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IMI/688: USA wollen ihre Drohnenflüge um 50 % erhöhen - Rüstungswettlauf in vollem Gange


IMI - Informationsstelle Militarisierung e.V.

IMI-Analyse 2015/030 vom 24. August 2015

USA wollen ihre Drohnenflüge um 50 % erhöhen - Rüstungswettlauf in vollem Gange

von Michael Haid


Ein Sprecher des Pentagons kündigte am 17. August 2015 an, die USA würden beabsichtigen, die weltweiten Drohnenoperationen während der nächsten vier Jahre auszuweiten. Der Grund hierfür sei, dass der Bedarf an Drohnen ständig wachse. Deshalb suche das Pentagon nach Wegen, die Drohnenflüge von gegenwärtig 60 auf 90 Flüge pro Tag bis zum Jahr 2019 zu erhöhen, wie der Militärsprecher erklärte. Die US-Luftwaffe führe täglich 60 weltweit geleitete Drohnenflüge aus, die vorwiegend von örtlichen Kommandeuren zu Spionagezwecken genutzt würden, und beinhalte nicht die taktischen Drohnenflüge, die durch Einheiten in Kampfzonen ausgeführt würden, so der Pentagon-Sprecher weiter. Das Pentagon plane, dass zehn bis 20 Drohnenflüge täglich von der US-Armee, zehn weitere Flüge vom US-Kommando für Spezialoperationen sowie zehn Flüge mit unbewaffneten Drohnen von privaten Sicherheitsdienstleistern ausgeführt werden könnten.[1] Die Folgen dieser Drohnenangriffe können in folgender Tabelle eingesehen werden.[2]

Als jüngste Entwicklung kann hervorgehoben werden, dass in Afghanistan im Juli 2015 mit 17 Angriffen mehr ausgeführt wurden als im gesamten Halbjahr zuvor und dass die Anzahl der bestätigten Drohnenangriffe im Jemen dieses Jahr bereits 15 erreichte.

Tabelle - US-Drohnenangriffe Anzahl nach Ländern, Zahlen für Getötete und Verletzte

Dieses Vorhaben des US-Verteidigungsministeriums zeigt, dass der Rüstungswettlauf mit Drohnen in vollem Gange ist, wie Kritiker bereits längst befürchtet und davor gewarnt hatten. Deshalb werden an dieser Stelle kurz einige Daten der »New America Foundation« präsentiert, welche den Stand der Rüstungsentwicklung wiedergeben können. Nach Zählung dieser Organisation sollen gegenwärtig 86 Staaten in unterschiedlicher Qualität bewaffnete oder unbewaffnete Drohnen besitzen. Zudem gebe es noch nicht-staatliche Akteure, die Drohnen zu ihrer Verfügung hätten. Vier dieser Staaten hätten bereits bewaffnete Drohnen zur Tötung eingesetzt: Israel, die USA, Großbritannien und seit Neuestem Pakistan. Hinzu komme die Hisbollah als nicht-staatliche Kriegspartei mit aus dem Iran gelieferten Drohnen. Neben diesen Akteuren sollen noch China, Frankreich, der Iran, Nigeria, Südafrika, Somalia sowie die Hamas bewaffnete Drohnen besitzen. Noch mehr Staaten sollen bewaffnete Drohnen entwickeln. Dazu sollen neben Russland und Indien auch Taiwan, Schweden, die Schweiz, Spanien, Italien, Griechenland und die Türkei zählen. Rund die Hälfte der Staaten, die Drohnen besitzen, nämlich 45 Staaten, würden auch selbst Drohnen produzieren. Das größte Drohnen-produzierende Unternehmen (DJI) stamme aus China und habe einen Wert von zehn Milliarden US-Dollar. Israel sei der größte Exporteur von Drohnen in der Welt, da es für 41 % der zwischen 2001 und 2011 exportierten Drohnen verantwortlich sei und habe zwischen 2005 und 2012 Drohnen im Wert von fast 4,6 Milliarden US-Dollar exportiert. Russland habe angekündigt, 9,2 Milliarden US-Dollar in seine Drohnenproduktion zu investieren und entwickle eine 20 Tonnen schwere Angriffsdrohne (und damit circa fünf Tonnen schwerer als das Maximalgewicht der Global Hawk aus den USA, die derzeit schwerste im Einsatz befindliche Militärdrohne), deren Prototyp 2018 einsatzfähig sein könne.[3] Im Februar 2015 änderte die USA ihre strikt restriktive Exportpolitik und kündigte an, künftig von Fall zu Fall nach ihren jeweiligen sicherheitspolitischen Interessen Drohnenexporte, auch von bewaffneten Drohnen, an mit ihnen verbündete Staaten zuzulassen.[4]


Der Rüstungswettlauf mit autonomen Waffensystemen

Dies sind nur einige Beispiele, die darauf hinweisen sollen, dass ein Rüstungswettlauf mit all seinen negativen Konsequenzen bereits seit langem in vollem Gange ist. Und diese Entwicklung ist nur der Vorläufer zu einem weiteren Trend: Die autonome Kriegsführung. Das »Future of Life Institute« veröffentlichte am 28. Juli 2015 einen Offenen Brief, der innerhalb kürzester Zeit von über 19.000 Personen, darunter beinahe 3.000 Forschern aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Robotik unterzeichnet wurde (Stand: 22. August 2015) und in dem es heißt: Autonome Waffensysteme selektierten und griffen Ziele ohne menschliches Zutun an. Die Technologie der Künstlichen Intelligenz habe einen Punkt erreicht, bei dem der Einsatz solcher Systeme, tatsächlich, wenn nicht gar rechtlich, innerhalb von Jahren, nicht Jahrzehnten (!), möglich sei und die Risiken seien hoch: Autonome Waffensysteme seien als die dritte Revolution in der Kriegsführung, nach dem Schießpulver und den Nuklearwaffen beschrieben worden. Die Schlüsselfrage für die Menschheit sei heute, ob sie einen globalen KI-Rüstungswettlauf starten solle oder ob es verhindert werden könne, einen solchen zu beginnen. Sollte irgendeine der Militärmächte die Entwicklung autonomer Waffensysteme weiter vorantreiben, sei ein globaler Rüstungswettlauf nahezu unvermeidbar und der Endpunkt dieses Entwicklungsverlaufs sei offensichtlich: Autonome Waffensysteme würden die Kalaschnikows von morgen werden. Autonome Waffen seien ideal für solche Aufgaben wie Morde, die Destabilisierung von Staaten, die Unterdrückung von Bevölkerungen und das selektive Töten einer bestimmten ethnischen Gruppe. Daher kommen die Autoren zu der Auffassung, so der Offene Brief abschließend weiter, dass ein militärischer KI-Rüstungswettlauf für die Menschheit unvorteilhaft und eine schlechte Idee sei.[5] Bislang sind vollständig autonome Waffensysteme noch keine Realität.[6] Zum besseren Verständnis des gegenwärtigen Standes folgender Hinweis: In einem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses vom Januar 2012 wurde die Global Hawk, die in puncto Autonomie als am weitesten fortgeschrittene Drohne der Welt betrachtet werde, auf einer Skala von 1 (ferngelenkt) bis 10 (vollständig autonom agierender Schwarm) bei durchschnittlich 2,5 eingeordnet.[7] Die militärisch genutzte Drohnen-Technologie kann als Vorstufe zu autonomen Waffensystemen gesehen werden. Da jedoch schon bei dieser Technologie seit Jahren ein globaler Rüstungswettlauf konstatiert werden kann, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich in naher Zukunft auch im Bereich der autonomen Waffensysteme ein weltweites Wettrüsten entwickeln wird. Denn keiner der Beteiligten staatlichen wie nicht-staatlichen Akteure scheint bedauerlicherweise bereit zu sein, auf die militärische Nutzung dieser Technologie verzichten zu wollen.


Anmerkungen

[1] Vgl. Corey Dickstein: Pentagon intends to boost daily drone flights over next 4 years, www.stripes.com, August 17, 2015.

[2] Alle Daten für diese Tabelle stammen von
www.thebureauinvestigates.com.

[3] Vgl. http://securitydata.newamerica.net/world-drones.html.

[4] Vgl. U.S. Department of State: U.S. Export Policy for Military Unmanned Aerial Systems, Washington D.C., February 17, 2015, www.state.gov.

[5] Vgl. http://futureoflife.org/AI/open_letter_autonomous_weapons.

[6] Vgl. Robin Geis: Die völkerrechtliche Dimension autonomer Waffensysteme, Friedrich Ebert Stiftung, Juni 2015, S. 1.

[7] Vgl. Jeremiah Gertler: U. S. Unmanned Aerial Systems, Congressional Research Service, January 2, 2012, S. 20.

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Quelle:
IMI-Analyse 2015/030 vom 24. August 2015
USA wollen ihre Drohnenflüge um 50 % erhöhen - Rüstungswettlauf in vollem Gange
http://www.imi-online.de/2015/08/24/usa-wollen-ihre-drohnenfluege-um-50-erhoehen-ruestungswettlauf-in-vollem-gange/
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Internet: www.imi-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2015

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