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GLEICHHEIT/4906: Tests belegen - Jassir Arafat wurde mit Polonium vergiftet


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Tests belegen:
Jassir Arafat wurde mit Polonium vergiftet

Von Jean Shaoul
9. November 2013



Ein Team von Schweizer Forensikern hat Ergebnisse veröffentlicht, die stark darauf hindeuten, dass der ehemalige Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Jassir Arafat mit dem radioaktiven Isotop Polonium-210 vergiftet wurde.

Arafat war im November 2004 in einem französischen Militärkrankenhaus verstorben, nachdem er nach einem Essen in seinem Hauptquartier in Ramallah im Westjordanland erkrankt war. Laut dem 108-seitigen Bericht des Universitätszentrums für Rechtsmedizin in Lausanne, den der Sender Al Dschasira in die Hand bekam und dem Guardian zur Verfügung stellte, fanden Wissenschaftler in Arafats sterblichen Überresten und dem Erdreich in seinem Grab eine Konzentration von radioaktivem Polonium, die achtzehnmal höher war wie der normale Wert.

Die Wissenschaftler sind sich zu 83 Prozent sicher, dass der Palästinenserpräsident vergiftet wurde.

Ihr Bericht befasste sich nur mit der Frage, woran Arafat gestorben war, nicht damit, ob er vorsätzlich vergiftet wurde und wie das geschehen ist. Aber was sie im Rahmen einer größeren Untersuchung von Arafats Tod herausgefunden haben, bedeutet, dass das gewählte Staatsoberhaupt der Palästinenser während seiner Amtszeit Opfer eines politischen Mordes wurde.

Arafat wurde nach dem israelischen Bombenangriff auf seinen Amtssitz in Ramallah im Jahr 2002 mit Unterstützung Washingtons praktisch als Gefangener gehalten, bis er plötzlich unter seltsamen Umständen erkrankte.

Der Schweizer Bericht bestätigt frühere Ergebnisse des gleichen Teams, das Spuren von Polonium an den persönlichen Gegenständen gefunden hatte, die Arafat kurz vor seinem Tod benutzt hatte.

Al-Dschasira zitierte den ehemaligen britischen Forensiker David Barclay: "Der Bericht enthält deutliche und meiner Ansicht nach überzeugende Beweise, dass in Arafats exhumierter Leiche achtzehnmal so viel Polonium steckt als dort zu erwarten wäre."

Der Bericht sei ein "entscheidender Beweis... Das hat ihn getötet. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wer dafür verantwortlich war."

Arafats Witwe Suha Arafat nannte die Angelegenheit auf Al-Dschasira "das Verbrechen des Jahrhunderts."

Sie erklärte, sie werde auf die Ergebnisse der Untersuchung des französischen Staatsanwaltes warten, bevor sie Schlüsse ziehe, wer für den Tod ihres Mannes verantwortlich sei.

Arafats Frau äußerte den Verdacht für die Ursache der Krankheit ihres Mannes erstmalig, als dieser im Jahr 2004 im Krankenhaus war, angeblich sagte sie palästinensischen Besuchern: "Sie versuchen, Abu Ammar [Arafat] lebendig zu begraben."

Der 75-jährige Arafat litt zwar an Parkinson, war jedoch sonst gesund. Während eines Treffens überfielen ihn plötzlich schwere Übelkeit und Magenschmerzen. Später wurde er in ein französisches Militärkrankenhaus geflogen, wo sich seine Symptome trotz medizinischer Behandlung verschlechterten; einige Wochen später verstarb er.

Die Gerüchte, dass Arafat vergiftet wurde, mehrten sich, da die Ärzte nicht in der Lage waren, die Ursache der Gehirnblutung herauszufinden, die zu seinem Tod geführt hatte und weil sie seine Krankenakte nicht veröffentlichten. Auch wurde keine Autopsie durchgeführt.

Niemand dachte daran, nach einer Poloniumvergiftung als möglicher Todesursache zu suchen. Erst als im November 2006 der ehemalige russischen KGB-Agenten Alexander Litwinenko, der sich zum Kritiker der Regierung entwickelt hatte, in London mit Polonium ermordet wurde, kam der Verdacht auf, dass auch Arafat mit dieser Substanz vergiftet worden sein könnte, da er ähnliche Symptome entwickelte. Litwinenko hatte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen, seine Ermordung angeordnet zu haben, aber die britische Regierung weigerte sich, seinen Tod öffentlich zu untersuchen, weil Minister Dokumente unter Verschluss hielten, die Fragen zu seinem Tod hätten beantworten können.

Nachdem der investigative Journalist Clayton Swisher, ein ehemaliger Leibwächter des amerikanischen Secret Service, der mit Arafat befreundet war, Fragen aufgeworfen hatte, ermittelte Al Dschasira neun Monate lang; das Ergebnis war der Film "Was hat Arafat getötet?," der im Sommer 2012 ausgestrahlt wurde.

Darin hieß es, eine Untersuchung seiner Patientenakten und einiger seiner persönlichen Gegenstände, unter anderem seiner Zahnbürste, seiner Kleidung und seiner Kufiya (Palästinensertuch) habe Spuren von Polonium nachgewiesen. Das führte zu der Empfehlung, seine Leiche zu exhumieren. Auf Bitten seiner Frau nahmen französische Staatsanwälte im August 2012 Ermittlungen wegen Mordverdachts auf.

Im November 2012 genehmigte die Palästinensische Autonomiebehörde widerwillig die Exhumierung von Arafats Leiche für eine Autopsie.

Arafats Frau beauftragte ein Schweizer Team, die Autonomiebehörde ein russisches, um Gewebe zu untersuchen, das von Arafats Leiche, dem Grab und der Erde entnommen wurde. Die Proben wurden an drei forensische Teams in Frankreich, der Schweiz und Russland geschickt.

Das russische Team legte seinen Bericht am 2. November vor. Wann der französische Bericht veröffentlicht wird, ist wegen rechtlichen Fragen noch unklar.

Polonium-210 wurde in frühen Atomwaffen als Auslöser benutzt, später als Energiequelle für Satelliten und Flugzeuge. Da es extrem selten ist - jährlich werden nur etwa 100 Gramm produziert, fast ausschließlich in Russland - wäre es unmöglich gewesen, es ohne Hilfe einer Regierung oder Zugang zu einem Atomreaktor zu bekommen, was auf einen Mord hindeutet, der mithilfe einer Atommacht geplant und umgesetzt wurde.

Man hat seit langem Israel die Schuld an Arafats Ermordung gegeben: Israel ist die einzige Atommacht in der Region und hat am meisten vom Tod der Person profitiert, die den palästinensischen Nationalismus und den Kampf gegen die Unterdrückung durch Israel verkörpert hat.

Israel wies den Bericht zurück und leugnete jede Beteiligung an Arafats Tod. Der Sprecher des israelischen Außenministeriums Jigal Palmor erklärte, die Ergebnisse aus der Schweiz seien bestenfalls "zweideutig" und fügte hinzu, sogar Arafats Frau "versteht, dass die Beweise so dürftig sind, dass sie auf niemanden mit dem Finger zeigen kann."

Er fügte hinzu: "Selbst wenn sie Spuren von Polonium finden, die auf eine Vergiftung hindeuten könnten, gibt es keine Beweise dafür, wie die Vergiftung durchgeführt wurde.. Die Palästinenser haben keine Möglichkeit, uns das in die Schuhe zu schieben."

Israel setzt schon seit langem auf politische Morde, um seine Feinde aus der Welt zu schaffen, vor allem Palästinenserführer. Arafat hat einmal behauptet, der ehemalige Premierminister Ariel Sharon habe dreizehnmal versucht, ihn zu ermorden. Sharon sagte dem Bloomberg-Journalisten Jeffrey Goldberg: "Alle Regierungen Israels, ob Labour oder Likud, alle haben versucht - und ich will mich aus Rücksicht auf amerikanische Leser subtil äußern - ihn aus unserer Gesellschaft zu entfernen. Ohne Erfolg."

Sharon bereute es bitter, dass das israelische Militär Arafat nicht während der Invasion des Libanon im Jahr 1982 getötet hatte.

Während der Invasion von Beirut hätten israelische Kampfflugzeuge ihn fast getötet, als sie eines der Gebäude trafen, von dem sie annahmen, dass er es als Hauptquartier nutzte. Im Jahr 1985 entging Arafat knapp einem weiteren Angriff auf sein Hauptquartier in Tunesien. Er konnte sich kurz vor dem Luftangriff retten, 73 Menschen kamen ums Leben. Im Dezember 2001 entging er einem weiteren Mordanschlag: Kurz bevor israelische Helikopter auf sein Anwesen in Ramallah schossen, wurde er in Sicherheit gebracht.

Palästinensische Regierungsvertreter gaben sich sehr zurückhaltend, was auf die sehr realen Spannungen rund um Arafats ungeklärten Tod zurückgeht. Egal wer den Mord geplant hat, jemand aus seinem unmittelbaren Umfeld muss eine winzige Dosis des tödlichen Isotops in ein Getränk oder Speise getan haben, die Arafat zu sich nahm.

Die ganze Affäre hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Washingtons bevorzugten Nachfolger und Sieger der Wahl, die kurz nach Arafats Tod stattfand, zutiefst blamiert. Die PA hat nie versucht, Arafats Tod ernsthaft zu untersuchen. Abbas genehmigte die Exhumierung von Arafats Leiche erst nachdem Mufti Mohammed Hussein, der höchste muslimische Geistliche des Westjordanlandes erklärte, er habe keine Einwände gegen die Autopsie.

Obwohl die PA den Bericht erhalten hat, den sie bei dem russischen Team in Auftrag gegeben hatte, legte sich die offizielle palästinensische Nachrichtenagentur Wafa nicht fest. Sie meldete nur: "Experten untersuchen die Ergebnisse, um die Palästinenser darüber zu informieren."

Letzten Monat zitierte die Nachrichtenagentur Interfax nach der Veröffentlichung eines Lancet-Artikels über die Ergebnisse des Schweizer Teams im Jahr 2012 den Leiter des russischen Teams. Dieser erklärte, russische Experten hätten keine Spuren von Polonium in Arafats Überresten gefunden. Gleich darauf leugneten die Russen, überhaupt Stellung bezogen zu haben.

Ghassan al-Shaka'a, ein Mitglied des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation aus Nablus, erklärte, die PA habe beschlossen, die Bekanntgabe der Testergebnisse aus politischen Gründen ein paar Monate zu verzögern. Laut der New York Times hatte der Vorsitzende des palästinensischen Untersuchungsausschusses für Arafats Tod, Tawfik Tirawi, einen Kommentar verweigert.

Am Donnerstag forderte ein Vertreter der PA eine internationale Untersuchung der Ermordung Jassir Arafats nach den Maßstäben der internationalen Ermittlungen nach der Ermordung des ehemaligen libanesischen Premierministers Rafiq Hariri.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 9.11.2013
Tests belegen: Jassir Arafat wurde mit Polonium vergiftet
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2013