Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FACHMEDIZIN

GENETIK/462: Forschung - Entwicklung eines Gentests für die Pankreatitis und das Pankreaskarzinom (idw)


Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald - 13.12.2013

Bauchspeicheldrüsenkrebs - Das Risiko schon vor Ausbruch der Krankheit erkennen

Greifswalder und Rostocker Wissenschaftler wollen den ersten Gentest für die Pankreatitis und das Pankreaskarzinom entwickeln



Noch ist es bei sporadischem Bauchspeicheldrüsenkrebs nicht möglich, das genetische Risiko abzuschätzen, daran zu erkranken. Bei Brustkrebs ist das längst üblich und seit der vorsorglichen Brustamputation der US-amerikanischen Schauspielerin Angelina Jolie weltweit bekannt.

Mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums MV und der EU arbeiten jetzt Greifswalder und Rostocker Wissenschaftler unter Hochdruck daran, einen ersten genetischen Risikotest für die Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) und den seltenen, aber sehr gefährlichen Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) zu entwickeln, informierte heute der Direktor der Inneren Medizin A an der Universitätsmedizin, Prof. Markus M. Lerch.

Partner bei dem Forschungsvorhaben sind das Albrecht-Kossel-Institut der Universitätsmedizin Rostock (Prof. Arndt Rolfs) sowie die auf Gen-Diagnostik spezialisierte Biotechnologiefirma Centogene AG in Rostock. Das Gesamtprojektvolumen beläuft sich auf 2,2 Millionen Euro. Davon erhalten die Universitätsmedizin Greifswald 600.000 Euro und die Universitätsmedizin Rostock 465.000 Euro. Es handelt sich um ein EU-Verbundforschungsprojekt des Landes, das aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert wird. Im Rahmen des Forschungsvorhabens mit einer Laufzeit bis Ende 2014 sollen Biomarker für die akute und chronische Pankreatitis sowie das Pankreaskarzinom identifiziert und dafür entsprechende diagnostische Tests für Patienten entwickelt werden.

Schwierige Diagnostik, unklare Ursachen

Die Bauchspeicheldrüsenentzündung und der Bauchspeicheldrüsenkrebs werden oftmals erst spät oder zu spät festgestellt. Die schwierige Diagnostik zieht sich bei unklaren Beschwerden meistens über Jahre hin. An einer Pankreatitis erkranken jedes Jahr in Deutschland etwa 64 von 100.000 Einwohnern, etwa 50.000 bis 60.000 Patienten. Bei manchen Patienten entwickelt sich aus der chronischen Entzündung eine Tumorerkrankung. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 15 von 100.000 Menschen, das sind etwa 12.000 Patienten an dieser Krebsart mit einer immer noch sehr hohen Sterberate. Unter der schmerzhaften Pankreatitis und auch am Krebs leiden mehr Männer als Frauen. Alkoholmissbrauch und das Rauchen sind die größten Risikofaktoren für die Pankreatitis. "Dennoch kommt es häufig vor, dass vollkommen gesund lebende Menschen an der Bauchspeicheldrüse erkranken. Somit spielen offensichtlich auch nicht beeinflussbare genetische Faktoren als Auslöser eine Rolle", sagte Dr. Ulrich Weiss, einer der Projektleiter aus Greifswald. "Es ist unsere Aufgabe, diese genetisch bedingten Ursachen herauszufinden. Basis dafür sind ca. 1.000 Patienten der Unimedizin Greifswald, die in den letzten Jahren an einer Bauchspeicheldrüsenerkrankung behandelt wurden" erklärte Prof. Markus M. Lerch.

Genetische Auslöser sichtbar machen

Das komplexe Zusammenspiel verschiedener Risiken im Erbmaterial zu untersuchen, erforderte bisher einen beträchtlichen und kostenintensiven Untersuchungsaufwand. Mittels der neuen Analysentechnologien, des sogenannten "Next Generation Sequencing", können jetzt in einem vertretbaren Zeit- und Kostenrahmen parallel hunderte von Genen oder ganze Genome untersucht und bisher unbekannte Genmutationen identifiziert werden. "Die Rostocker Firma Centogene, ein international tätiges und auf die genetische und biochemische Analyse seltener Erkrankungen spezialisiertes Unternehmen, sowie das Albrecht-Kossel-Institut in Rostock sind Kooperationspartner im Verbundprojekt, die die Next Generation Sequencing-Technologie in der Entwicklung diagnostischer Verfahren bereits einsetzen", so Prof. Arndt Rolfs, Gründer der Centogene AG und Direktor des Albrecht-Kossel-Instituts.

Forschungsergebnisse aus der DNA-Analyse von Patienten mit Bauchspeicheldrüsenerkrankungen sollen zeitnah in die Entwicklung genauer diagnostischer Tests durch die Centogene AG in Rostock einfließen, um so den frühzeitigen und sicheren Nachweis genetischer Krankheitsfaktoren in der klinischen Routine zu ermöglichen. Ärzte, Patienten und betroffene Angehörige können dann durch den Nachweis einer erblichen Veranlagung bereits in einem frühen Stadium der Erkrankung über die optimalen Therapie- und Vorsorgemaßnahmen entscheiden. "Unser gemeinsames Ziel ist es, einen weitgehend verlässlichen Gentest aus einer einfachen Blutprobe zu etablieren und zeitnah für mögliche Risikopatienten zur Vorsorgeuntersuchung zugänglich zu machen. Das Ergebnis soll dann in drei Tagen vorliegen", erklärte Lerch abschließend.


Ansprechpartner Universitätsmedizin Greifswald
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A
Direktor: Prof. Dr. med. Markus M. Lerch
Ferdinand-Sauerbruch-Straße, 17475 Greifswald
www.medizin.uni-greifswald.de
www.pancreas.de
www.facebook.com/UnimedizinGreifswald


Hintergrund

Was ist eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung?
Die Bauchspeicheldrüse befindet sich im hinteren Bauchraum auf Höhe des Bauchnabels. Das Organ ist an der Regulation des Blutzuckerspiegels beteiligt, weil es unter anderem das Hormon Insulin bildet und freisetzt. Daneben spielt die Bauchspeicheldrüse, auch Pankreas genannt, eine wichtige Rolle bei der Verdauung. Die Drüse schleust Verdauungsenzyme in den Dünndarm. Von einer chronischen Pankreatitis sprechen Ärzte, wenn sich die Bauchspeicheldrüse dauerhaft oder immer wieder entzündet. Dadurch verliert die Bauchspeicheldrüse ihre lebenswichtigen Funktionseigenschaften. Alkohol gilt als eine der Hauptursachen einer chronischen Pankreatitis. Häufigstes Symptom: Schmerzen im Oberbauch. Behandlungsmöglichkeiten sind Medikamente, Operationen und vor allem eine Umstellung der Lebensgewohnheiten, wenn diese der Auslöser waren.

Universitätsmedizin Greifswald
Diagnose und Therapie der Bauchspeicheldrüsenerkrankungen stellen einen wichtigen Behandlungs- und Forschungsschwerpunkt an der Universitätsmedizin Greifswald dar. Die deutsche Krebsgesellschaft hat die Klinik 2011 zusammen mit der Viszeralchirurgie als Pankreaszentrum zertifiziert. Neben der klinischen Versorgung von Patienten mit Pankreaserkrankungen arbeiten Ärzte und Wissenschaftler in Greifswald seit über zehn Jahren an grundlagenorientierten Forschungsprojekten und internationalen klinischen Studien zur akuten und chronischen Pankreatitis und zum Pankreaskarzinom.
Die chronische Pankreatitis ist mit einem erhöhten Karzinomrisiko verbunden und daher auch ein Risikofaktor für das Pankreaskarzinom. Erst kürzlich konnte in Kooperation mit einer US-amerikanischen Forschergruppe ein neues Risikogen für die chronische Pankreatitis entdeckt und in der Zeitschrift Nature Genetics veröffentlicht werden (Nature Genetics 44, 1349-1354 (2012) doi:10.1038/ng.2466). Genmutationen im Trypsin, dem Schlüsselenzym der in der Bauchspeicheldrüse produzierten Verdauungsenzyme, wurden bereits als Risikofaktoren der chronischen Pankreatitis diagnostiziert. Mutationsträger haben ein hohes Risiko, bereits im Kindes- und Jugendalter wiederkehrende oder chronische Krankheitsschübe zu entwickeln. Man vermutet, dass Umweltfaktoren wie beispielsweise Stress und Rauchen, aber auch weitere, noch unbekannte genetische Faktoren die Entstehung der Krankheit beeinflussen.

Albrecht-Kossel-Institut für Neuroregeneration
Zentrum für Nervenheilkunde Rostock, Universitätsmedizin Rostock
Das Albrecht-Kossel-Institut für Neuroregeneration (AKos) unter der Leitung von Prof. Arndt Rolfs ist aus dem Neurobiologischen Labor der Klinik für Neurologie der Universität Rostock hervorgegangen. Langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der seltenen angeborenen Stoffwechselerkrankungen wie z.B. Morbus Fabry und Morbus Gaucher machen das Institut zu einem weltweit anerkannten Diagnostik- und Therapiezentrum für seltene Erkrankungen.
www.albrecht-kossel-institut.de
www.med.uni-rostock.de/index.php?id=644

Centogene AG - The Rare Disease Company
Niederlassung Rostock
Centogene AG ist eines der weltweit führenden Diagnostiklabore auf dem Gebiet seltener Erbkrankheiten. Das Leistungsprofil der Centogene AG beinhaltet eines der größten Testportfolios molekulargenetischer und biochemischer Tests. Centogene AG setzt fokussiert auf moderne und hocheffektive Technologien wie das Next Generation Sequencing (NGS) und entwickelt eine große Zahl von Globalanalysen für verschiedene Krankheitsgruppen. Centogene AG betreibt Niederlassungen in Deutschland, Indien, Kanada, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Österreich.
www.centogene.com


Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter: http://idw-online.de/de/institution65

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Constanze Steinke, 13.12.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2013