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GRASWURZELREVOLUTION/1393: Gronau - Urananreicherung im Sonderangebot?


graswurzelrevolution 388, April 2014
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Gronau: Urananreicherung im Sonderangebot?

von Matthias Eickhoff



Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau steht zum Verkauf. Und nicht nur das: Der internationale Urananreicherer Urenco soll nach dem Willen der bisherigen Anteilseigner womöglich sogar komplett die Besitzer wechseln. Damit wächst die Befürchtung, dass es zu einer im Endeffekt unkontrollierbaren Weiterverbreitung der gefährlichen Atomwaffentechnik kommt. Denn schon im April letzten Jahres erklärte der Vorsitzende der Entsorgungskommission der Bundesregierung, Michael Sauer, gegenüber der taz: "Die Urananreicherung ist der einfachste Weg zur Atombombe." Anti-Atomkraft-lnitiativen fordern deshalb die sofortige Stilllegung der Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau und rufen für Karfreitag, den 18. April, gemeinsam mit Friedensinitiativen zu einem Ostermarsch an der UAA auf.

Angereicherte Geschäfte

Bislang gehört Urenco zu je einem Drittel dem britischen und dem niederländischen Staat sowie den deutschen Atomkonzernen EON und RWE, die sich das verbleibende Drittel teilen. Doch nach Fukushima kündigten alle Urenco-Eigentümer an, ihre Anteile verkaufen zu wollen. Und dass, obwohl die Urananreicherung laut Urenco blendend läuft und ordentlich Profit abwirft.

Laut Geschäftsbericht 2013 erwirtschaftete die Urenco rund 1,5 Mrd. Euro Umsatz und machte dabei 337 Mio. Euro Gewinn. Für die bisherigen Anteilseigner fallen dabei satte 270 Mio. Euro Dividende ab.


Warum wollen sich die Urenco-Eigentümer von einem angeblich so profitablen Unternehmen trennen?

Die Gründe sind vielfältig: EON und RWE stecken bekanntlich seit Fukushima in einer schweren Krise. Beide Konzerne haben einseitig und vollkommen stur auf Atom und Kohle gesetzt. Alternative Energien waren verpönt. Stattdessen waren Laufzeitverlängerungen für AKW und neue Kohlekraftwerke das Gebot der Stunde.

Die Abschaltung der acht alten AKW in Deutschland erwischte EON und RWE auf falschem Fuß, für Kohlestrom gibt es nicht mehr so viel Geld wie früher und manches Gaskraftwerk ist aufgrund der erfolgreichen Entwicklung bei den Erneuerbaren inzwischen eingemottet.

RWE fuhr 2013 den ersten Verlust seit Ewigkeiten ein, bei EON sieht es nicht viel besser aus. Um also aus den Miesen zu kommen, täte eine Finanzspritze aus dem Urenco-Verkauf sehr gut. Bei angepeilten 8-14 Mrd. Euro für den Gesamtkonzern Urenco blieben für EON und RWE jeweils ca. 1,3 bis 2,3 Mrd. Euro - ein Verkauf ist also attraktiv für die beiden Atomkonzerne.

Ähnlich geht es der britischen Regierung, die mit den erhofften Urenco-Milliarden Haushaltslöcher stopfen möchte.


Wer kontrolliert die Urananreicherung?

Allein die niederländische Regierung ist ins Grübeln geraten, denn u. a. im niederländischen Parlament mehren sich die Stimmen, die vor einem Kontrollverlust bei Urenco warnen, sollte ein Komplettverkauf erfolgen. Dabei hatte ausgerechnet der niederländische Finanzminister Dijsselbloem im Mai 2013 in einem Schreiben an das niederländische Parlament sogar einen Börsengang für Urenco ins Gespräch gebracht, um einen "maximalen Verkaufsgewinn" erzielen zu können.


Urananreicherung an der Börse - im Besitz von Investmentfonds und Hedgefonds?

Diese Vorstellung ließ selbst die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf aufhorchen, die sich ansonsten in Gronau durch Nichtstun hervortut und nicht einmal die laxen Sicherheitsvorkehrungen bei der Freilagerung von Uran sowie bei den Urantransporten verschärfen möchte. Hedgefonds könne man sich bei Urenco nicht vorstellen, ließ SPD-Wirtschaftsminister Duin nach Kritik der Anti-Atomkraft-Initiativen mitteilen.

In den Niederlanden fand im Dezember 2013 eine Anhörung im Parlament statt, auf der es viele kritische Anmerkungen zum Verkauf der Urenco-Anteile gab. Seither wird auch erwogen, dass die Niederlande womöglich nicht verkaufen, sondern sogar zukaufen, um die Urananreicherung unter staatlicher Kontrolle zu halten.

Das wiederum erfreut weder EON und RWE noch die britische Regierung, die sich genau wie die Bundesregierung einen schnellen und geräuschlosen Verkauf erhofft hatten.

Angebote gibt es jedenfalls genug: Als aussichtsreich gelten die französische Areva, der kanadische Urankonzern Cameco sowie die japanische Toshiba-Westinghouse. Aber auch Indien, ein Unternehmer aus Hongkong sowie diverse Investment- und Pensionsfonds haben Interesse angemeldet.

Angeblich soll auch der ehemalige Technikdirektor der Urenco, Patrick Upson, ein Konsortium mit dem nötigen Kleingeld hinter sich haben.

Wer letztlich zum Zug kommt, ist derzeit von außen kaum zu beurteilen. Areva und Cameco würden sehr gerne einsteigen. Areva hat schon ein Joint Venture mit Urenco zur Forschung und Entwicklung der Anreicherungs-Zentrifugen (ETC, deutsche Standorte in Jülich und Gronau). So bliebe die Urananreicherung in europäischer Hand. Doch Areva hat mehrfach betont, wegen eigener finanzieller Schwierigkeiten nicht jeden Preis bezahlen zu wollen. Das wiederum macht Areva bei den bisherigen Eigentümern nicht beliebt.

Aber ohne Börsengang werden EON und RWE wahrscheinlich finanzielle Abstriche machen müssen. Cameco und Toshiba wären sicherlich aus Sicht der beteiligten Regierungen ebenfalls akzeptabel, während Indien nicht einmal dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist.


Und was sagt die Bundesregierung zu alledem, die vor einem Deal ihren Segen geben muss?

Sie schweigt so weit wie möglich, es sei denn, es gibt konkrete Anfragen der Linken und der Grünen. Obwohl die Urananreicherung so brisant ist, will die Bundesregierung nicht einmal den Bundestag beteiligen und so EON und RWE hinter verschlossenen Türen die Aufbesserung der Portokasse ermöglichen. Ob sich die Große Koalition hierbei in irgendeiner Hinsicht von Schwarz-Gelb unterscheidet, wird sich noch zeigen müssen. Anlass zu Hoffnung besteht nicht.


Ostermarsch in Gronau

Deshalb lassen die Anti-Atomkraft-Initiativen nicht locker und organisieren auch in diesem Jahr wieder einen Ostermarsch an der Urananreicherungsanlage Gronau.

Auftakt ist am Karfreitag, 18. April, um 12.30 Uhr vor dem Haupttor der UAA in der Röntgenstraße. Eine Besonderheit ist diesmal, dass der Ostermarsch, in Gronau zugleich der Auftakt zum traditionsreichen Ostermarsch Rhein-Ruhr ist, der dann von Karsamstag bis Ostermontag (19.-21.4.) zahlreiche Stationen im Ruhrgebiet ansteuert. Friedensinitiativen und Anti-Atomkraft-Initiativen fordern gemeinsam den sofortigen Ausstieg aus der Urananreicherung. Damit würde Deutschland zugleich auch die Fähigkeit aufgeben, innerhalb weniger Wochen genügend Uran für eine Atombombe anreichern zu können. Auch aus friedenspolitischer Hinsicht ist die Auseinandersetzung mit der UAA Gronau und der Urenco sehr wichtig.

Weitere Infos:
www.ostermarsch-ruhr.de
www.sofa-ms.de
www.robinwood.de
www.umweltfairaendern.de

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Quelle:
graswurzelrevolution, 43. Jahrgang, Nr. 388, April 2014, S. 4
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2014