Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → FAKTEN

INTERNATIONAL/100: Thailand - Radio als Fenster zur Welt, Migranten helfen Migranten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Mai 2013

Thailand:
Radio als Fenster zur Welt - Migranten helfen Migranten

Von Simba Shani Kamaria Russeau


Bild: © Simba Shani Kamaria Russeau/IPS

Radiosender leisten Migranten aus Myanmar Hilfe
Bild: © Simba Shani Kamaria Russeau/IPS

Chiang Mai, Thailand, 7. Mai (IPS) - Im Alter von 23 verschlug es Gao nach Thailand. Er wollte den heftigen Kämpfen im Shan State im Osten seines Heimatlandes Myanmar (Burma) und der drohenden Rekrutierung als Shan-Soldat entgehen. Heute arbeitet er für einen Lokalsender, der seinen Landsleuten hilft, in Thailand Fuß zu fassen.

"Als ich nach Bangkok kam, arbeitete ich zunächst mit anderen in einer Bekleidungsfabrik. Wir hatten nicht genug zu essen. Ich lebte von einer Handvoll Reis und einem halben Paket Nudeln", erinnert sich Gao. Als er krank wurde, konnte er sich keinen Arzt leisten. Erst die finanzielle Hilfe eines Arbeitskollegen ermöglichte es Gao, einen Bus zu besteigen, um sich in der nordthailändischen Stadt Chiang Mai auf Vermittlung durch einen Shan-Tempel kostenlos medizinisch behandeln zu lassen.

Gao ist besser dran als manch anderer seiner Landsleute. Denn die meisten burmesischen Migranten leben aufgrund sprachlicher und ethnischer Barrieren in tiefer Isolation und Einsamkeit. Sie haben keinen Zugang zu den Mitteln oder Informationen, die ihnen helfen würden, ihre grundlegenden Rechte wie Gesundheitsversorgung, Mindestlöhne oder angemessene Nahrungsmittel einzufordern.

Um die Informationslücken zu schließen hat eine lokale Organisation, bekannt als 'Migrant Assistance Programme' (MAP), einen Lokalsender in Chiang Mai und einen in Mae Sot, einer Stadt an der thailändisch-burmesischen Grenze, gestartet. Die Radiostationen haben sich zu wahren Türöffnern für die abgeriegelte Gemeinschaft entwickelt.


Sprach- und ethnische Barrieren

"Die meisten Arbeitsmigranten in Thailand, und vor allem diejenigen aus Myanmar, gehören unterschiedlichen Ethnien wie den Kayin, Kayah, Shan, Mon, Rawang, Bama und Tavoyan an, die zudem noch unterschiedliche Sprachen sprechen. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die vielen Menschen, die nach Thailand zum Arbeiten kommen, aus ihrer Isolation zu befreien", so die MAP-Leiterin Jackie Pollock.

Gesendet wird in vier Sprachen: in Shan, Burmesisch, Thailändisch und nordthailändisch. Zuhörer können ihre Musikwünsche äußern, sich über die Arbeit von MAP informieren oder darüber, wie sie die gängigen Einwanderungsgesetze und -auflagen zu ihrem Vorteil nutzen können. Die meisten Burmesen arbeiten meist in Jobs, die gefährlich, schmutzig und kräftezehrend sind. So sind sie auf Baustellen, in der Landwirtschaft, in Privathaushalten, der Fischereiindustrie und den Textilfabriken des Landes anzutreffen.

Mae Sot, wo sich eine der beiden Radiostationen befindet, beherbergt ein riesiges Industriegebiet mit Textil- und Möbelfabriken längs der thailändisch-burmesischen Grenze. Frauen stellen den größten Teil der Beschäftigten dieser Stadt, die für ihre miserablen Arbeitsbedingungen und schlechten Löhne berüchtigt ist. Ihre Arbeitgeber unterbieten meist noch den kargen Mindestlohn von derzeit zehn US-Dollar pro Tag.

Die Radiostation ist für die vielen Arbeitsmigranten die Rettungsleine. "Im letzten Jahr haben wir drei Trainingsprogramme für Migranten durchgeführt, die Interesse an der Arbeit von DJs, Radiosprechern oder Journalisten haben", berichtet der Rundfunkmoderator Lan Moon, der wie Gao aus dem Shan State in Myanmar stammt.

Bei seiner Ankunft in Thailand vor 25 Jahren war Lan Moon sechs Jahre alt gewesen. Er war mit seiner Tante und seiner Großmutter vor den Kämpfen zwischen der Shan-Armee und der burmesischen Regierungstruppen geflohen. Wie er betont, sind die Radiosender für die Arbeitsmigranten seines Landes auch eine Art Kontaktbörse.

Pollock zufolge hat sich die Gemeinschaft aus Radiohörern jedoch nicht über Nacht aufgebaut. MAP war Jahre lang damit beschäftigt, die in den entlegenen Gebieten lebenden Migranten zu besuchen und sie über Gesundheitsversorgung, Kinderpflege und die sie betreffenden Arbeitsrechte zu informieren.


Frauenbegegnungsstätten

Inzwischen ist der Organisation gelungen, neben den beiden Rundfunksendern 19 Begegnungsstätten für Frauen längs der thailändisch-burmesischen Grenze aufzuziehen. "Sie organisieren sich selbst und laden manchmal Gäste für Diskussionsrunden ein", erläutert Pollock.

Derzeit leben etwa 2,5 Millionen Arbeitsmigranten in Thailand. Die größte Mehrheit bilden die Burmesen, die in ihrem Heimatland einer Reihe von Übergriffen wie der Konfiszierung ihres Landes und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt oder jeder wirtschaftlichen Perspektive beraubt waren.

Obwohl Artikel 2.2 des von Thailand unterzeichneten Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR) festlegt, dass Einheimische und Migranten gleich behandelt werden müssen, sind die Arbeits- und Lebensbedingungen für die Mehrheit aller Migranten weitaus schlechter als die der Thailänder.

Gemeldete Migranten haben Anspruch auf eine staatliche Gesundheitsversicherung und kostenlose Medikamente. Doch die Sprachbarrieren der meisten Zuwanderer und die ständige Gefahr, diskriminiert und deportiert zu werden, hindern die Betroffenen daran, ihre grundlegenden Rechte in Anspruch zu nehmen.

Gao hat durch MAP nicht nur einen Job, wichtige Informationen und Freunde gefunden. Wie er betont, hat er nun die Chance, anderen Landsleuten zu helfen. "Es ist schon sehr wichtig, dass Migranten über ihr Recht auf Gesundheit Bescheid wissen", sagt er. "Denn keine gute Gesundheit heißt kein gutes Leben." (Ende/IPS/kb/ 2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/05/migrants-tune-in-to-community-support/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. Mai 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2013