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GLEICHHEIT/4791: Proteste in griechischem Gefangenenlager


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Proteste in griechischem Gefangenenlager werfen ein Schlaglicht auf die staatliche Gewalt gegen Einwanderer in Europa

Von Stefan Steinberg
14. August 2013



Die Proteste von Einwanderern in Griechenland am Wochenende werfen ein Schlaglicht auf die wachsende staatliche Gewalt gegen Einwanderer in ganz Europa.

Am Samstagabend weigerten sich dutzende von Einwanderern in der Haftanstalt Amygdaleza in der Nähe von Athen zu ihrem Schlafplatz zurückzukehren und zündeten ihre Matratzen an. Die Insassen protestierten gegen die unmenschlichen Bedingungen, die in dem Camp herrschen, und gegen einen Erlass, der es erlaubt, ihre Haft um 12 auf 18 Monate zu verlängern.

Einem Medienbericht zufolge wurde vor einigen Tagen der Strom in dem Lager abgestellt. Dies deutet auf eine bewusste Provokation durch staatliche Behörden hin.

Insassen warfen Wasserflaschen und Steine auf die Polizei, die das Lager unter Einsatz von Tränengas und Blendgranaten stürmte. Nach längeren Auseinandersetzungen nahm die Polizei dann über fünfzig der 1.620 Einwanderer in dem Lager fest.

Die Haftanstalt Amygdaleza, die sich neben einer Polizeiakademie am Fuße des Berges Parnitha befindet, wurde von Menschenrechtsorganisationen für ihre abscheuliche Behandlung von Flüchtlingen kritisiert. Fotos des Lagers zeigen junge Häftlinge, die hinter zwei Meter hohen Zäunen mit Stacheldraht stehen.

Kurz nach den letzten Auseinandersetzungen, äußerte Sotiris Douros, der Bürgermeister der Region, den Medien gegenüber, dass er den Aufstand für unvermeidlich gehalten habe und stellte fest, dass die Stadtverwaltung schon lange vor dem Risiko eines solchen Ereignisses gewarnt habe. Er beschrieb die Bedingungen im Camp als unerträglich. In einem Gespräch mit dem griechischen Fernsehen warnte der Chef der örtlichen Polizei, solche Vorfälle würden sich wiederholen.

Schon im April traten Häftlinge im Camp Amygdaleza in den Hungerstreik, um gegen ihre Haftbedingungen zu protestieren. Ihrem Streik schlossen sich damals weitere zweitausend Migranten in Lagern im ganzen Land an.

Nach dem Hungerstreik protestierten im Mai eine Reihe von Gruppen, die sich für die Rechte von Einwanderern einsetzen, und Menschenrechtsgruppen vor dem Lager Amygdaleza. Nachdem einer Gruppe von zehn Personen erlaubt worden war, das Lager zu besichtigen, gab die Flüchtlingsgruppe eine Erklärung heraus: "Die Haftbedingungen sind immer noch ... entsetzlich. Überbelegung, minimale Hygiene, unvollständiger oder gar kein Innenhof, unzureichende oder gar keine medizinische Versorgung, Fälle von Polizeigewalt. Tausende von Menschen sind in den Zellen des Lagers ohne Rücksicht auf ihr Wohlergehen zusammengepfercht, und ohne irgendwelche Rechte als Gefangene."

Die Delegation kam zu dem Schluss, dass das Zentrum ein Gefängnis war, das "die Grundrechte verletzt und geschlossen werden sollte."

In seinem Ende Mai veröffentlichten Jahresbericht über Menschenrechtsverletzungen kritisierte Amnesty International (AI) Griechenland scharf für seine Behandlung von Einwanderern. Der Bericht beschrieb insbesondere die Bedingungen in dem Migrantenlager in Elliniko als "unmenschlich und erniedrigend".

Der gleiche Bericht verurteilt den jüngsten Bau einer Mauer an der griechisch-türkischen Grenze, der darauf abzielt, Flüchtlinge von der Einwanderung nach Griechenland abzuschrecken. Der AI-Bericht kritisierte insgesamt vierundzwanzig Staaten der Europäischen Union, darunter Frankreich, Deutschland und Italien, für ihre schweren Übergriffe gegen Flüchtlinge und Gastarbeiter.

Die brutale Behandlung von Einwanderern und Flüchtlingen in Griechenland ist ein Produkt der von der Europäischen Union angewandten Politik der "Festung Europa", die darauf abzielt, alle von einer Einwanderung nach Europa abzuschrecken, die vor Krieg, politischer Verfolgung und Armut flüchten. Die EU-Agentur für den Schutz der europäischen Grenzen, Frontex, hat in enger Zusammenarbeit mit dem griechischen Staat und der griechischen Polizei Lager eingerichtet, die überfüllt sind und sich durch unmenschliche Bedingungen auszeichnen. Nur einem winzigen Prozentsatz derjenigen, die in Griechenland Zuflucht suchen, wird letztendlich erlaubt, in dem Land zu bleiben.

Seit 2006 hat FRONTEX Griechenland umfangreiche Hilfen für die Überwachung seiner Landes - und Seegrenzen zur Verfügung gestellt. Im Rahmen zweier Operationen - RABIT (Rapid Border Intervention Teams [Schnelle Grenzeingreiftruppe]) und Poseidon - wurden Hunderte von europäischen Polizeikräften entsandt, um die griechische Polizei und Grenzwächter innerhalb des Landes und an der Grenze zur Türkei auszubilden.

Frontex richtete am 1. Oktober 2010 in Piräus seine erste spezialisierte Niederlassung, das sogenannte Frontex Operational Büro, ein. Die EU hat außerdem die Finanzierung für den Bau eines Netzes von Internierungslagern in ganz Griechenland bereit gestellt.

Von 2007 bis 2011 erhielt Griechenland 119 Millionen Euro vom Außengrenzenfonds und zweiundfünfzig Millionen Euro aus dem Rückkehrfond der EU. Auch das europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) arbeitet eng mit Griechenland zusammen, damit es seinen "Aktionsplan" für die rasche Rückführung von Flüchtlingen umsetzt, die versuchen, ins Land kommen.

Die erbärmlichen Bedingungen in den Lagern in ganz Griechenland, die von der EU finanziert werden, lösen Proteste der Einwanderer aus, die wiederum von der griechischen Regierung und den Medien ausgenutzt werden, um Rassismus zu schüren. Er soll nach vier Jahren Sparmaßnahmen, die von der EU im Namen der internationalen Banken diktiert werden, die Aufmerksamkeit von der sozialen Krise des Landes ablenken.

Am Wochenende ertranken sechs junge Ägypter vor der Küste Siziliens, nachdem ihr Boot auf Grund gelaufen war. An Bord des klapprigen Fischerbootes waren mehr als einhundert Immigranten aus Ägypten und Syrien.

Laut der Website United Against Racism [Vereint gegen Rassismus] starben von 1993 bis Ende des letzten Jahres insgesamt 17.306 Asylbewerber, Flüchtlinge und illegale Einwanderer bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 14.08.2013
Proteste in griechischem Gefangenenlager werfen ein Schlaglicht auf die
staatliche Gewalt gegen Einwanderer in Europa
http://www.wsws.org/de/articles/2013/08/14/gree-a14.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2013