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IZ3W/370: Hefteditorial von Ausgabe 358 - Unsere Trump Card


iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe 358 - Januar/Februar 2017

Hefteditorial
Unsere Trump Card


Es gibt Jahre, in denen vieles gut läuft, und andere, die uns noch lange als schlecht in Erinnerung bleiben werden. So wie das Jahr 2016, das mit dem globalen Aufstieg des Rechtspopulismus verbunden ist. Die Wahl des Grusel-Clowns Donald Trump zum Präsidenten der Weltmacht USA war dabei nur der Höhepunkt einer Entwicklung, die sich schon durchs ganze Jahr gezogen hatte. In Deutschland etablierte sich die AfD gleich bei mehreren Wahlen als politische Kraft, an der keine Talkshow mehr glaubt vorbeikommen zu können. Die Briten verwechselten mehrheitlich EU-Kritik mit dumpfem Nationalismus, und in Kolumbien stimmte die von einem rechten Krieger aufgehetzte Bevölkerung gegen den Friedensvertrag. Das erschütternd gute Abschneiden des Rechtspopulisten Norbert Hofer bei den österreichischen Präsidentschaftswahlen war dann kurz vor Jahresende der nächste Tiefschlag.

Wo soll das noch hinführen? Sind wir auf dem Weg in eine Epoche der Restauration? Rassistisch motivierte Übergriffe sind jedenfalls schon jetzt das Ergebnis der rechtspopulistischen Hetzerei. Doch es droht auch die Gefahr einer Weltwirtschaftskrise, in die ein sich hochschaukelnder wirtschaftspolitischer Standortnationalismus mit Sicherheit mündet.

Als wir im Herbst guten Mutes die Themenschwerpunkte des iz3w-Jahrgangs 2017 ausheckten, war klar, dass wir am Thema Rechtspopulismus nicht vorbeikommen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt kaum eine/r die Wahl von Trump für wahrscheinlich hielt. Umso notwendiger wird nun der Schwerpunkt sein, den wir in der kommenden Ausgabe präsentieren. Die sich derzeit in vielen Ländern des Globus vollziehende autoritäre Wende wird hintergründig und international vergleichend analysiert werden. Gegenstand von Kritik wird aber auch der nicht durchgängig überzeugende Kampfbegriff »Rechtspopulismus« selbst sein.

Im Frühjahr widmen wir uns einem schöneren Thema, den »Freien Radios«. Anlass dazu bietet der 40. Geburtstag des in Freiburg ansässigen Radio Dreyeckland, mit dem wir unter anderem über unsere iz3w-Sendereihe südnordfunk assoziiert sind. Der Hörfunk ist flüchtiger als Zweimonatszeitschriften, aber er bietet großartige andere Möglichkeiten. In vielen Ländern des globalen Südens ist das Radio eine »Stimme der Unterdrückten«, und im digitalen Zeitalter können sich auch Bewegungen ohne viel Geld die notwendigen Produktionsmittel aneignen.

Weit weg geht es im Sommer mit dem Themenschwerpunkt »Tourismus«. Dieser grenzüberschreitende Wirtschaftssektor beschäftigt über 100 Millionen DienstleisterInnen und macht über eine Billion US-Dollar Jahresumsatz. Laut der Welttourismusorganisation waren im letzten Jahr über eine Milliarde Reisende unterwegs. Wie sieht die kulturelle, ökologische, ökonomische und nord-süd-politische Bilanz dieser gigantischen Mobilitätsmaschine aus?

Den darauf folgenden Themenschwerpunkt »Alter« haben wir schon seit rund 15 Jahren vor. Mussten wir selbst erst in die Jahre kommen, um ihn endlich zu realisieren? Dabei gibt es so viele triftige Gründe, sich mit dem Altern zu befassen. Überall auf der Welt werden die Menschen älter und sie sind längere Zeit gesund. Mit alternden Gesellschaften gehen neue Erfordernisse einher, wie etwa Altenpflege und Altersvorsorge, wie wird damit in verschiedenen Gesellschaften umgegangen? Ein genauerer Blick in die Statistik widerlegt übrigens jede Rede von der »Einen Welt«. In Burundi, Angola und etlichen anderen afrikanischen Ländern liegt die Lebenserwartung um oder unter 50 Jahre, in Deutschland hingegen bei 80 Jahren.

»Sexualisierte Gewalt« ist das finsterste Thema im neuen Jahr. Wie beim vergangenen Themenheft »Folter« wollen wir die Augen nicht vor der niederschmetternden Realität verschließen. Von sexuellen Übergriffen in der Familie bis hin zu organisierten Vergewaltigungen in Bürgerkriegen sind vor allem Frauen von dieser verheerenden Vermischung aus Patriarchat und Gewalt betroffen.

Das letzte Thema weist schon ins übernächste Jahr, es lautet »1968 international«. Im fünfzigsten Jahr der globalen 68er-Bewegung untersuchen wir eine Soziale Bewegung, an deren Errungenschaften sich die RechtspopulistInnen derzeit die Zähne ausbeißen. Die 68erInnen haben Pflöcke eingeschlagen, über deren Existenz sich Neo-Reaktionäre mächtig aufregen: zum Beispiel der Autoritätsverlust hierarchischer Modelle, Diversitäten und Geschlechteremanzipation. Diese Errungenschaften trotzen sogar feindlichen Regierungsübernahmen. Übrigens ist auch das iz3w ein 68er-Jahrgang, 2018 wird also ordentlich gefeiert.

Soweit der Blick ins neue Jahr. Anregungen zu den genannten und anderen Themen sind uns herzlich willkommen. Es spricht nicht alles dafür, aber wir hoffen, mit unserer geneigten LeserInnenschaft durch ein Jahr 2017 zu gehen, das mehr Aufs als Abs bietet. Unsere trump card dabei bleibt die Kritik des herrschenden Wahns.


die redaktion

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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 358 - Januar/Februar 2017

Dschihadismus
ihr habt den Tod, wir haben das Leben

In den vergangenen drei Jahren vollzogen sich dramatische Entwicklungen des Dschihadismus. Der selbst ernannte Islamische Staat errichtete ein Kalifat und setzte dort rigide salafistische Verhaltensvorschriften durch. Gleichzeitig kämpfen auch in zahlreichen weiteren Ländern dschihadistische Bewegungen erfolgreich um die Macht.

Dschihadismus als extreme Form von Gesellschaftsveränderung ist inzwischen für erschreckend viele junge Menschen attraktiv - nicht nur im Irak und in Syrien, sondern längst auch in Europa und Asien.

In unserem Themenschwerpunkt fragen wir: Wie entstanden die modernen Formen des Dschihadismus? Was fasziniert so viele Menschen daran? Welche Formen der Propaganda setzen die Ideologen des globalen Dschihads ein? Wie wurde der Selbstmordanschlag zu seinem Markenzeichen? Und welche Rolle spielen Frauen im Islamischen Staat?


INHALTSÜBERSICHT

Themenschwerpunkt: Dschihadismus

Editorial zum Themenschwerpunkt

Kalif oder Ayatollah
Der Kampf der Dschihadisten um die Vorherrschaft
von Jörn Schulz

Role Models für den Dschihad - Langfassung
Wie Selbstmordanschläge zum Markenzeichen des Islamismus wurden
von Christian Stock

»Herrschaft mit Gewalt aufzwingen«
Interview mit dem Dschihadismus-Experten Jawad Al-Tamimi über den IS und seine Strategien

Die Apokalypse als Erlösung
Endzeitvorstellungen in der englischsprachigen IS-Propaganda
von Christoph Panzer

Die Gewaltunternehmer
Wie finanziert sich die somalische Islamisten-Miliz al-Shabaab?
von Jutta Bakonyi und Raphaela Kormoll

Gotteskrieger werden wollen
Indonesien hat ein wachsendes Problem mit jungen Islamisten
von Edith Koesoemawiria

Liebe zur Gewalt
Die Rolle von Frauen im Islamischen Staat
von Hannah Wettig


POLITIK UND ÖKONOMIE

Hefteditorial: Unsere Trump Card

Kapitalismus I: Die Wirtschafts-NATO
Freihandelsabkommen sind ein neoimperiales Machtmittel
von Thomas Konicz

Kapitalismus II: Wenn Konzerne klagen können - Langfassung
Internationale Wirtschaftsabkommen schränken demokratische Rechte ein
von Michael Reckordt

Indien: Kuhschutz vor Menschenrechten
Der hindunationalistische Kult um die Kuh endet in Gewalt
von Hanns Wienold

Energiepolitik: Autozentrierte Fehlentwicklung
Namibias Regierung setzt auf fragwürdige fossile Energieprojekte
von Sören Scholvin

Äthiopien: Festhalten am Kurs
Trotz Repression bekommt Äthiopien Entwicklungshilfegelder
von Tina Goethe

Thailand: Wenn Generäle regieren
Die Demokratie wurde per Referendum abgeschafft
von Frank Arenz


KULTUR UND DEBATTE

Postkolonialismus: Gut vorbereitet
Die Wiener Kolonialpolizei bildete für künftige Kolonien aus
von Andreas Brocza und Stefan Brocza

Rezensionen

Fatima El-Tayeb: Undeutsch.

Erwin Schweitzer: The Making of Griqua, Inc.

Thomas Konicz: Kapitalkollaps.

Patrick Helber: Dancehall und Homophobie.

Ingo Schneider und Martin Sexl: Das Unbehagen an der Kultur.

David Kunzle: Chesucristo.

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Quelle:
iz3w Nr. 358 - Januar/Februar 2017
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2017

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