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GENETIK/418: Forschung - Ursachen geistiger Entwicklungsverzögerungen (idw)


Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden - 09.11.2012

Ursachen geistiger Entwicklungsverzögerungen

Dresdner Ärzte publizieren in renommierten Journalen



Geistige Entwicklungsverzögerung ist keine Diagnose, sondern ein Symptom. Für Patienten und ihre Familien bedeutet das oft eine nervenaufreibende, diagnostische Odyssee. Auch wenn es kaum Therapieoptionen gibt, entlastet bereits die Diagnose viele Familien. Sie ermöglicht eine gezielte Vorsorge und bietet Ansätze für Orientierungshilfen. Ärzte und Wissenschaftler des Instituts für Klinische Genetik an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus Dresden veröffentlichten jetzt Erkenntnisse aus eigenen Projekten sowie nationalen und internationalen Kooperationen in den renommierten Fachblättern "The Lancet", Nature, European Journal of Human Genetics und American Journal of Medical Genetics.

Es wird erwartet, dass Veränderungen in weit mehr als 1.000 Genen mit für das Auftreten von geistiger Entwicklungsverzögerung verantwortlich sind. Die Mitarbeiter des Instituts für Klinische Genetik der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden unter Leitung von Direktorin Prof. Dr. med. Evelin Schröck haben sich auf die Betreuung von Patienten und Familien mit Entwicklungsstörungen spezialisiert. Die Einführung der hochauflösenden Untersuchung des Erbguts - die sogenannte Molekulare Karyotypisierung - hat die diagnostische Situation bei klinisch nicht erkennbaren Syndromen erheblich verbessert. Neben der Diagnose bereits bekannter Syndrome können so auch neue Kandidatengene identifiziert werden. Beispielsweise spricht vieles dafür, dass Veränderungen am GRIA2-Gen für geistige Entwicklungsstörung mit verantwortlich sind, wie von Dr. Karl Hackmann im European Journal of Human Genetics veröffentlicht. Seine Untersuchungen trugen in einer internationalen Kooperation auch wesentlich zur Identifizierung des PIGL-Gens bei, dessen Veränderung als Ursache für das CHIME-Syndrom erkannt wurde. Das CHIME-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung mit Veränderungen an der Haut, den Augen und dem Herzen, das auch zu Schwerhörigkeit, Krampfanfällen und geistiger Entwicklungsverzögerung führt. Veröffentlicht wurde diese Arbeit im American Journal of Human Genetics.

Die Teilnahme der Dresdner Forscher am vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten bundesweiten MRNET-Verbund, der die genetischen Ursachen der Entwicklungsverzögerung erforscht, legte wichtige Grundsteine für ihre Arbeit. Kürzlich wurden in diesem Rahmen mehr als 50 gut charakterisierte Familien durch das neue Analyseverfahren des "Next Generation Sequencing" untersucht, mit dem bis zu 30.000 Gene in kurzer Zeit und kostengünstig sequenziert werden können. Die Ergebnisse führten zu einer Publikation im renommierten Fachblatt "The Lancet" (PMID: 23020937) mit Dr. Andreas Rump, Dr. Nataliya Di Donato und Prof. Dr. Evelin Schröck als Koautoren. In einer weiteren internationalen Kooperation wurden ursächliche Veränderungen in einem Gen gefunden, die das Cornelia-de-Lange-Syndrom auslösen (Frau Dr. Nataliya Di Donato, Koautorenschaft in Nature, PMID: 22885700). Merkmale des Cornelia-de-Lange-Syndroms sind beispielsweise Minderwuchs, ein kleiner Kopf, vermehrte Körperbehaarung, Anomalien und Fehlbildungen der Gliedmaßen; eine Gaumenspalte und der Rückfluss des Mageninhalts in die Speiseröhre. Der Ausprägungsgrad der verschiedenen Symptome ist äußerst variabel und individuell unterschiedlich.

Zudem konnte Frau Dr. Di Donato ein neues Syndrom klinisch definieren, wie es im American Journal of Medical Genetics nachzulesen ist.

Für das nächste Jahr ist die Einführung der neuen Technologie des "Next Generation Sequencing" in die medizinische Diagnostik geplant, um für weit mehr Familien als bisher eine konkrete Diagnose stellen zu können. Parallel durchgeführte Forschungsarbeiten sollen bei der Identifizierung und funktionellen Analyse von Genen zur Aufklärung weiterer Syndrome beitragen. "Unsere Hoffnung und Triebfeder ist, dass unsere Forschungsarbeiten neben ihrer diagnostischen Relevanz eines Tages zu Therapieentwicklungen beitragen werden", lautet die Motivation des Dresdner Teams.


Kontakt
Technische Universität Dresden
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
Institut für Klinische Genetik
Prof. Dr. med. Evelin Schröck
E-Mail: klinische.genetik@uniklinikum-dresden.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1564

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Holger Ostermeyer, 09.11.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2012