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GRASWURZELREVOLUTION/1268: 40 Jahre Graswurzelrevolution - Fest und Konferenz


graswurzelrevolution 370, Sommer 2012
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

40 Jahre Graswurzelrevolution

Fest und Konferenz in Münster, 7. bis 9. September 2012 in der ESG, Breul 43, Münster

Programm und Infos: Konzerte, Vorträge, Workshops, Diskussionen, Comic-Ausstellung, Filme, ...



Die Monatszeitung für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft feiert ihren 40. Geburtstag im Rahmen einer kleinen Konferenz in der ESG Münster. Ihr seid ganz herzlich eingeladen, mitzufeiern.
Das Programm steht noch nicht 100%ig, aber einige Leckerbissen wollen wir Euch jetzt schon ankündigen:

Findus und Andi Wolff: Comicausstellung ab dem 3. September 2012
40 Jahre Graswurzelrevolution heißt auch 40 Jahre politische Karikatur mit libertärem Anstrich. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts wird die Graswurzelrevolution nicht zuletzt auch durch die beiden Comiczeichner Andi Wolff und Findus zeichnerisch geprägt. Im Rahmen der Festlichkeiten zum 40jährigen Bestehen der GWR sind Zeichnungen und Comics der beiden aus 140 (von 370) GWR-Ausgaben in einer Sonderausstellung zu sehen. Die Ausstellung wird schon ab dem 3. September im ESG-Foyer und im Café Die Weltbühne zu sehen sein.
Infos: www.andi-wolff.de
www.graswurzel.net/verlag/findus.shtml


Freitag, 7. September

ab 16 Uhr:
Ankommen/Begrüßung/Gespräche/Schlafplatzbörse

18.00 Uhr (Aula):
Eröffnung der GWR-Konferenz

Ab 19.00 Uhr (Aula): Konzerte
Duo Contraviento
Das Duo Contraviento (Isabel Lipthay/Chile und Martin Firgau/BRD) besteht seit 1986. Das Repertoire umfasst Stücke verschiedener lateinamerikanischer AutorInnen, ergänzt durch eigene Kompositionen. Sie verwenden Gitarre, Stimme, lateinamerikanische und afrikanische Instrumente. Oft arbeiten sie thematisch in Verbindung mit Musik, Texten von Isabel und Projektionen zu Themen wie Krieg & Frieden, Diktatur & Menschenrechte, Spanischer Bürgerkrieg, ...
Infos: www.contraviento.de

Klaus der Geiger & Band
"Nein, nein, wir wollen nicht eure Welt, wir wollen nicht eure Macht und wir wollen nicht euer Geld, wir wollen nichts von eurem ganzen Schwindel hören, wir wollen euren Schwindel zerstören!" Deutschlands bekanntester Straßenmusiker (geb. 1940) fidelt und singt seine Lieder von Widerstand, von der "Lust auf Leben, Lust auf Liebe, Lust auf Lust, und auch auf die Anarchie". Bei den Feiern zum 30. GWR-Geburtstag 2002 in Münster und bei der 35 Jahre GWR-Konferenz 2007 in Könnern gehörten die Auftritte des libertären Liedermachers aus Köln zu den Höhepunkten.
Infos: www.klausdergeiger.de


Samstag, 8. September

10.00 - 17.00 Uhr, 3 Gruppen à 5 Personen für je 2 Stunden:
Schnupperklettern
Immer wieder gelingen spektakuläre Aktionen gegen Atomkraft, Flughaufenausbau oder Braunkohleabbau durchs Erklettern oder Abseilen von Bäumen oder Gebäuden.

Um mal auszuprobieren, wie sich das anfühlt und ob das eine Aktionsform für euch ist, könnt ihr beim Schnupperklettern vorbei kommen und ein bisschen klettern.
Mit Eichhörnchen, Irene u.a.

10.00 - 11.30 Uhr (Aula):
Albert Camus und seine Vorstellung von gewaltfreier Revolte (Vortrag & Diskussion)
Albert Camus ist eine von vielen Referenzpersonen für die Strategie der gewaltfreien Revolution. Er hat seine eigene Position von kritischer Gewaltbefürwortung während der französischen Résistance zu einem gewaltfreien Revolte-Konzept in den Fünfzigerjahren weiterentwickelt. Im Vortrag werden Camus' Positionsentwicklung, seine Vorstellung von Revolte, der Zusammenhang von Revolte und Revolution sowie sein Konzept des mittelmeerischen Denkens - einer Anwendung freiheitlicher Kulturvermischung ähnlich dem Konzept von Rudolf Rocker in "Nationalismus und Kultur" - dargestellt. Im Anschluss wird anhand seiner Unterstützung der historisch unterlegenen antikolonialen Unabhängigkeitsströmung des Messalismus in Algerien sein Lösungsversuch einer algerischen Föderation vorgestellt und es werden aktuelle Parallelen zur maghrebinischen Frauenbewegung und zu den arabischen Aufständen gezogen, die dann diskutiert werden sollen.
Referent: Lou Marin (Marseille).

Buch: Lou Marin: Ursprung der Revolte. Albert Camus und der Anarchismus, Verlag Graswurzelrevolution

10.00 - 11.30 Uhr (Clubraum 1):
Anarchismus und Christentum
Vortrag und Diskussion mit dem Autor und GWR-Mitherausgeber Sebastian Kalicha (Wien)
"Biblisches Gedankengut führt direkt zum Anarchismus" hatte der Philosoph und christliche Anarchist Jacques Ellul einmal gesagt. Der Vortrag geht der Frage nach, worauf sich derartige Aussagen gründen und wie libertäres Christentum aussehen kann.

10.00 - 11.30 Uhr (Clubraum 2)
"Queer" radikal anders denken & leben - Gegen das Ein-Sortieren und die Diskriminierung von Anderssein.
Kann der Ansatz Queer auch auf die Überwindung ausschließender Normen in andere Bereiche (Healthism/Lookism/Klassismus/...) ausgeweitet werden? Kann dies alles zusammengedacht werden? Was würde das für eine anarchistische Praxis und Utopie bedeuten? Workshop mit Jörg Djuren (Hannover)

11.45 - 13.15 Uhr (Aula):
Occupy Anarchy! - Libertäre Interventionen in eine neue Bewegung
Die 1992 in Münster gegründete Infogruppe Bankrott hat Stellungnahmen US-amerikanischer Anarchist_innen gesammelt und im Sommer 2012 unter obigem Titel im Verlag Edition Assamblage herausgegeben. Buchvorstellung mit Übersetzer_innen und Herausgeber_innen.

11.45 - 13.15 Uhr (Clubraum 1):
Gerechter Krieg?
Der Workshop dient zur Auseinandersetzung mit der Ideologie des gerechten Krieges, mit der Kriegsführung und Militärinterventionen der NATO-Staaten seit dem Ende des Ost-West Konflikts und den Balkankriegen in den westlichen Gesellschaften etabliert wurden. Auf der UN-Ebene wird von der "Responsibility to Protect" (Schutzverantwortung) als Grundlage für militärisches Eingreifen in innerstaatliche Konflikte gesprochen.

Diskutiert werden sollen u.a. der Zweite Weltkrieg als Paradigma des gerechten Krieges und antimilitaristische Strategien gegen kommende "humanitäre Interventionen". Wie verhalten wir uns gegenüber Bürgerkriegen oder "Völkermord" in anderen Ländern?
Referenten: Daniel Korth / Harmut Linne

11.45 - 13.15 Uhr (Clubraum 2):
Was ist eigentlich Pazifismus? Was ist Antimilitarismus?
In der Buchreihe theorie.org vom Schmetterling Verlag wird zum GWR-Kongress das Buch "Pazifismus u. Antimilitarismus - eine Einführung in die Ideengeschichte" vorliegen. Der Autor Wolfram Beyer, Mitglied der Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK), wird sein Buch vorstellen, dabei wird er den Schwerpunkt auf die gewaltfreie Aktion legen.

13.15 - 14.15 Uhr: Mittagspause

14.15 - 16.00 Uhr (Aula):
Leben und Werk Clara Wichmanns; Gewaltlose Anarchistin und Antimilitaristin
Referentin: Renate Brucker

14.15 - 16.00 Uhr (Clubraum 1):
40 Jahre Graswurzelrevolution, 150 Jahre Anarchismus
Von der Freiheit zur graswurzelrevolution. GWR-Koordinationsredakteur Bernd Drücke beleuchtet die Geschichte libertärer Medien und stellt graswurzelrevolutionäre Perspektiven zur Diskussion.

Bücher: Bernd Drücke: Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland, K&O, Ulm; ja! Anarchismus. Gelebte Utopie im 21. Jahrhundert, Karin Kramer Verlag, Berlin

14.15 - 16.00 Uhr (Clubraum 2):
AG Anti-Staatlichkeit heute
In dieser AG soll es um 2 Fragekomplexe gehen:
1. Wie hat sich das Verhältnis von Sozialen Bewegungen und Staat verändert?
Sind die Sozialen Bewegungen heute weniger anarchistisch und nicht grundsätzlich gegen den Staat? Wird noch daran "geglaubt", dass sich Staatlichkeit überwinden lässt?

Hat sich das politische Verständnis der Sozialen Bewegungen selbst verändert, wenn ja, wie? Sind heutige Soziale Bewegungen stärker auf den Staat bezogen, Stichwort NGOisierung? Was ist mit einem eigenständigen Verständnis von Politik?

Sind die Sozialen Bewegungen heute zu schwach, um die Systemfrage zu stellen?

Werden alle Energien dafür gebraucht, Abwehrkämpfe zu führen statt Schritte über die bestehenden Verhältnisse hinaus machen zu können?

2. Ist die repressive Komponente zurückgetreten gegenüber manipulativen Techniken?
In Anlehnung an Marketing und PR-Journalismus haben sich im politischen Bereich weitere manipulative Techniken der Steuerung der öffentlichen Meinung und des Managements von politischen Konflikten entwickelt. Sind diese Formen des Umgangs mit Protestbewegungen "gefährlicher" weil effektiver als repressive Maßnahmen? Welche Mechanismen sind dort am Werk und wie und worüber wirken sie?

These: S21 war die Feuerprobe eines neuen Modells. Sie ist im Sinne der herrschenden Eliten ausgesprochen erfolgreich verlaufen. Gibt es Gegenmittel gegen diese Strategie? Was hat der Staat gelernt - wie müssen die Soziale Bewegungen darauf reagieren?

Die Diskussion wird mit unterschiedlichen Methoden geführt. Am Anfang wird ein kurzer Input stehen.

16.15 - 17.45 Uhr (Aula):
EU-Flüchtlingspolitik, Frauenrechte und Homophobie in Iran
Die Autorin Shaghayegh Zafari lebte bis vor zwei Jahren in Iran. Sie engagierte sich für die Rechte von Frauen und Homosexuellen in ihrem Land. Nachdem sie selbst ins Visier des iranischen Regimes geriet und im Gefängnis saß, flüchtete sie nach Deutschland. Siehe: Interview in GWR 369

16.15 - 17.45 Uhr (Clubraum 1):
Der Münsteraner Paul Wulf (1921 - 1999) - NS-Opfer, Antifaschist und Anarchist.
Bernd Drücke (Freundeskreis Paul Wulf) erzählt die Geschichte seines Freundes, der 1938 von den Nazis als "Lebensunwerter" zwangssterilisiert und nach dem Zweiten Weltkrieg antifaschistischer Bewegungsaktivist und zur Stimme der 350.000 zwangssterilisierten NS-Opfer wurde. Thematisiert werden zudem das Projekt "Münsters Geschichte von unten" und die erfolgreichen Kämpfe für den Erhalt der Paul Wulf-Skulptur und die Umbenennung des nach einem Naziarzt benannten Jöttenwegs in Paul Wulf-Weg.
Exkursion zur Paul-Wulf-Skulptur (am Servatiiplatz/Promenade): Sonntag, 11.30 Uhr.

Buch: Freundeskreis Paul Wulf (Hg.): Lebensunwert? Paul Wulf und Paul Brune. NS-Psychiatrie, Zwangssterilisierung und Widerstand, Verlag Graswurzelrevolution 2007.
Infos: www.uwz-archiv.de

16.15 - 17.45 Uhr (Clubraum 2):
Gewaltfreie Aktionen, gewaltfreie Aufstände, gewaltlose Revolution. Konzeptionen und Strategien der Graswurzelrevolution: Was ist nach 40 Jahren noch gültig, was ist neu zu bedenken?
Vortrag und Diskussion mit Johan Bauer
Als die Graswurzelrevolution Anfang der 70er Jahre über gemeinsame Ziele und Mittel diskutierte, war der Entwurf eines Manifests für gewaltlose Revolution, der in der War Resisters' International (WRI) entstanden war, eine wichtige Anregung unserer Programmatik, die uns von traditionellen PazifistInnen unterschied - ebenso wie von den neoleninistischen Gruppen, die aus der antiautoritären Bewegung hervorgegangen waren. Diese Konzepte waren auch Ergebnisse der Lernprozesse von PazifistInnen in den Bewegungen seit dem 2. Weltkrieg und besonders während des Vietnamkrieges. Ähnlich waren schon in der Entstehungszeit der WRI nach dem Ersten Weltkrieg die Erfahrungen zusammengefasst worden: Es genügt nicht die militärische Gewalt, den Krieg isoliert zu bekämpfen, seine gesellschaftlichen Wurzeln müssen beseitigt werden, deshalb: Revolution.

Natürlich entdeckten wir schnell nicht nur in vielen Bewegungen der 60er Jahre gewaltlos-revolutionäre Elemente, sondern wesentlich früher: Bei den anarchistischen und anarchosyndikalistischen TheoretikerInnen und Massenbewegungen, bei den von Tolstoi inspirierten Gruppen, aber sogar schon bei Etienne de la Boetie, bei den "Wiedertäufern", den englischen Diggers, den "böhmischen Brüdern", ... - der unterdrückte Strom der Zurückweisung von Gewalt als Struktur wie als Handlung. Und es kamen neue Kritiken der Gewalt hinzu (Sexismus), alte wurden wieder wichtiger (Rassismus), wir lernten mit den sozialen Bewegungen. Aber diese Bewegungen sind immer voller Widersprüche, oft reproduzieren sie auch unterdrückerische und scheinbar "effektive" Praktiken, etablieren sich und bleiben Teil der ursprünglich abgelehnten Strukturen.

Deshalb propagieren wir seitdem Formen des Widerstands und der Revolte, die das Ziel der Herrschaftslosigkeit schon in den Mitteln vorwegnehmen, die den Bürgerkrieg und militärisch-hierarchische Formen vermeiden, eine solidarisch-befreiende Praxis entwickeln wollen - auf Massenebene. Dabei spielt immer die Neutralisierung und Schwächung und Ent-Legitimierung der herrschenden Gewalt und ihrer Organe die entscheidende Rolle, also der Antimilitarismus. Erfahrungen mit gewaltlosen Massenbewegungen und Aufständen hat es nach den international beachteten Durchbrüchen der Machtentfaltung ohne Gewalt in Indiens Kampf gegen den britischen Kolonialismus (Gandhi, nicht allein!) und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung noch sehr viele gegeben. Das Arsenal der zivilen Widerstandsformen und der Erfahrungen mit zivilem Ungehorsam ist seitdem in vielen neuen sozialen Bewegungen und Kämpfen gegen Diktaturen enorm erweitert worden. Und doch sind unsere Hoffnungen auf das, was wir für den Kern halten: Dass nicht nur die Regierungen ausgewechselt und die Formen von Ausbeutung und Unterdrückung "verbessert" werden, sondern eine neue Gesellschaft entsteht, oft enttäuscht worden. Es ist Zeit für einen kritischen Blick zurück und die Frage: Wo stehen wir jetzt? Wie haben sich gesellschaftliche Strukturen und Ausgangsbedingungen der Protest- und Widerstandsbewegungen verändert? Welche Krisen und Zuspitzungen von Konflikten sind in der nächsten Zukunft zu erwarten? Was können und müssen wir tun?

Buch: Johan Bauer: Ein weltweiter Aufbruch!, Verlag Graswurzelrevolution 2010

18.00 - 19.30 Uhr (Aula):
Kontroversen in der Friedensbewegung
Die Friedensbewegung ist gegen den Krieg - darüber ist sie sich einig! Was dem Frieden jedoch schadet bzw. nützt, darüber gehen die Vorstellungen teils extrem auseinander. Vor diesem Hintergrund scheinen in jüngster Zeit Anzahl und Schärfe der Konflikte innerhalb der Friedensbewegung zugenommen zu haben (vgl. GWR 369). Der Vortrag soll deshalb einen Überblick über einige der wesentlichen Debatten und die in diesem Zusammenhang von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) vertretenen Positionen geben.
Referent: Jürgen Wagner (IMI).
Infos: www.imi-online.de

18.00 - 19.30 Uhr (Clubraum 1):
Ägyptischer Frühling
Zwischen Revolution und Militärherrschaft
Veranstaltung mit dem ersten ägyptischen Kriegsdienstverweigerer Maikel Nabil Sanad
Durch weitgehend gewaltfreie Massenproteste wurde im Februar 2011 der ägyptische Präsident Husni Mubarak entmachtet. Die Regierungsgeschäfte übernahm der Oberste Militärrat.

Trotz der Ende 2011 durchgeführten Wahlen hält das Militär weiter die Macht in den Händen und ging nicht auf die Forderung ein, diese einem zivilen Gremium zu übergeben. Das soll erst nach der Präsidentschaftswahl geschehen. Die Zweifel der Demokratiebewegung, ob es wirklich einen demokratischen Wandel geben wird, sind groß. Wichtige politische Ämter sind durch Angehörige der alten Regierung besetzt. Das Militär ging wiederholt gewaltsam gegen DemonstrantInnen vor. Tausende wurden verhaftet. Es ist offen, wie das neue Ägypten aussehen wird. Um eine Einschätzung darüber zu erhalten, haben wir Maikel Sanad eingeladen. Er wird mit seinen kritischen Positionen zum Militär, den Aktivitäten in der Demokratiebewegung und seiner Arbeit zu KDV und Menschenrechten ein differenziertes Bild über die Lage in Ägypten liefern. Maikel kritisierte als Kriegsdienstverweigerer die Rolle des ägyptischen Militärs während und nach der Revolution und berichtete auf seinem Blog über vom Militär verübte Menschenrechtsverletzungen. Er wurde daraufhin zu zwei Jahren Haft verurteilt. Nach einer internationalen Kampagne wurde er 2012 vorzeitig begnadigt (die GWR berichtete).
Träger der Veranstaltung: GWR, DFG-VK Münster, BSV, Connection e.V.

18.00 - 19.30 Uhr (Clubraum 2):
Der Buchverlag Graswurzelrevolution stellt sich vor
Seit 1998 machen wir als Arbeitsgruppe innerhalb des HerausgeberInnenkreises der Graswurzelrevolution auch Bücher, besuchen und betreuen regelmäßig Büchertische bzw. Verlagsstände auf libertären oder linken Buchmessen bis hin zur regelmäßigen Präsenz auf den beiden großen bürgerlichen Buchmessen in Leipig und Frankfurt/M. Wir organisieren und betreuen Rundreisen mit Buchvorstellungen unserer AutorInnen und hatten bereits zweimal größere Rundreisen mit Autoren aus weiter Entfernung organisiert: Clayborne Carson kam 2004 aus San Francisco für eine Zwei-Wochen-Rundreise und Michael Seidman letztes Jahr für eine Zehn-Tages-Rundreise. In dieser lockeren und informellen Arbeitsgruppe wollen wir uns mit euch austauschen und insbesondere fragen, ob ihr uns bei unseren dringlichsten Problemen vielleicht perspektivisch helfen könnt, das betrifft vor allem Vertriebsfragen und die Betreuung von Büchertischen und Verlagständen auf Messen.

Abendessen

Ab 20 Uhr (Aula):
Konzert mit Pit Budde (Ex-Cochise und Songwriter)
Die anarchistische Folkrockformation Cochise wurde 1979 gegründet und war bis zu ihrer Auflösung Ende der 1980er Jahre - neben und nach Ton Steine Scherben - eine herausragende Band der Alternativ-Bewegung im deutschsprachigen Raum.
Infos: www.graswurzel.net/278/cochise1.shtml


Sonntag, 9. September

10.00 - 12.00 Uhr (Aula):
Perspektiven und neue Aufgaben der Anti-Atom- und Ökologiebewegung. Die Aktualität von Wachstums- und Produktivitätskritik anhand von Michael Seidmans Thesen in: "Gegen die Arbeit"
Die Anti-Atom-Bewegung hat maßgeblich den Beschluss zur sog. "Atomwende" erzwungen. Bestimmte Atomanlagen sowie der Technologieexport wurden jedoch von vorneherein ausgeklammert und die tatsächliche Durchführung einer "Energiewende" wird bewusst verschleppt. Versuchsballons zum Kippen bzw. zur erneuten Verlängerung der Laufzeiten werden von Seiten der Industrie bereits gestartet. Völlig unhinterfragt bleibt bei allem jedoch das Niveau industrieller Produktivität, auf dem diese Energiewende stattfinden soll - symbolisiert durch die Pläne, 4000 km Hochspannungstrassen von der Nordsee bis nach Süddeutschland zu bauen. Die kapitalstisch-industrielle Wachstumspropaganda bleibt ungebrochen. Die Anti-Atom-Bewegung muss perspektivisch ein Bewusstsein dafür aufbauen, dass Negativwachstum und Produktionsrückgang nicht Katastrophenszenarien, sondern erstrebenswerte Utopien in den Metropolen im Rahmen einer ökosozialistischen Utopie sind.

Michael Seidman hat mit seinem Buch "Gegen die Arbeit" eine antiproduktivistische Geschichtsschreibung begonnen. Der Widerstand der ArbeiterInnen Frankreichs und Spaniens in sozialrevolutionären Umbruchsphasen 1936-38 wird von ihm als historisch erste Ökologiebewegung interpretiert. Die Formen des Widerstands bilden das, was gewaltfreie AnarchistInnen "materialistische Gewaltlosigkeit" genannt haben; was dann in den Siebzigerjahren die Grundlage der Technologiekritik der Anti-Atom-Bewegung gewesen ist (mit Theoretikern wie Mumford, Illich, Jungk) oder von Betriebsexperimenten wie Lucas Aerospace und LIP - und was heute in Theorien der Antiglobalisierungsbewegung diskutiert wird wie etwa in John Holloways "Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen".
Referent: Lou Marin.

Buch: Michael Seidman: Gegen die Arbeit, Verlag Graswurzelrevolution 2011

10.00 - 11.30 Uhr (Clubraum 1):
Lebensunwert. Paul Brune. NS-Psychiatrie und ihre Folgen
Der Dokumentarfilm von Monika Nolte und Robert Krieg zeichnet an einem biographischen Beispiel in erschütternder Eindringlichkeit die Geschichte der NS-Psychiatrie nach, aber auch deren dunkle Kontinuitäten bis in die Gegenwart hinein. Filmpräsentation und Diskussion mit den FilmemacherInnen Robert Krieg und Monika Nolte aus Köln.

10.00 - 12.00 Uhr (Clubraum 2):
Frauen und Anti-Militarismus - Was geht Frauen der Krieg an?
Perspektiven der aktiv gewaltlosen, radikalen Veränderung der Gesellschaft von unten - Workshop mit GWR-Mitherausgeberin Johanna Hellkerns (Oberursel/Taunus)

1975 zogen die ersten Sanitätsoffizierinnen ihre Bundeswehruniformen an. Seitdem wurden Militärlaufbahnen für Frauen weiter eröffnet. 1982 waren bereits 48.000 zivile Mitarbeiterinnen bei der Bundeswehr beschäftigt. Hinter dem Aufruf: zur Kriegsbeteiligung und der Bereitschaft im Falle des Krieges den Interessen des Staates dienstwillig zur Verfügung zu stehen, stecken vor allem auch wirtschaftliche Profit- und Machtinteressen. Zum anderen ist es der Wunsch des Staates - möglichst viele Menschen in der Militär- und Gewaltspirale zu beschäftigen; sie unter staatliche Kontrolle zu bringen. Viele FeministInnen befürworten bis heute - die Gleichschaltung von Frauen & Männern beim Militär - Es gilt als fortschrittlich und emanzipiert sich den "männlichen" Vorbildern anzugleichen. Anarchistinnen wie Emma Goldman, Dorothy Day (u.a.) haben dieses Problem der Macht-Gleichschaltung (der zunehmenen Integrationen der Frauen in den Militärapparat) bereits in den 1920er/30er Jahren erkannt und vehement in Frage gestellt. Die libertäre Sozialistin Dorothy Day (Mit-Gründerin des anarchistischen Chatholic-Workers-Movements, seit Ende der 1930er Jahre in den USA (und zuwachsend in Europa) - initierte mit Anderen zusammen eine "Selbst-Organisation" - Häuser und Landkommunen - um eine sozial gerechte, herrschaftsfreie Gesellschaft von unten, aufzubauen. Die Menschen sollten befreit werden vom Zwang zum Militärdienst, von den Zwängen des kapitalistischen Profit-Arbeitsmarktes. Im Impulsreferat des Workshops (ca. 60 Min.) möchte ich diese anarchistisch-antimilitaristischen Standorte aufzeigen. Zum anderen auch analytisch Einblicke in die aktuellen Sichtweisen von "Gender & Militär" geben. So dass wir (auf dieser Grundlage) - gemeinsam aktiv-gewaltlose Formen des Widerstandes gegen Machtgebärde & Militär entwickeln können. In der Graswurzelrevolution finden sich viele Artikel, die dokumentarisch - Zeugnis ablegen, von Widerstandsformen gegen die zunehmende Militarisierung. Auch viele Frauen haben bewusst Widerstand gegen die Rekrutierungszwänge geleistet. Mit Hilfe der GWR-Handouts (copierte Artikel - aus älteren GWR-Ausgaben) - knüpfen wir an die Geschichte des antimilitaristischen, gewaltlosen Widerstandes an, gewinnen Einblicke in die radikaleren Wurzeln unserer Geschichte und beginnen aufzurütteln.

10.00 - 12.00 Uhr (Clubraum 3):
Die libertäre Jugendzeitung utopia - Vergangenheit und Zukunft
112 Seiten im Berliner-Zeitungsformat, 21 Ausgaben, vier Jahre Jugendzeitung utopia von 2007 bis Ende 2011. Dann wurde das Projekt vorläufig eingestellt - nicht weil es keinen Erfolg hatte, sondern weil die Redaktion schlicht zu klein war und zu wenig Zeit für die ehrenamtliche utopia-Produktion hatte. Genügend engagierte Leute zu finden war aber nicht das einzige Problem der utopia - es gab viele Höhen und Tiefen. Im Vortrag wird die Geschichte der gewaltfrei-anarchistischen Jugendzeitung utopia aus erster Hand nachgezeichnet - von der Gründung über die Arbeitsweise der Redaktion bis zum vorläufigen Ende der Zeitung. Anschließend kann über das Zeitungsprojekt diskutiert werden. Wenn sich genügend Interessierte finden soll auch über einen Neustart der Jugendzeitung nachgedacht werden - utopia², vielleicht wird es das schon kurz nach dem Graswurzelfest geben!
Michael Schulze von Glaßer (*1986) war von der ersten bis zur vorläufig letzten utopia-Ausgabe in der Redaktion aktiv und ist als freier Journalist und Fotograf unterwegs.

11.30 Uhr:
Münsters Geschichte von unten. Exkursion zur Paul-Wulf-Skulptur (am Servatiiplatz/Promenade). Vortrag von Bernd Drücke, der als Mitglied des Umweltzentrum-Archiv e.V. gemeinsam mit der Frankfurter Künstlerin Silke Wagner für die skulptur projekte münster 07 das Projekt Münsters Geschichte von unten (www.uwz-archiv.de) entwickelt hat. Zu diesem Projekt gehört auch die 3,40 Meter große Skulptur (vgl. Veranstaltung am Samstag).

Mittagspause

14.00 Uhr (Aula):

Abschlussplenum und Konzert

Andere Saiten
Die Anderen Saiten sind ein Chor, der sich vorgenommen hat, die Welt zu retten. Auf dem Weg dahin wollen wir dazu beitragen, die Chormusik als politische Aktionsform zu etablieren. Man trifft uns bisher vor allem auf Anti-AKW Demos. Für unsere Aktionen schreiben wir Texte für bestehende Chorsätze alter und neuer Meister. Ursprünglich kommen wir alle irgendwie aus Aachen. Inzwischen sind wir aber in ganz Deutschland verteilt (Berlin, Freiburg, Heidelberg, München, Wuppertal).
Infos: GWR 369 und www.andere-saiten.de


Allgemeines zur GWR-Konferenz:

Eintrittspreise: 15 Euro (sozial), 25 Euro (normal), 30 Euro (Soli-Jubiläumspreis) oder mehr, Einzelveranstaltung: jeweils 3 EUR, Konzert: je 5 Euro.

Wir bemühen uns um die Organisation u.a. auch von Schlafplatzbörse, Kinderbetreuung und Volxküche. Damit wir abschätzen können, wie viele Leute zum Fest kommen, meldet Euch bitte an. Mailt, faxt oder schreibt bitte an:
GWR-Redaktion,
Breul 43, 48143 Münster.
Tel.: 0251/48290-57, Fax: -32,
redaktion@graswurzel.net

Wir haben bisher 5.000 Plakate gedruckt, davon liegen 3.600 Stück der GWR 370 bei. Bitte aufhängen. Weitere Plakate könnt Ihr bestellen bei:
GWR-Vertrieb, Birkenhecker Str. 11, 53947 Nettersheim,
abo@graswurzel.net

Mehr Infos demnächst auf www.graswurzel.net

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Quelle:
graswurzelrevolution, 41. Jahrgang, Nr. 370, Sommer 2012, S. 12-13
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
Koordinationsredaktion Graswurzelrevolution:
Breul 43, D-48143 Münster
Tel.: 0251/482 90-57, Fax: 0251/482 90-32
E-Mail: redaktion@graswurzel.net
Internet: www.graswurzel.net
 
Die "graswurzelrevolution" erscheint monatlich mit
einer Sommerpause im Juli/August.
Der Preis für eine GWR-Einzelausgabe beträgt 3 Euro.
Ein GWR-Jahresabo kostet 30 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2012