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GLEICHHEIT/4810: Die New York Times zu Mannings Gefängnisstrafe


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Die New York Times zu Mannings Gefängnisstrafe

Von Thomas Gaist
29. August 2013



In einem Leitartikel mit dem Titel "Hartes Urteil gegen Bradley Manning" begrüßte die New York Times vor einer Woche den harten neuen Kurs der Obama-Regierung gegen Whistleblower.

Manning wurde zu 35 Jahren Gefängnis verurteilt, und obwohl die Times milde Einwände gegen die lange Haftdauer vorbringt, befürwortet sie die Gefängnisstrafe ausdrücklich. Die Haltung des einstigen Sprachrohrs des amerikanischen Liberalismus' lässt sich etwa so auf den Punkt bringen: "Behaltet Manning hinter Gittern, wenn auch nicht gerade für ein Drittel Jahrhundert". Die Times-Redakteure sagen nicht, wie hoch ihrer Meinung nach Mannings Gefängnisstrafe sein sollte. Vielleicht zwanzig Jahre?

Erstaunlich offen schlägt sich die Times in dem Artikel auf die Seite der Staatsanwälte: "Der Soldat Manning muss selbstverständlich bestraft werden. Indem er mehr als 700.000 Regierungsdateien an WikiLeaks weitergab, - von denen umfangreiche Auszüge in der New York Times und in anderen Publikationen veröffentlicht worden sind -, hat er das Gesetz gebrochen und seine Verantwortung als militärischer Geheimdienst-Analyst verletzt, der diese Dateien schützen sollte. Es war das bei weitem größte Leck von als geheim klassifizierten Dokumenten in der Geschichte der USA, und so ist es nicht verwunderlich, dass die Strafe die längste ist, die jemals für die Weitergabe solcher Informationen verhängt worden ist."

Die Times lobte sogar Mannings unehrenhafte Entlassung und Degradierung, welche die Vorsitzende Militärrichterin Denise R. Lind verfügt hatte, und erklärte: "Das sind angemessene Strafen".

Obwohl nicht überraschend, bedeutet die Feindseligkeit der Medien gegenüber jenen, die Regierungsgeheimnisse aufdecken, eine krasse Absage an die Prinzipien einer demokratischen Presse. Es gab eine Zeit, in der die großen Zeitungen tatsächlich der Meinung waren, es sei ihre Verantwortung, jene zu schützen und zu unterstützen, die Regierungsgeheimnisse öffentlich machten. Dies umso mehr, wenn die Geheimnisse möglicherweise illegale und verfassungswidrige Aktivitäten betrafen.

Solche altertümlichen, demokratischen Vorstellungen gehören in eine andere Zeit. Heute funktionieren die Zeitungsredakteure wie Statthalter der CIA und anderer Geheimdienste. Sollte ein Whistleblower einen leitenden Redakteur oder Korrespondenten wie Bill Keller von der New York Times kontaktieren, dann wird dieser praktisch sofort und reflexartig der Regierung einen Hinweis geben.

Aus der Sicht der leitenden Redaktion der Times besteht die primäre Gefahr darin, dass andere Whistleblower hervortreten, die sich auch durch die Androhung von Gefängnis nicht beirren lassen. Von diesem Standpunkt aus ist die entscheidende Frage, was die US-Regierung "tun wird, wenn sie mit künftigen Informationslecks konfrontiert ist, was unvermeidlich ist, denn in einem Jahr werden mehr als 92 Millionen Dokumente als geheim eingestuft und mehr als vier Millionen Amerikaner einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen".

Trotz der Erkenntnis, dass die Strafverfolgung in erster Linie andere Whistleblower davon abhalten wollte, Snowden nachzueifern, bedauern die Times-Redakteure, dass sogar lange Haftstrafen als Abschreckung nicht ausreichten, wenn es darum gehe, Verbrechen der Regierung aufzudecken.

"Die Staatsanwälte versuchten, andere potenzielle Geheimnisverräter zu entmutigen, aber wie die kontinuierliche Freigabe von Verschlusssachen durch Edward Snowden zeigt, ist auch die Gefahr einer erheblichen Haftzeit nicht abschreckend, wenn Menschen glauben, dass ihre Regierung zu viele Geheimnisse habe."

Die Times war und ist an den Verbrechen der US-Regierung und ihren Gräueltaten, die Manning aufgedeckt hat, beteiligt. Die Redakteure halten es für notwendig, zu lügen und entscheidende Elemente des Fall Mannings völlig auszublenden, um ihre eigene Beteiligung an den Verbrechen, die Manning aufgedeckt hat, zu beschönigen.

Zu den wichtigsten Dateien die Manning weitergegeben hat, zählte das berüchtigte "Collateral Murder" Video, das zeigt, wie US-Hubschrauberpiloten mit schweren Waffen auf Zivilisten feuern, während sie unter sich ihre makabren Scherze treiben. Solche Ereignisse prägten den US-Krieg gegen den Irak, den die New York Times stark unterstützte.

Darüber hinaus hatte Manning "Kriegsprotokolle" weitergereicht, die Hunderttausende von Berichten über besondere Vorkommnisse enthielten. Sie machten die soziale Verwüstung und Disfunktionalität publik, welche die neokolonialen Besetzungen des Irak und Afghanistans hervorgerufen hatten.

Eine Depesche, die Manning an WikiLeaks übergeben hat, zeigt zum Beispiel, dass das US-Rüstungsunternehmen DynCorp, dem die Regierung fast zwei Milliarden Dollar jährlich bezahlt, für eine ihrer Parties in Afghanistan Jungs von Menschenhändlern gekauft hatte.

Eine weitere von Manning veröffentlichte Depesche zeigt, wie die Führung der ägyptischen Staatssicherheit dem FBI dafür dankte, dass es ägyptische Verhörspezialisten in Virginia in effektiveren Foltertechniken ausbildete. Zusammengenommen zeigen die von Manning ans Licht gebrachten Dokumente die Verwicklung der US-Regierung in zahllose illegale Aktivitäten rund um den gesamten Globus.

Mit keinem Wort erwähnte die Times die Art und Weise, wie Manning in den Jahren der Untersuchungshaft behandelt worden war, oder die Tatsache, dass Präsident Barack Obama schon vor dem Prozess behauptet hatte, Manning habe "das Gesetz gebrochen" - ein klarer Verstoß gegen den Grundsatz, dass der Angeklagte unschuldig ist, bis seine Schuld bewiesen ist. Beides waren ausreichende Gründe, um die Anklagen insgesamt zurückzuweisen.

Manning wurde in den Jahren der Untersuchungshaft von mehreren US-Sicherheitsdiensten gefoltert. Seine Haft begann in einem Drahtkäfig in Kuwait, wo er zwei Monate lang festgehalten wurde, nachdem er in einem Online-Chat zugegeben hatte, die Dokumente weitergereicht zu haben. Nach seiner Überführung zum Marine Corps Gefängnis in Quantico, Virginia, wurde er in den "Verletzungsvorbeugungs"-(POI)-Status, den maximalen Überwachungsstatus des Gefängnisses, versetzt.

Gunnery Sergeant William Fuller zufolge, der siebzehn Jahre lang in Militärgefängnissen gearbeitet hat, wird der POI-Status "für ein paar Tage zugeordnet; nicht mehr als eine Woche". Manning wurde neun Monate im POI-Status gehalten. Er wurde in einer Zelle von knapp zweimal zweieinhalb Meter in Einzelhaft gehalten, wo er gezwungen war, von 13:00 Uhr bis 23.00 Uhr zu schlafen, und wo ihm täglich nur zwanzig Minuten lang erlaubt wurde, seine Zelle zu verlassen. Lange Zeit wurde Manning zu völliger Nacktheit gezwungen, und immer wieder wurde seine Unterwäsche konfisziert.

Die Online-Kommentare, die in der New York Times gepostet wurden, weisen stark darauf hin, dass die Zustimmung der Redakteure zu Mannings Haft die eigenen Leser mit Ekel erfüllt. In einem Brief, der die allgemeine Stimmung reflektiert, heißt es: "Manning sollte begnadigt werden, und ihm sollte eine Medaille verliehen werden. Die Wall Street Verbrecher bleiben ungestraft. Kriegsverbrecher gehen unbestraft aus. Die Times hat den Irak-Krieg bejubelt: Die Times ist nicht in der Position, über Manning zu urteilen."

Vor seiner Verhaftung schrieb Manning: "Wenn Sie für längere Zeit freien Zugriff auf geheime Netzwerke hätten (...), und sie hätten unglaubliche Dinge, schreckliche Dinge gehört, (...) Dinge, die an die Öffentlichkeit gehören und nicht auf einem Server in einem dunklen Raum in Washington DC abgespeichert werden sollten (...), - was würden Sie tun?"

Man kann darauf antworten: Was immer Sie auch tun, übergeben Sie sie nicht der New York Times!

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Quelle:
World Socialist Web Site, 29.08.2013
Die New York Times zu Mannings Gefängnisstrafe
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2013