Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

GLEICHHEIT/5393: Nach Anschlag auf Schule in Pakistan - USA verstärken Drohneneinsätze


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Nach Anschlag auf Schule in Pakistan
USA verstärken Drohneneinsätze

Von Alex Lantier
31. Dezember 2014



Am Freitag wurden im Norden von Waziristan, einer abgelegenen und verarmten Region Pakistans an der Grenze zu Afghanistan bei zwei Drohnenangriffen acht Menschen getötet.

Unter amerikanischen Regierungsvertretern schwindet die Bereitschaft über das barbarische Drohnenmordprogrammm Washingtons zu diskutieren, obwohl es von den UN wurde es als Verstoß gegen das Völkerrecht verurteilt wurde und die Masse der Weltbevölkerung es als äußerst bedrohlich empfindet. Amerikanische Regierungsvertreter weigerten sich, Kommentare zu den beiden Angriffen abzugeben. Pakistanische Geheimdienstler bestätigten jedoch, dass die beiden Angriffe in Nord-Waziristan von Drohnen ausgingen.

Bei einem der beiden Angriffe, auf einen Gebäudekomplex, der mutmaßlich als Basis der Pakistanischen Taliban genutzt wurde, wurden fünf Menschen getötet. Bei den Taliban handelt es sich um die Gruppe, die am 16. Dezember einen Anschlag auf eine Schule in Peshawar durchgeführt hatte, bei dem 150 Menschen ums Leben kamen. Bei dem zweiten Drohnenangriff kamen drei Menschen ums Leben, die angeblich Mitglieder der mit Al Qaida verbündeten Islamischen Bewegung Usbekistans (IMU) waren.

Vom pakistanischen Geheimdienst ist bekannt, dass er alle Opfer von Drohnenangriffen als "Terroristen" bezeichnet. Es war unmöglich, eine Bestätigung von unabhängigen Stellen zu erhalten, dass die Opfer des Angriffs tatsächlich Mitglieder der pakistanischen Taliban oder der IMU waren.

In Nord-Waziristan fanden schon zahlreiche Drohnenangriffe statt, da Washington versucht hat, den Widerstand gegen die Besetzung Afghanistans durch die Nato zu zerschlagen. Bei Angriffen auf Schulen, Bauernhäuser, Trauerfeiern und Rettungsdienstteams, die versuchten, den Opfern der amerikanischen Drohnenangriffe zu helfen, kamen Hunderte ums Leben.

In der ersten Hälfte des Jahres 2014 stellte Washington das Drohnenmordprogramm zeitweilig ein. Bis dahin hatte es in Pakistan 2.200 Todesopfer gefordert. Das hatte Widerstand in der Bevölkerung gegen die amerikanische Kriegsführung sowie Spannungen zwischen Washington und Islamabad und Massenproteste in Pakistan ausgelöst. Die amerikanischen Drohnenangriffe begannen jedoch erneut, nachdem das pakistanische Militär im Juni die Operation Zarb-i-Azb gegen Taliban-Kämpfer in Nord-Waziristan begonnen hatte. Sechzig Prozent der Bevölkerung - mehrere hunderttausend Menschen - flohen aus der Region, nachdem das pakistanische Militär gewarnt hatte, es werde jeden, der bleibe, als Terroristen betrachten.

Seither gab es etwa zwei Dutzend Drohnenangriffe, und die Geschwindigkeit der amerikanischen Drohnenmorde hat sich seit dem schrecklichen Anschlag der Pakistanischen Taliban auf eine vom Militär betriebene öffentliche Schule in Peshawar am 16. Dezember noch beschleunigt. Bei dem Anschlag waren 150 Menschen ums Leben gekommen, darunter 130 Kinder.

Letzten Samstag kamen bei einem weiteren Drohnenangriff in Datta Khel in Nord-Waziristan sechs Menschen ums Leben. Am Donnerstag tötete das pakistanische Militär in einer anderen Operation einen Mann, den sie als "Saddam" identifizierten und behaupteten, er sei an der Planung und Koordination des Anschlags auf die Schule in Peshawar beteiligt gewesen.

Das pakistanische Regime arbeitet eng mit dem US-Imperialismus zusammen und nutzt den Anschlag auf die Schule in Peshawar aus, um eine de-facto-Militärherrschaft durchzusetzen. Am 23. Dezember kam der amerikanische General John F. Campbell, Oberbefehlshaber der Nato-Besatzungstruppen in Afghanistan, mit dem Stabschef der afghanischen Armee, General Sher Mohammad Karimi, nach Islamabad, um die Operation zu besprechen.

Nach ihrer Abreise wurden kurz hintereinander eine Reihe von drakonischen Maßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans angekündigt, der nach dem Anschlag in Peshawar ausgerufen wurde. Durch sie soll ein Terrorregime aufgebaut werden, um jeglichen Widerstand gegen die Zusammenarbeit der pakistanischen herrschenden Elite mit dem US-Imperialismus bei der Besetzung Afghanistans mundtot zu machen.

Der pakistanische Premierminister Nawaz Sharif richtete letzten Mittwoch nach einem ganztägigen Treffen seiner Regierung ein Militärtribunal für Terrorismusfälle ein. Damit wird das zivile Justizsystem, dessen Vertreter an Protesten gegen die Zusammenarbeit des Militärs und der Exekutive mit den amerikanischen Militäroperationen teilgenommen hatten, praktisch außer Kraft gesetzt.

In den zwei darauffolgenden Tagen kündigten sie Pläne an, 6.500 Menschen in ganz Pakistan wegen Terrorismus zu verhaften und 500 Insassen pakistanischer Gefängnisse hinzurichten. Derartige Operationen sollen von einer staatlichen Antiterroreinheit durchgeführt werden, die vom Verteidigungsministerium kontrolliert wird und mit dem mächtigen pakistanischen Militärgeheimdienst und zivilen Sicherheitskräften zusammenarbeitet.

Ein Zivilrichter erteilte am Freitag einen nicht kautionsfähigen Haftbefehl für Abdul Aziz, einen Geistlichen der Lal Masjid-Moschee, der sich geweigert hatte, den Anschlag auf die Schule in Peshawar zu verurteilen.

Die Sharif-Regierung geht auch massiv gegen die Medien und im Finanzwesen vor. Sie hat angekündigt, dass die Veröffentlichung von "Hass-Material" gesetzlich verboten und bestraft werde. Die pakistanische Staatsbank wurde angewiesen, alle Bankkonten einzufrieren, bei denen der Verdacht besteht, dass sie zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten benutzt werden.

"Wir müssen schnell handeln, und wir müssen alles, was wir beschließen, so schnell wie möglich umsetzen," erklärte Sharif und bezeichnete die Einsetzung von Militärgerichten als "historischen Moment" für Pakistan.

Die oppositionelle Pakistanische Volkspartei (PPP) gab ihre Gegenvorschläge, die Militärtribunale nur für eine begrenzte Zeit einzurichten, schnell auf und stellte sich hinter Sharif. Der ranghohe PPP-Funktionär Aitzaz Ahsan erklärte: "Wir fordern eine schnelle Bestrafung von Terroristen, und wenn beim Gesetzesentwurf für Militärgerichte mit uns zusammengearbeitet wird, können wir im verfassungsgemäßen und rechtlichen Rahmen einen Weg finden."

Auch Hasil Bizenjo von der Nationalpartei Belutschistans unterstützte die Einrichtung von Militärgerichten und erklärte: "Wir müssen diese Denkweisen bekämpfen, und wenn wir jetzt aufhören, werden wir dauerhaft scheitern. Wenn wir verlieren, werden die Taliban die nächsten Herrscher sein."

Senator Mashahid Hussain von der Pakistanischen Moslem-Liga (Quaid-i-Azam-Gruppe) begrüßte die Maßnahmen und erklärte, er erwarte Unterstützung von Washington. "Ich unterstütze diesen Schritt in vollem Umfang; die USA haben in der Vergangenheit das gleiche getan," erklärte er - offenbar meinte er damit die Einsetzung von Militärtribunalen für Prozesse gegen Menschen, die Washington in anderen Ländern wegen Terrorismus verhaftet hat.

Die amerikanischen Drohnenmorde und die Unterstützung der Nato-Mächte für die Entwicklung Pakistans zu einer Militärherrschaft beweisen, dass die Außenpolitik der imperialistischen Mächte durch und durch kriminell ist. Um den breiten Widerstand gegen ihren neokolonialen Krieg in Afghanistan niederzuschlagen und ihren kränkelnden Klientelstaat Pakistan zu stützen, setzen sie auf Mord und Terror, die durch keinerlei juristische Beschränkungen begrenzt werden.

Obama hat die kriminelle Politik seines Vorgängers George W. Bush nicht nur fortgesetzt, sondern verschärft. Im Dezember entsetzte der Bericht des amerikanischen Senats die Bevölkerung der USA und der Welt, der den weit verbreiteten Einsatz von Folter durch die CIA gegen Terrorverdächtige bestätigte. Der Bericht zeigte, dass es notwendig ist, die höchsten Amtsträger der Bush-Regierung als Verbrecher vor Gericht zu bringen.

Die Obama-Regierung hat jedoch die Verbrechen ihrer Vorgängerregierung noch verschärft. Sie versucht, Verhaftungen und Verhöre von Terrorverdächtigen zu vermeiden, indem sie sie sofort und ohne Prozess durch Drohnenangriffe ermorden lässt. Es gibt zahlreiche Berichte, laut denen Präsident Obama persönlich die Zusammenstellung der Todeslisten für Amerikas fliegende Todesschwadronen überwacht, die Treffen im Weißen Haus werden als "Terror-Dienstage" bezeichnet. Letztes Jahr deutete Justizminister Eric Holder sogar kurzzeitig an, Drohnenangriffe könnten auch für außergerichtliche Morde an amerikanischen Staatsbürgern innerhalb der USA benutzt werden.

Die diesbezügliche Politik der Obama-Regierung wird weiterhin geheim gehalten. Allein das würde eine Anklage gegen den derzeitigen Bewohner des Weißen Hauses rechtfertigen. Aber selbst die begrenzten Informationen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, machen deutlich, dass die außergerichtlichen Drohnenmorde zu zahlreichen unschuldigen Todesopfern geführt haben.

Die britische Menschenrechtsorganisation Reprieve veröffentlichte vor kurzem einen Bericht mit dem Titel: "Man stirbt nie zweimal: Multiple Tötungen im amerikanischen Drohnenprogramm." Darin schätzte sie, dass die amerikanischen Drohnenangriffe, die sich gegen 41 Terrorverdächtige in Pakistan und dem Jemen richteten, zu 1.147 Todesopfern geführt hatten. Jeder Verdächtige wurde im Durchschnitt dreimal "getötet," einer wurde siebenmal Ziel von Drohnenangriffen.

Die erfolglosen Angriffe der CIA auf Ayman al Zawahiri, der angeblich nach der Ermordung von Osama bin Laden die Führung über Al Qaida übernommen hat, kosteten 105 Menschen das Leben, davon 76 Kinder und 29 Erwachsene. Die Angriffe verfehlten ihr Ziel und Zawahiri ist noch am Leben.

*

Bitte senden Sie Ihren Kommentar an: psg[at]gleichheit.de

Copyright 2014 World Socialist Web Site - Alle Rechte vorbehalten

*

Quelle:
World Socialist Web Site, 31.12.2014
Nach Anschlag auf Schule in Pakistan - USA verstärken Drohneneinsätze
http://www.wsws.org/de/articles/2014/12/31/dron-d31.html
Partei für Soziale Gleichheit,
Sektion der Vierten Internationale (PSG)
Postfach 040 144, 10061 Berlin
Telefon: (030) 30 87 27 86, Telefax: (032) 121 31 85 83
E-Mail: psg[at]gleichheit.de
Internet: www.wsws.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang