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GLEICHHEIT/6213: Gespräche zwischen syrischer Regierung und "Rebellen" in Kasachstan


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Gespräche zwischen syrischer Regierung und "Rebellen" in Kasachstan

Von Bill Van Auken
26. Januar 2017


Anfang der Woche trafen sich Vertreter der syrischen Regierung und der von Washington unterstützten "Rebellen" in der kasachischen Hauptstadt Astana. Es waren die ersten direkten Gespräche, seit die USA und ihre Verbündeten vor sechs Jahren einen Bürgerkrieg in Syrien anzettelten, um die Regierung von Baschar al-Assad zu stürzen.

Die USA glänzten durch Abwesenheit. Sie weigerten sich, eine offizielle Delegation zu schicken, und waren nur durch den amerikanischen Botschafter in Kasachstan als Beobachter vertreten.

Abgesehen davon, dass sich Russland, die Türkei und der Iran auf einen Mechanismus zur Überwachung der seit Ende letzten Jahres geltenden Feuerpause einigten, hatten die Gespräche keine wesentlichen Ergebnisse. Doch ihr bloßes Zustandekommen bestätigte, dass Washingtons Strategie zum Sturz des Assad-Regimes gescheitert ist und die "Rebellen" eine strategische Niederlage erlitten haben, als das syrische Militär mit russischer und iranischer Unterstützung die ehemalige Islamisten-Hochburg im Osten Aleppos zurückeroberte.

Bei dem Treffen saßen sich eine Delegation der syrischen Regierung unter Führung des syrischen UN-Botschafters Baschar al-Dschaafari und eine Abordnung der "Rebellen" unter Führung von Mohammad Alloush gegenüber. Alloush ist Anführer der fundamentalistischen islamistischen Miliz Jaysh al-Islam, die von Saudi-Arabien unterstützt wird. Diese Gruppe wird sogar von dem ehemaligen US-Außenminister John Kerry als terroristische "Untergruppe" bezeichnet.

Beide Seiten bezeichneten sich gegenseitig als Terroristen, und bereits zu Beginn der Verhandlungen kam die Frage auf, an der alle bisherigen Friedensverhandlungen gescheitert waren: die Zukunft des syrischen Präsidenten Assad. Die "Rebellen" forderten seinen Rücktritt als Vorbedingung für ein Friedensabkommen, die Regierung beharrte hingegen darauf, dass sein Status nicht zur Debatte stehe.

Beide Seiten warfen sich gegenseitig vor, sie hätten gegen die von Russland und der Türkei ausgehandelte Feuerpause verstoßen, die am 30. Dezember in Kraft trat. Ebenso wie frühere gescheiterten Waffenruhen, die von den USA ausgehandelt worden waren, galt sie nicht für den Islamischen Staat (IS) und die syrische Dschabhat Fatah asch-Scham, besser bekannt unter ihrem früheren Namen Al-Nusra-Front.

Dschaafari betonte, das syrische Militär werde weiterhin Kampfeinsätze im strategisch wichtigen Barada-Tal durchführen, um der Al-Qaida die Kontrolle über die Ain al-Fidscha-Quellen im Barada-Tal zu entreißen, die sieben Millionen Einwohner von Damaskus mit Wasser versorgen. Am 23. Dezember hatte die islamistische Miliz die Wasserzufuhr in die Hauptstadt unterbrochen.

Die Abschlusserklärung des Treffens unterzeichneten die Veranstalter, d .h. Russland, der Iran und die Türkei, jedoch weder die "Rebellen" noch die Assad-Regierung. Damit verpflichten sich die drei Länder, einen "trilateralen Kontrollmechanismus einzurichten, um die vollständige Einhaltung der Waffenruhe zu sichern, Provokationen jeder Art zu verhindern und alle Modalitäten der Waffenruhe festzulegen".

In ihrem Kommuniqué sprechen sich die drei Länder dafür aus, dass die bewaffneten "Rebellengruppen" am 8. Februar an von den UN organisierten Gesprächen in Genf teilnehmen.

Sie erklären zwar ihre Unterstützung für die "Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Arabischen Republik Syrien", doch Syrien wird nicht mehr wie zuvor als "säkularer" Staat definiert. Botschafter al-Dschaafari erklärte, der Verzicht auf die Erwähnung des Säkularismus sei von der Türkei und den islamistischen Gruppen durchgesetzt worden. Die Türkei wird zwar von einer islamistischen Partei regiert, bezeichnet sich aber als säkularer Staat. Die Milizen fordern fast allesamt die Errichtung eines islamischen Regimes.

Obwohl die USA keine Delegation schickten, gab sich Moskau optimistisch, dass nach Donald Trumps Amtseinführung eine Einigung mit Washington über das Thema Syrien möglich sein werde.

Moskaus Sondergesandter für Syrien, Alexander Lawrentjew, der bei den Verhandlungen die russische Delegation angeführt hatte, erklärte am Dienstag vor der Presse: "Trumps jüngste Äußerungen, er werde nicht nur der inneren Politik, sondern auch dem Kampf gegen den Terrorismus Priorität einräumen, bieten Anlass zur Hoffnung. Wir meinen, die amerikanische Regierung wird die richtigen Entscheidungen zur Koordination der Bestrebungen auf internationaler Ebene treffen, um die Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus aufeinander abzustimmen."

Anfang der Woche behauptete das russische Verteidigungsministerium, das US-Militär habe ihm Zieldaten für einen gemeinsamen amerikanisch-russischen Luftangriff auf Stellungen des IS in Syrien geliefert. Das Pentagon dementierte eine solche Zusammenarbeit jedoch entschieden. Colonel John Dorrian von der US Air Force, der oberste Sprecher der US-geführten Koalition in Bagdad, bezeichnete Moskaus Behauptung als "Unsinn".

Russland hatte Anfang des Monats tatsächlich gemeinsam mit der Türkei Luftangriffe gegen den IS nahe der nordsyrischen Stadt al-Bab geflogen. Die Türkei ist entschlossen, diese strategisch wichtige Stadt zu erobern, um die syrischen Kurden daran zu hindern, eine zusammenhängende Enklave an der türkischen Grenze zu befestigen. Die bislang einmalige Zusammenarbeit zwischen dem Nato-Mitglied Türkei und Russland verdeutlichte die scharfen Spannungen zwischen Ankara und Washington, das die syrische Kurdenmiliz YPG als wichtigste Stellvertretertruppe im Kampf gegen den IS benutzt hat.

Am Montag wurde Russlands Hoffnung auf verbesserte Beziehungen mit Washington scheinbar bekräftigt: Trumps Pressesprecher im Weißen Haus, Sean Spicer, erklärte auf die entsprechende Frage eines Reporters: "Ich glaube, dass es möglich ist, mit anderen Ländern gemeinsam gegen den IS zu kämpfen, ganz gleich, ob mit Russland oder irgendeinem anderen Land. Und wir haben ein gemeinsames nationales Interesse daran, also nutzen wir diese Möglichkeit."

Gleichzeitig haben Trump und die wichtigsten Mitglieder seines Kabinetts, darunter sein neuer Verteidigungsminister General James "Mad Dog" Mattis, zu erkennen gegeben, dass die neue Regierung die Spannungen mit dem Iran verschärfen wird. Zu diesem Zweck erwägt sie z. B. die Aufkündigung des Atomabkommen, das Teheran und die P5+1-Staaten (die fünf dauerhaften Mitglieder des UN-Sicherheitsrats China, Frankreich, Russland, Großbritannien, die USA sowie Deutschland) im letzten Juli ausgehandelt haben, oder die Wiedereinführung von Sanktionen, die im Rahmen des Abkommens aufgehoben wurden.

Ein so provokantes Vorgehen könnte dazu führen, dass der Iran sein Atomprogramm wieder aufnimmt. Damit würde die Gefahr eines noch größeren Kriegs in der Region erneut zunehmen. Auch Israel könnte mit Unterstützung der USA einen Luftkrieg beginnen, in den Russland hineingezogen werden könnte.

Bezeichnenderweise erklärten sich die Vertreter der syrischen "Rebellen" in Astana mit Russland als Vermittler im Syrienkonflikt einverstanden, lehnten aber den Iran entschieden ab. Unabhängig davon, ob diese Haltung mit ihren Hintermännern aus der CIA und Saudi-Arabien abgestimmt war oder nicht, verfolgen sie offensichtlich das Ziel, die anti-iranische Politik der künftigen Trump-Regierung zu unterstützen, um ihre eigenen Bestrebungen für einen Regimewechsel in Syrien voranzubringen.

Bei seiner Rede im CIA-Hauptquartier am Samstag hatte Trump seine Aussage aus dem Wahlkampf bekräftigt, die USA hätten sich nach dem Einmarsch im Irak 2003 "das Öl nehmen sollen". Diese Äußerung war ein weiteres Indiz dafür, dass die "America-First"-Politik der künftigen Regierung nicht Isolationismus bedeutet, sondern mit einer extremen Eskalation des Militarismus nach außen verbunden ist.

Vor den versammelten CIA-Mitarbeitern hatte Trump gepoltert: "Sie kennen sicherlich den alten Ausspruch: die Beute gehört dem Sieger. Ich habe immer gesagt, behaltet das Öl. Ich war kein Fan des Irak. Ich wollte den Irakkrieg nicht. Aber ich sage Ihnen, als wir mal drin waren, sind wir schlecht wieder rausgekommen. Und ich habe auch immer gesagt, wir sollten das Öl behalten. Ich habe es zwar aus wirtschaftlichen Gründen gesagt. Aber... wenn wir das Öl behalten hätten, hätten wir jetzt wahrscheinlich keinen IS, weil sie damit erst Geld verdient haben. Also hätten wir das Öl behalten sollen. Aber okay. Vielleicht werden wir eine zweite Chance bekommen." [Hervorhebung hinzugefügt]

Pressesprecher Spicer wurde um eine Klarstellung zu dieser Aussage gebeten und erklärte: "Wir wollen sichergehen, dass unsere Interessen geschützt werden. Wir marschieren aus einem bestimmten Grund in ein Land ein. Er will sicherstellen, dass Amerika eine Gegenleistung für seinen Einsatz und seine Opfer erhält."

Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi reagierte relativ gedämpft auf Trumps implizite Drohung: "Das Öl des Irak ist nach der Verfassung Eigentum der Iraker." Weiter behauptete er, die neue Regierung habe ihm höhere Hilfsgelder zugesagt.

Unklar ist, ob sich Trumps beiläufige Bemerkung über "eine zweite Chance" zur Aneignung des Öls gegen den Irak gerichtet hat oder auf neue, noch schlimmere Angriffspläne gegen den Iran oder sogar gegen Russland hindeutet.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 26.01.2017
Gespräche zwischen syrischer Regierung und "Rebellen" in Kasachstan
http://www.wsws.org/de/articles/2017/01/26/syri-j26.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2017

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