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GLEICHHEIT/5487: EU fordert umfassendere Kürzungen von Syriza


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

EU fordert umfassendere Kürzungen von Syriza

Von Robert Stevens
1. April 2015


Der griechische Premierminister Alexis Tsipras bekräftigte am Montagabend in einer Rede vor dem Parlament einmal mehr seine Bereitschaft, die Sparmaßnahmen umzusetzen, die die internationalen Gläubiger des Landes fordern.

Tsipras erklärte im Parlament, die Schulden, die Syriza von der Nea Dimokratia- und Pasok-Regierung geerbt habe, seien größer als bisher dargestellt. Er behauptete, es sei jetzt Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken.

Weiter erklärte er, Syriza sei bereit, einen "ehrlichen Kompromiss" mit den Gläubigern auszuhandeln, wolle sich aber nicht nur zu ihrem "Sprachrohr" machen.

Allerdings konnte Tsipras neben solchen lautstarken Worten nichts Handfestes über den Stand der Verhandlungen mit Griechenlands Gläubigern in der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) aussagen, obwohl die Parlamentssitzung angeblich deswegen einberufen worden war. Andernfalls hätte er nicht nur zugeben müssen, dass er Angriffe auf die Arbeiterklasse vorgeschlagen hat, sondern auch, dass die Regierungen Europas noch viel weitergehende Angriffe gefordert haben.

Der Vorsitzende von Nea Dimokratia, Antonis Samaras, machte sich über Tsipras lustig: Er habe wohl gedacht, er könne Geld ohne Gegenleistung bekommen. Stattdessen müsse er jetzt Gegenleistungen ohne Geld liefern.

Syriza hatte am Freitag eine weitere Liste mit Sparvorschlägen vorgelegt, wie es das Abkommen vom 20. Februar vorsieht. Auf der Grundlage des Abkommens war das Sparprogramm der vorherigen Regierungskoalition um vier Monate verlängert worden. Am Sonntagabend billigte das Kabinett die Liste.

Diese Maßnahmen müssen von der Brüsseler Gruppe, wie sie mittlerweile genannt wird, gebilligt werden. Erst dann erhält Athen Zugang zu den nicht ausgezahlten Krediten in Höhe von sieben Milliarden Euro. Ohne diese Gelder wäre Griechenland nicht in der Lage, seine 315 Milliarden Euro Schulden weiter zu bedienen.

Allerdings kam bisher trotz intensiver Diskussionen am Wochenende, unter anderem einer zehnstündigen Sitzung am Samstag, kein Abkommen zustande.

Zu den zentralen Sparmaßnahmen, die die Brüsseler Gruppe von Syriza fordert, gehört eine Reform des griechischen Arbeitsrechts, durch die es Arbeitgebern leichter gemacht werden soll, Arbeiter zu entlassen, sowie weitere Rentenkürzungen. Die Financial Times schrieb, es seien diese "beiden Bereiche, auf denen die Kontrolleure beharrten". Sie seien "von grundlegender Bedeutung für das Rettungsprogramm."

In einem Interview mit RealNews Sunday behauptete Tsipras allerdings, "Maßnahmen wie Lohn- und Rentenkürzungen oder das Aufweichen von Regulierungen für Massenentlassungen" würden nicht ins Auge gefasst.

Laut eines Berichts von Bloomberg News hat Griechenland eine fünfzehnseitige Liste vorgelegt, deren Kernpunkte "die Besteuerung von Kapitaltransfers und der Kampf gegen Steuerhinterziehung sind." Zudem würden die derzeit durchgeführten Privatisierungen dieses Jahr 1,5 Milliarden Euro einbringen. Die vorherige Regierung hatte in ihrem Haushaltsentwurf für 2015 mit Einnahmen von 2,2 Milliarden Euro gerechnet. Das neue Dokument rechnet mit einem Überschuss des Primärhaushaltes von mindestens 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Doch solche Vorschläge interessieren die herrschende Elite Europas kaum. Sie fordert, dass Syriza noch weiter geht und Kürzungen durchsetzt, die den Lebensstandard der Arbeiterklasse und der Armen noch weiter senken.

Reuters zitierte einen hochrangigen Vertreter der Eurozone mit den Worten: "Griechenland hat am Freitag keine Reformliste vorgelegt." Der Beamte fügte hinzu, Syrizas Vorschläge seien "nicht detailliert genug und erfordern noch viel mehr technische Arbeit, um eine ausreichende und glaubwürdige Vorlage für die Eurogruppe zu erstellen."

Ein anonymer EU-Diplomat sagte: "Die Liste ist zu vage, nicht glaubwürdig und nicht nachweisbar."

Das Bundesfinanzministerium ließ am Montag verlauten, es werde keinen weiteren Krediten an Griechenland zustimmen, bis das griechische Parlament konkrete Sparmaßnahmen vorlegt. Sein Sprecher, Martin Jäger, sagte dazu: "Wir müssen abwarten, bis die griechische Seite eine umfassende Liste von Reformen präsentiert, die für eine Diskussion mit den Institutionen und danach mit der Eurogruppe geeignet ist." Er warnte, jeder Fortschritt hänge "von der Qualität der griechischen Liste ab und wie stark sie sich mit den Elementen befasst, die bereits im erweiterten Austeritätsmemorandum enthalten sind".

Laut einer griechischen Zeitung hat Syriza in ihrer Liste bereits bestimmte Privatisierungen vorgeschlagen. Der stellvertretende Premierminister Yannis Dragasakis, der gerade erst von einem Staatsbesuch in China zurückgekehrt ist, erklärte bei seiner Ankunft, man wolle den Verkauf von 67 Prozent der Hafenbehörde von Piräus innerhalb weniger Wochen abschließen und rechne mit Einnahmen von etwa 500 Millionen Euro. Der chinesische Konzern Cosco, der bereits zwei Piers in dem strategisch wichtigen Hafen kontrolliert, gehört zu den fünf bevorzugten Bietern. Auch der Verkauf von vierzehn Regionalflughäfen soll abgeschlossen werden.

Das Treffen der Brüsseler Gruppe endete ohne Einigung. Einigen Quellen zufolge sind für diese Woche keine weiteren Treffen geplant. Das bedeutet, Syriza wird im April, wenn sich die Finanzkrise in Griechenland verschärft, eine neue Sparliste vorlegen müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte vor der Presse, Griechenland müsse seine Vorschläge "nachbessern".

Syriza gibt sich große Mühe, seine Beziehungen zu China und Russland zu vertiefen, die beide geostrategische Interessen in der Region haben. Ranghohe Syriza-Vertreter und auch Verteidigungsminister Panos Kammenos von Syrizas rechtem Koalitionspartner, den Unabhängigen Griechen, drohten, Griechenland könne auf eines oder auf beide Länder als alternative Geldgeber zugehen. Energieminister Panagiotis Lafazanis, der Führer von Syrizas "linker Plattform", befindet sich momentan in Moskau. Am 9. April wird Tsipras zu Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Russland reisen.

Am Freitag stufte die Ratingagentur Fitch Griechenlands ungesicherte Währungsanleihen herab. Fitch erklärte, seit dem Abkommen im Februar gebe es nur "sehr langsamen" Fortschritt. Es sei weiterhin "unklar, wann frühestens Auszahlungen erfolgen können und was dazu nötig sein wird."

Fitch fügte hinzu, es sei wahrscheinlich, "dass die Eurogruppe von der griechischen Regierung verlangt, einen Teil dieser Liste umzusetzen, bevor Gelder ausgezahlt werden. Damit wird eine mögliche Zahlung frühestens Mitte April erfolgen."

Seit Syriza die Wahl mit dem Versprechen gewonnen hat, den Sparkurs zu beenden, sind Regierung und die Banken des Landes systematisch vom Geldfluss der EZB abgeschnitten worden. Die Gesamtsumme der Schulden, inklusive von Banken und Unternehmen, wird mittlerweile auf etwa eine halbe Billion Euro geschätzt.

Nachdem Griechenlands Banken so gut wie zahlungsunfähig sind, wird sich der von Syriza erhoffte Haushaltsüberschuss als illusorisch erweisen. Holger Schmieding, Chefökonom der Londoner Berenberg Bank, bemerkte dazu: "Bei einer Kapitalflucht von 50 Milliarden Euro in drei Monaten ist es schwer vorstellbar, dass Griechenland dieses Jahr überhaupt Wachstum verzeichnet. Und nach dem Rückgang der Steuereinnahmen im Januar und Februar steht Griechenland nicht vor einem Primärüberschuss, sondern vor einem Primärdefizit."

Seit 2010 gilt Griechenland als Testfall für die Durchsetzung massiver Sparmaßnahmen in ganz Europa. Die herrschende europäische Elite fordert jetzt eine noch brutalere Verelendung der griechischen Bevölkerung. Syrizas Perspektive, die die Interessen von Teilen der griechischen Bougeoisie und des begüterten Kleinbürgertums vertritt und lediglich eine Umschuldung der griechischen Schulden im Einvernehmen mit der EU angestrebt hat, ist völlig gescheitert.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 01.04.2015
EU fordert umfassendere Kürzungen von Syriza
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. April 2015

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