlusten beteiligen wird - die Aktionäre von Bankia haben fast alles verloren, die anderen bis zu 60 Prozent - sanken die Kurse des Euro und europäischer Aktien. Mehrere italienische Banken wurden von der Börse genommen, nachdem sie mehr als fünf Prozent an Wert verloren hatten.

Es kam zu Spekulationen, ob der Kreml als Reaktion darauf Vergeltungsmaßnahmen gegen europäische Firmen ergreifen werde. Der ehemalige Kreml-Berater Alexander Nekrassow schrieb: "Dann wird Moskau natürlich Wege suchen, die EU zu bestrafen. In Russland sind sehr viele deutsche Firmen tätig."

Der russische Premierminister Dmitri Medwedew erklärte: "Meiner Meinung nach wird hier weiterhin gestohlen, was bereits gestohlen war." Der russische Präsident Wladimir Putin ordnete dennoch an, dass seine Regierung über die Umstrukturierung eines Rettungspaketes verhandeln solle, das sie Zypern im Jahr 2011 gewährt hatte, um seinen Einfluss auf der Insel zu vergrößern.

In diesem Konflikt geht es um zwei geostrategische Fragen:

Die noch unbestätigten Erdgasvorkommen vor der Küste von Zypern werden frühestens 2018-19 ausgebeutet werden können, aber der Konflikt um den Zugang zu ihnen ist ein wichtiger Punkt. Die Rettung Zyperns durch die Troika wird benutzt werden, um den Einfluss europäischer und amerikanischer Firmen auf diese Bodenschätze zu verstärken und für die europäischen Märkte eine mögliche alternative Quelle für Erdgas zu schaffen, die nicht von Russland kontrolliert wird.

Diese Strategie ist nicht nur deshalb gefährlich, weil sie zu Konflikten mit Moskau führen wird, sondern auch weil die Erdgasvorkommen in umstrittenen Gewässern liegen, die auch von der Türkei beansprucht werden. Ankara hat angedroht, den Abbau von Erdgasvorkommen in "türkischen" Gewässern als Kriegshandlung zu betrachten.

Zweitens wird es als politisch wichtig erachtet, Russland den Zugang zum zypriotischen Hafen Limassol und seine Nutzung als Marinestützpunkt zu blockieren. Russland verlässt sich momentan auf einen Stützpunkt bei Tartus in Syrien, um Zugang zum Mittelmeer zu haben, aber die Versuche der USA, das Regime von Bashar al-Assad zu stürzen und danach den Iran ins Visier zu nehmen, um eine unangefochtene Hegemonie über die Ölfelder des Nahen Ostens zu erlangen, machen es erforderlich, die Gefahr einer Gegenoffensive Moskaus auszuschalten.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 27.03.2013
EU zwingt Zypern Rettungspaket auf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2013