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IMI/822: Ein Beispiel für Nato-Kriegspropaganda


IMI - Informationsstelle Militarisierung e.V.
IMI-Standpunkt 2017/41 vom 13. Oktober 2017

Ein Beispiel für Nato-Kriegspropaganda
Die Studie zum Umgang mit Desinformationskampagnen gegenüber der Luftwaffe

von Christopher Schwitanski


Im Mai 2017 veröffentlichte das deutsche Luftwaffen-Kompetenzzentrum der Nato (Joint Air Power Competence Centre - JAPCC) eine umfangreiche Studie mit dem Titel Mitigating Disinformation Campaigns Against Air Power, welche sich mit der öffentlichen Wahrnehmung der Luftwaffe auseinandersetzt und Empfehlungen gibt, wie sich diese in Zukunft besser beeinflussen lässt. Unter dem gleichen Titel war von besagtem Kompetenzzentrum 2015 bereits die jährlich stattfindende Joint Air and Space Konferenz abgehalten worden, welche u. a. zur Vernetzung von Teilnehmern aus Wirtschaft, Militär und Politik dient. Die nun veröffentlichte Studie fußt auf einer von den Autoren eingerichteten Datenbank mit Medienberichten[1] aus verschiedenen Nato-Mitgliedstaaten sowie Bevölkerungsumfragen zur Akzeptanz von Militär, Luftwaffe und Auslandseinsätzen. Um nachzuvollziehen, wie die Zustimmung für diese in einzelnen Mitgliedstaaten schwankt, wurde in fünf Einzelstudien die Situation in den USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland untersucht. Weiterhin wurde der Einsatz der Luftwaffe in vergangenen Nato-Kriegen hinsichtlich seiner Akzeptanz in den Mitgliedsstaaten bewertet. Dabei wird die Zustimmung zu den einzelnen Kriegen in Abhängigkeit von den Kommunikationsaktivitäten der Nato unter dem Schlagwort "Strategische Kommunikation" bewertet.

Ausgehend von einer Auswertung der Medienberichterstattung kommen die Autoren zu der Einschätzung, dass die Berichterstattung über Kriegseinsätze der Nato-Luftwaffe zu Ungunsten der Nato verzerrt und sie außerdem immer wieder Falschinformationen von Nato-Gegnern ausgesetzt seien. Diese Gemengelage habe dazu geführt, dass in der Öffentlichkeit ein falsches Bild vorherrsche, dem zufolge der Einsatz der Luftwaffe mit einer viel zu großen Anzahl ziviler Opfer einhergehe und Drohnen als jüngste Errungenschaft der Luftwaffe grundsätzlich rechtlich und ethisch in Frage gestellt würden. Laut den Autoren der Studie ist diese Entwicklung auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Zum einen seien hierfür erfolgreich gestreute Falschinformationen von Russland und extremistischen Gruppen verantwortlich, gegen die die Nato in mehreren arabischen und nordafrikanischen Staaten kämpft sowie von Nato-feindlichen (zumeist politisch linken) Gruppen in den Mitgliedstaaten. Zum anderen trage allgemeine Uninformiertheit der Medien und der Bevölkerung der Nato-Staaten in militärischen Fragen ebenfalls zu dieser Entwicklung bei.

Im weiteren Text wird nicht näher auf den methodischen Hintergrund der Studie und der zugehörigen landesspezifischen Untersuchungen eingegangen, sondern einige zentrale inhaltliche Aspekte in den Blick genommen, um ein besseres Verständnis der Kommunikationsaktivität der Nato, welche seit einigen Jahren unter dem Begriff Strategische Kommunikation erfolgt, zu ermöglichen. Dazu wird nicht der Inhalt der gesamten Studie wiedergegeben, sondern zunächst einige wiederkehrende Themen und Deutungsmuster aufgegriffen, die aus einer militärkritischen Perspektive in besonderem Maße relevant für eine Einordnung der Nato-Kommunikation erscheinen. Daran anschließend erfolgt eine Diskussion der Nato Kommunikationsaktivität vor dem Hintergrund der im Folgenden präsentierten Ergebnisse.


Diskreditierung von Nato-Kritikern

Einen großen Stellenwert räumen die Autoren der Studie der Thematisierung von Nato-kritischen Stimmen ein, wobei sich insbesondere auf Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Medien bezogen wird. Dabei hält man sich mit der Benennung konkreter NGOs und Medien (mit wenigen Ausnahmen) zurück und bezieht sich häufig auf eine nicht näher bestimmte Menge westlicher Nichtregierungsorganisationen und Medien. Diesen wird jeweils ein anti-Nato Bias bzw. anti-amerikanischer Bias, also eine einseitige und tendenziöse Berichterstattung unterstellt: "Viele NGOs haben einen starken, gegen die Nato gerichteten Bias und tendieren dazu, jeglichen westlichen Einsatz von Gewalt oder militärische Operationen negativ darzustellen."[2] Und in Bezug auf die Medien heißt es: "Unter praktischen Bedingungen sind die Medien beides, Freund und Feind, aber sie bleiben ein Akteur, mit dem sich westliche Nationen auseinandersetzen müssen. Allerdings ist ein anti-Nato und insbesondere ein anti-amerikanischer Bias in der Medienberichterstattung üblich und kann einen Einfluss darauf haben, wie die Öffentlichkeit militärische Einsätze wahrnimmt."[3] Im letzten Zitat wird der ambivalente bis ablehnende Blick auf die Medien deutlich, welcher sich auch an anderer Stelle wiederholt zeigt. Während die Medien in der Studie wiederholt für ihre verzerrte, weil Nato-kritische Berichterstattung kritisiert werden, sind Medien im Umkehrschluss dann als "Freund" zu bewerten, wenn sie im Sinne der Nato berichten. Darüber hinaus sei auf Seiten der Medien generell eine mangelnde Expertise zu beobachten, die bis hin zur Entstehung von Falschinformationen führen könne: "Fehlinformationen können auftreten, weil die berichtende Agentur, die Medien oder NGOs ein minimales Verständnis von militärischen Einsätzen oder Bedingungen haben mögen - was häufig der Fall ist."[4]

Ein Grund für die wahrgenommene Nato-kritische Ausrichtung politischer Gruppen und Nichtregierungsorganisationen wird in ihrer Beeinflussbarkeit durch gegnerische Kommunikationsaktivität gesehen, welche beispielsweise zur Ablehnung der Atomwaffenstationierung in Deutschland durch die Friedensbewegung geführt habe: "Verstärkt durch die Welle anti-amerikanischer Propaganda und Falschinformation in den 1960er und 1970er Jahren half der sowjetische Geheimdienst einen großen Teil der europäischen Friedensbewegung zu radikalisieren und brachte sie dazu, die Nato zu diffamieren und die Stationierung von Nato-Atomwaffen in Europa abzulehnen."[5] Ähnliche Darstellungen finden sich auch in Bezug auf NGOs und politische Gruppen, deren Aktivität auf Nato-feindlichen Falschinformationen beruhe: "Ebenso wie ein Medien Bias gibt es ein ernstes Problem mit einem anti-Westlichem Bias in vielen NGOs und öffentlichen Interessensgruppen. Westliche Freiheiten erlauben die Bildung zahlreicher Gruppen, deren Überzeugungen und Medien die westlichen Werte stark ablehnen."[6] Wie im weiteren Verlauf des Textes deutlich wird, stünden diese "Gruppen" auch der Nato und dem Einsatz der westlichen Luftwaffe ablehnend gegenüber, wodurch suggeriert wird, dass eine Ablehnung der Nato mit einer Ablehnung westlicher Werte einher gehe. Im Falle der "anti-westlichen" und "anti-Nato" Gruppierungen werden beispielhaft die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) genannt, die größte berufsbezogene Friedensorganisation und Trägerin des Friedensnobelpreises. Die Ergebnisse des von den IPPNW 2014 veröffentlichten Buches Body Count, in dem eine Quantifizierung der Kriegstoten in Afghanistan, Irak und Pakistan vorgenommen wird, werden in der Studie als verzerrte "Behauptungen" abgetan.[7]

Mit der hier wiedergegebenen Argumentation wird jegliche Kritik an der Nato als illegitim diskreditiert, weil sie entweder aufgrund eines anti-Nato Bias, mangelnder Expertise oder wegen des Einflusses von Falschinformationen und Propaganda erfolge. Dem Umstand, dass sich beispielsweise für die Ablehnung der Nato und der Atomwaffenstationierung in Deutschland vernünftige Argumente finden lassen, wird dagegen kein Platz eingeräumt. So wird einer Kritik an der Nato von vornerein jede Berechtigung abgesprochen, bzw. Argumentationsmuster geboten, um diese zu diskreditieren. Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang die Beziehung der Nato zu den Medien, wobei erstere als Opfer der Medien und einer angeblichen unverhältnismäßig kritischen Medienberichterstattung stilisiert wird. Eine solche Inszenierung des Militärs als Opfer der Medien ist dabei kein neues Phänomen[8], interessant ist in diesem Zusammenhang aber die implizite Annahme, dass die Qualität von Journalismus und Medien davon abhänge, ob diese wohlwollend oder kritisch über die Nato berichten. Eng damit verbunden ist die Forderung, stärkeren Einfluss auf die Medien und die Berichterstattung zu nehmen und diese stärker für die eigene Perspektive zu vereinnahmen (siehe weiter unten im Text).


Relativierung von Kriegstoten

Einer der zentralen Kritikpunkte, mit dem die Nato-Luftwaffe sich laut den Autoren der Studie konfrontiert sieht und welcher insbesondere auch für die öffentliche Wahrnehmung relevant sei, sind die Berichte über zivile Tote. Dementsprechend wird diese "Problematik" auch innerhalb der Studie besonders gewichtet. Es wird zwar angemerkt, dass zivile Opfer im Krieg unvermeidlich sind, aber die kritische Haltung der Öffentlichkeit wird mit mangelndem Wissen und dem Einfluss gegnerischer Desinformationskampagnen erklärt, aufgrund derer die Luftwaffe "[...] regelmäßig [...] als willkürlich, enorm tödlich und verantwortlich für massiven Kollateralschaden und zivile Verluste [dargestellt wird]."[9] Die Argumentationslinien, mittels derer die öffentliche Wahrnehmung der Luftwaffe angefochten wird, sind vielseitig. Zum einen werden sämtliche Berichte über zivile Tote aus Gebieten, die nicht von der Nato oder Verbündeten kontrolliert werden (hierunter fallen große Teile sämtlicher außereuropäischer Kriegsgebiete), als feindliche Propaganda abgetan, bzw. als unglaubwürdig dargestellt, da diese nicht nachprüfbar seien: "In Pakistan, Jemen und Somalia ist der Boden in der Hand von Terroristen und radikalen Gruppen und jede Analyse der Medien stammt entweder von NGO-Zahlen [bezogen auf zivile Opfer] oder von den Terroristen selbst, was diese Zahlen bestenfalls fragwürdig macht."[10] Im Umkehrschluss wird das sogenannte "Battle Damage Assessment" (BDA), also die Erfassung der verursachten Schäden durch das Militär, als die einzig verlässliche Quelle für die Erfassung ziviler Todesopfer dargestellt. Davon abgesehen, dass von militärischer Seite als einem am jeweiligen Konflikt beteiligten Akteur keine neutrale Berichterstattung zu erwarten ist kommt hinzu, dass diese Erfassung über feindlichem Gebiet (wo sich Luftangriffe mehrheitlich ereignen) lückenhaft ist und in vielen Fällen (wie den von der CIA veranlassten Drohnenangriffen) überhaupt keine Informationen an die Öffentlichkeit gelassen werden.

Des Weiteren wird versucht den Anschein zu wahren, es handle sich beim Luftkrieg um ein zielgenaues und daher wenig problematisches Vorgehen. Dieser Logik folgend werden zwar einzelne bekannte Fälle von Bombenabwürfen thematisiert, bei denen erwiesenermaßen zahlreiche Zivilisten starben, diese werden aber dadurch relativiert, dass sie als Ausnahmen aufgrund von Fehlern bei der Zielauswahl dargestellt werden. Hierzu im Widerspruch stehende Angaben werden (wie das Beispiel des Buches Body Count zeigt) dagegen als unseriös und falsch abgetan. Gerade bei der Frage nach zivilen Toten wird ein besonderes Spannungsverhältnis zur Arbeit verschiedener NGOs gesehen, welche in der Regel deutlich höhere Zahlen präsentieren als die Nato selbst. Beispielhaft zeigt sich dies in einer Rückschau auf den Jugoslawienkrieg, im Rahmen dessen die Kommunikation der Nato seitens der Autoren als wenig erfolgreich bewertet wird: "Während die Nato nur 20-30 Fälle mit zivilen Verlusten eingestand, verließen sich die Medien auf die NGO-Schätzungen von 90 Fällen mit zivilen Verlusten mit annähernd 500 zivilen Toten - Zahlen, die von den westlichen Medien generell als glaubwürdiger akzeptiert wurden als die Schätzungen der Nato. Während und nach dem Einsatz vertrauten die westlichen Medien stärker den NGOs und ihren Informationen als der Nato, womit sich ein zukünftiges Problem für die Glaubwürdigkeit der Nato in den Medien darbot."[11] In dem Zitat wird ein weiterer Aspekt der Thematisierung von Kriegstoten aus einer rein kommunikativen Perspektive deutlich. Anstatt sich mit dem Wahnsinn des Krieges, der sich nicht zuletzt in dessen zivilen Opfern widerspiegelt, auseinanderzusetzen, wird deren Quantifizierung zu bloßen Akten mehr oder weniger erfolgreicher Kommunikationskampagnen heruntergespielt. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch die Sozialwissenschaftlerin Caroline Holmqvist in einer Analyse der Strategischen Kommunikation der USA in Afghanistan: "Das ist die düstere Logik, welche es erlaubt Fälle von Fehlverhalten und Übergriffe verübt durch die US-Truppen als Senden der 'falschen' Botschaft zu präsentieren."[12] Und diese so zu verharmlosen.


Zurückweisen der Kritik an Drohnen und völkerrechtlich geächteten Kriegswaffen

Eng verknüpft mit der Ablehnung der Luftwaffe in der Öffentlichkeit im Allgemeinen ist laut der Studie die Ablehnung von Drohnen und "gezielten Tötungen" im Besonderen. Diese wird ebenfalls durch ein mangelndes Wissen auf Seiten der Medien und der Öffentlichkeit erklärt und sei laut Bevölkerungsumfragen in Europa besonders hoch. Wobei auch in Bezug auf dieses Thema den Medien eine verzerrte Berichterstattung unterstellt wird, was sich beispielsweise in Deutschland zeige: "Die Berichterstattung über RPA [remotely piloted aircraft] in den führenden deutschen Zeitungen ist oft emotional gewesen und zeigt starke anti-amerikanische Vorurteile [als Beispiel hierfür werden Artikel aus der Zeit und dem Spiegel genannt]."[13] Am Beispiel der Ablehnung von Drohnen durch Nichtregierungsorganisationen und politische Gruppen wird ein weiterer Argumentationsstrang entwickelt, mit dem versucht wird die Ablehnung von Drohneneinsätzen auf rechtlicher Ebene zu delegitimieren. Gruppen, die rechtliche Einwände gegen Drohnen erheben, wird - zusammengefasst unter dem Schlagwort Lawfare-Bewegung[14] - unterstellt, dass der Rechtsweg bloß instrumentalisiert und ausgenutzt werde, um der Nato zu schaden: "Dieser Ansatz nutzt ein zentrales Element der Demokratie aus, die Achtung des Gesetzes."[15] Ähnlich wie in den obigen Beispielen wird auch hier der Umstand ignoriert, dass es berechtigte rechtliche Vorbehalte gegen den Einsatz von Drohnen und den hiermit verbundenen Tötungen gibt. Statt sich damit auseinanderzusetzen wird auch hier suggeriert, dass die Ablehnung von Drohnenangriffen bloß aus einer Nato-feindlichen Haltung oder fehlendem Fachwissen heraus erfolge. Dieser Logik folgend werden auch Bemühungen kritisiert, weitere Kriegswaffen zu verbieten. Bezüglich der Ächtung von Streubomben heißt es beispielsweise: "Eine extrem nützliche Waffe für den konventionellen Krieg kann von den meisten Nato-Luftwaffen nicht länger legal genutzt werden."[16] Die Kritik am völkerrechtlichen Vertrag zum Verbot von Streubomben als eine bloße Einschränkung der militärischen Möglichkeiten der Nato ignoriert dabei das eigentlich dahinter stehende Anliegen: das Leid der Zivilbevölkerung aufgrund von mangelnder Zielgenauigkeit, einer Vielzahl an Blindgängern und grausamen Verletzungen zu verringern.[17]


Zusammenfassung und Ausblick

Zu Beginn dieser Schlussbetrachtung muss angemerkt werden, dass sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, wie groß das Gewicht der hier thematisierten Studie für die weitere Entwicklung der Kommunikationskapazität innerhalb der Nato ist. Vor dem Hintergrund, dass dem Kampf um den Informationsraum innerhalb des Militärs in den letzten Jahren eine zunehmende Bedeutung zugeschrieben wird und die Studie von einer für die Weiterentwicklung der Nato-Luftstreitkräfte zentralen Einrichtung publiziert wurde, spricht einiges dafür, dass es sich hierbei nicht bloß um eine Randerscheinung handelt, sondern deren Inhalte sowie die geforderten Maßnahmen dementsprechend ernst zu nehmen sind. Es besteht daher auch die Möglichkeit, dass sich die wiedergegebenen Argumentationsmuster in der Auseinandersetzung der Nato mit öffentlicher Kritik wiederfinden lassen.

Die diskutierten Beispiele verbindet im Kern, dass sie verdeutlichen wie Kriegspropaganda auf Seiten der Nato betrieben wird, mit dem Ziel die Deutungshoheit über die eigene militärische Aktivität zu gewinnen, beziehungsweise aufrecht zu erhalten. Die hier dargestellten Argumentationsmuster dienen letztlich der Verharmlosung militärischer Gewalt (in diesem Fall schwerpunktmäßig durch die Luftwaffe) und damit sowohl der Legitimation laufender als auch zukünftiger Kriege. Gerade das Bemühen um Deutungshoheit spiegelt sich darin, dass Quellen, Informationen und Argumente, die der eigenen Position widersprechen pauschal diskreditiert und als verzerrt, schlecht informiert und durch gegnerische Propaganda oder Falschinformationen beeinflusst abgetan werden. Anstatt sich also argumentativ mit kritischen Positionen auseinanderzusetzen wird versucht diese abzuwehren, um das eigene Narrativ aufrechtzuerhalten. Es ist auch wenig verwunderlich, dass Beispiele westlicher Kriegspropagandalügen in der Studie keinen Platz finden, wobei die sogenannte Brutkastenlüge im zweiten Golfkrieg ebenso wie die angeblichen Massenvernichtungswaffen als Legitimation für den Irak-Krieg nur zwei der prominentesten Beispiele wären.

Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden noch ein Blick auf einige Empfehlungen geworfen, bezüglich der weiteren Entwicklung der Nato-Propagandaaktivität unter dem Schlagwort strategische Kommunikation, mit denen die Studie abschließt. Eine zentrale Schlussfolgerung besteht darin, dass das Vertrauen der Zivilbevölkerung in den Nato-Mitgliedstaaten in den Einsatz der Luftwaffe wesentlich mit dem generellen Vertrauen in das nationale Militär und die Nato zusammenhänge. Dementsprechend wird empfohlen die zivil-militärischen Beziehungen zu intensivieren. Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen die personelle Kapazität im Bereich von Public Relations und Public Diplomacy auszubauen und sich im Zuge dessen um engere Beziehungen (und damit implizit auch Einfluss) zu Journalisten und Parlamentariern zu bemühen. In Bezug auf Journalisten heißt es beispielsweise: "Ein effektiver erster Schritt, um die Öffentlichkeit zu unterrichten, wäre es, Mitglieder der Medien zu unterrichten, welche dann in der Lage sind, dieses Wissen durch präzise Berichterstattung an die Öffentlichkeit weiter zu geben."[18] Dass auf Seiten der Nato sehr klare Vorstellungen davon herrschen dürften, was "präzise Berichterstattung" umfasst und was nicht, dürfte an dieser Stelle ebenso klar sein wie die Frage worüber die Öffentlichkeit "unterrichtet" werden sollte und worüber nicht. Ein weiterer Vorschlag betrifft die Einrichtung eines eigenen Medienteams mit enger Verbindung zu den öffentlichen Medien, sowie eigener Strukturen für die Selbstdarstellung gegenüber dem Ausland, vergleichbar mit der United States Information Agency (USIA), welche während des kalten Krieges maßgeblich für die amerikanische Auslandspropaganda zuständig war.

Abschließend wird noch betont, die Hauptbotschaft, welche die Nato in ihrer Kommunikationsaktivität in den Vordergrund stellen müsse, sei folgende: "Die Nato bekämpft wirklich böse Menschen, die die Menschenrechte verletzen." Die Reduzierung der Nato-Kriegspolitik auf derart simple Narrative erscheint geradezu symptomatisch für die Nato-Kriegspropaganda. Hält man sich die Berichterstattung in weiten Teilen der Medien im Zuge der vergangenen Nato-Kriege vor Augen, so wird nicht nur die Absurdität der Einschätzung, dass die Medien unverhältnismäßig kritisch über die Nato berichteten deutlich. Es zeigt sich auch, dass derart simple und undifferenzierte Freund-Feind Narrative erfolgreich zur Kriegslegitimation an die Öffentlichkeit herangetragen werden. Sämtliche Bemühungen seitens der Nato, den Einfluss auf Medien und öffentliche Meinung weiter zu verstärken gilt es daher entschieden abzulehnen.[19] Denn eine Informationspolitik, welche den eigenen militärischen Zielen untergeordnet ist, dient nicht dem objektiven Informieren der Öffentlichkeit, sondern der eigenen Kriegspolitik.


Anmerkungen

[1] Diese ist nicht einsehbar, wodurch die Nachvollziehbarkeit der hierauf aufbauenden Ergebnisse nicht gewährleistet ist.

[2] James Sterling Corum, Matthieu Chillaud, Conrad C. Crane, Eugenio Cusumano, Philipp Fraund und Mark Hilborne. 2017. Mitigating Disinformation Campaigns against Airpower. The Joint Air Power Competence Centre. (S. 29). Sämtliche Übersetzungen der englischsprachigen Originaltexte wurden vom Autor vorgenommen.

[3] Ebd. (S. 40)

[4] Ebd. (S. 28)

[5] Ebd. (S. 26)

[6] Ebd. (S. 42)

[7] Ebd. (S. 42)

[8] Vgl. Elter. 2005. Die Kriegsverkäufer: Geschichte der US-Propaganda, 1917-2005. Suhrkamp. (S. 170)

[9] Corum et al. 2017. Mitigating Disinformation Campaigns against Airpower. The Joint Air Power Competence Centre. (S. 8)

[10] Ebd. (S. 18)

[11] Ebd. (S. 16)

[12] Holmqvist. 2013. War, 'strategic communication' and the violence of non-recognition. Cambridge Review of International Affairs 26(4), 631-650. (S. 645)

[13] Corum et al. 2017. Mitigating Disinformation Campaigns against Airpower. The Joint Air Power Competence Centre. (S. 162)

[14] Der Begriff setzt sich aus den Wörtern law (Gesetz) und warfare (Kriegführung) zusammen, womit suggeriert werden soll, dass die Nato hier auf rechtlichem Weg bekämpft werde.

[15] Corum et al. 2017. Mitigating Disinformation Campaigns against Airpower. The Joint Air Power Competence Centre. (S. 44)

[16] Ebd. (S. 45)

[17] Vgl. International Committee of the Red Cross. 2017. The convention on cluster munitions - a treaty to end decades of civilian suffering. (S. 3 ff.)

[18] Corum et al. 2017. Mitigating Disinformation Campaigns against Airpower. The Joint Air Power Competence Centre. (S. 181)

[19] Für eine beispielhafte Analyse der Vereinnahmung von Medien durch das Militär vgl. Bussemer. 2003. Medien als Kriegswaffe - Eine Analyse der der amerikanischen Militärpropaganda im Irakkrieg. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 49-50/2003). (S. 20-28)
http://www.bpb.de/apuz/27247/medien-als-kriegswaffe?p=all#footnodeid_36-36

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Quelle:
IMI-Standpunkt 2017/41 vom 13. Oktober 2017
Ein Beispiel für Nato-Kriegspropaganda
Die Studie zum Umgang mit Desinformationskampagnen gegenüber der Luftwaffe
www.imi-online.de/2017/10/13/ein-beispiel-fuer-nato-kriegspropaganda/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2017

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