Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FACHMEDIZIN

UMWELT/190: Was ist Umweltmedizin? Antworten eines niedergelassenen Umweltmediziners (umg)


umwelt · medizin · gesellschaft - 1/2009
Humanökologie - soziale Verantwortung - globales Überleben

Was ist Umweltmedizin?
Antworten aus der Praxis eines niedergelassenen Umweltmediziners

Von Wolfgang Baur


Umweltmedizin ist klar definiert als die Medizin, die sich mit den Auswirkungen der anthropogen veränderten Umwelt auf den Menschen, seine Befindlichkeit und seine Gesundheit befasst. Beispiele aus industrieller Produktion, Klimaveränderungen, Gentechnologie und dem privaten Umfeld werden dargestellt. Die denkbaren Wege der physiologischen Wirkung sowie die medizinischen Fragestellungen werden erklärt.

Die Theorie der Psychosomatik bei den "sogenannten Umweltkrankheiten" wird kritisiert. Diese Theorie stellt die Psyche und ihre Krankheiten als bedeutsamer dar als eine mögliche Beeinflussung durch die Umwelt. Viele Beispiele aus der Vergangenheit zeigen die Unverantwortlichkeit dieser Einseitigkeit. Natürlich wird auch das Organ Gehirn durch Umwelt berührt, natürlich gibt es dadurch auch psychische Veränderungen. Deshalb ist eine Begleitung mit einfühlender und analysierender, kritischer ärztlicher Tätigkeit sinnvoll.


Definition

Was ist Umweltmedizin?

Wohlgemerkt, die Frage lautet nicht: Ist Umweltmedizin Ökochondrie? Gibt es einen Nocebo-Effekt? Ist Umweltmedizin nicht gleich Arbeitsmedizin? Ist Umweltmedizin Psychosomatik?

Umweltmedizin soll als eigene Entität behandelt werden, insbesondere weil sie in letzter Zeit in die reine Psychosomatik gedrängt wird und wirkliche Schädigungen aus der Umwelt eher ausgeschlossen werden (siehe Psychosomatikstreit: HAUSTEINER et al. 2007, HAUSOTTER 2007, BAUER et al. 2007, BAUER & SCHWARZ 2007). Ich stelle deshalb meine Definition von Umweltmedizin an den Anfang.

Umweltmedizin ist die Medizin, die sich mit der toxischen Auswirkung der anthropogen veränderten Umwelt auf den Menschen befasst. Medien dafür sind Wasser, Boden, Luft und Strahlung.

Was heißt anthropogen?

Durch Einwirken des Menschen verursacht. Also durch die technische Revolution und in jüngster Zeit auch durch die mediale Revolution entstandene Umweltveränderungen, d.h. nicht in der Natur selbstständig entstandene wie zum Beispiel bei Viren, Bakterien oder der gesamten natürlichen Umwelt.


Phasen der anthropogenen Einwirkung

Die Phasen der anthropogenen Einwirkung der Menschen auf die Umwelt können sehr anschaulich an Hand der Zyklen des Ökonomen Kondratieff als Wellenbewegungen beschrieben werden (Abb. 1). Die einzelnen Phasen der Dampfmaschine, der Stahl- und Eisenbahnproduktion, der Elektrotechnik und Chemie, der Petrochemie und des Automobiles und jetzt der Informationstechnologie folgen aufeinander. Diese Entwicklungen haben die allgemeine Lage der Einwirkung der Umwelt auf den Menschen jeweils extrem verändert, siehe auch die heutige Klimadiskussion durch den anthropogenen Einfluss über Treibhausgase.


Anthropogene Umweltkatastrophen

In der jüngst vergangenen Zeit gab es erhebliche Einwirkungen auf die Bevölkerung aus der Umwelt (Tab 1). Erwähnt werden soll die Smogkatastrophe in London 1952, mit starker Luftverschmutzung durch Schwefeldioxid und Staub, mit einem Anstieg von Herz- und Lungenerkrankungen und vielen Toten. In Toyama führte 1950 Kadmium im Reis zu Nieren- und Knochenschädigungen der sog. Itai-Itai-Krankheit mit schweren Knochenschmerzen. In der Minamata-Bucht, 1956, haben die Methylquecksilberverbindungen im Fisch zu Nervenschädigungen geführt, der Minamatakrankheit mit 200 schweren und 2.000 Verdachtsfällen. Bhopal war der Ort, wo 1984 die Auswirkungen vom Methylisozyanat bei einem Explosionsunglück mit akuten Lungenerkrankungen, 3.000 Toten und 300.000 Vergifteten zur Katastrophe führten. Auch Seveso 1976 mit Dioxinen und Di-Benzofuranen zeigte Folgen wie Chlorakne, Karzinomen und Psychosyndromen für Tausende von Menschen. Schlussendlich Tschernobyl 1986 mit radioaktiver Strahlung, europaweit mit der Folge der sog. Tschernobylimmundefizienz, Leukämien, Tumoren, Abwehrschwächen und vor allem auch Schilddrüsenkarzinomen bei Kindern und vielen Toten direkt bei Bekämpfung am Unglücksort. Zehntausende sind betroffen. In Deutschland treten Spätfolgen der Holzschutzmittelvergiftungen durch PCP/Lindan/Dioxine mit multiplen neurologischen psychopathologischen Veränderungen und einem Kaleidoskop internistischer Symptome auf, auch hiervon dürften Zehntausende betroffen sein.


Ort/Jahr
Umweltgefahr
Art der Krankheit
Zahl der Betroffenen
Toyama, Japan
(1950)

Kadmium im Reis


Nieren- und Knochen-
schädigungen:
Itai-Itai-Krankheit
200 mit schweren Erkrankungen,
weitaus mehr mit leichten
Beeinträchtigungen
London, Groß-
britannien (1952)

Starke Luftverschmutzung
durch Schwefeldioxid
und Staub
Anstieg von vorwiegend
Herz- und
Kreislauferkrankungen
­3.000 Tote


Südost-Türkei
(1956-1961)
Hexachlorbenzol im
Saatgut
Porphyrie

­3.000 Fälle

Minamata, Japan
(1956)
Methylquecksilber-
verbindungen Fisch
Nervenschädigungen:
Minamata-Krankheit
­200 schwere Fälle,
­2.000 Verdachtsfälle
Mehrere Städte in
USA (ca. 1960-1970)
Blei in Farben

Anämie, Verhaltens- und
psychische Störungen
viele Tausende

Fukuoka, Japan

Polychlorierte Biphenyle
in Speiseöl
Hauterkrankungen,
generelle Schwäche
mehrere Tausende

Irak (1972)

Methylquecksilber-
verbindungen im Saatgut
Nervenschädigungen

­500 Tote, 6.500 stationär
Behandelte, 20.000 Betroffene
Madrid, Spanien
(1981)
Anilin oder ein anderes
Gift im Speiseöl
verschiedene
Krankheitssymptome
­340 Tote, 3.000 Erkran-
kungsfälle, 20.000 Betroffene
Bhopal, Indien
(1984)
Methylisocyanat

akute
Lungenerkrankungen
­3.000 Tote,
­300.000 Vergiftete
Seveso, Italien
(1976)
Dioxine

Chlorakne, Karzinome,
Psychosyndrome
Tausende

Tschernobyl,
Weißrussland (1986)

Radioaktive Strahlung


Tschernobyl-Immunde-
fizienz, Leukämien,
Tumoren, Abwehrschwäche
Zehntausende


Deutschland
(1970er-Jahre)


Holzschutzmittel, PCP,
Lindan etc.


Multiple neurologische,
psychopathologische,
allgemeine und
internistische Symptome
Zehntausende



Tab. 1: Anthropogene Umweltkatastrophen (Quelle: nach BAUR 1998/2006)



Auswirkungen der Klimaänderung

Aktuell wird sehr viel über das Klima diskutiert, natürlich hat es Auswirkungen, auch anthropogen verursacht, auf die menschliche Gesundheit, wenn die Meeresspiegel steigen, wenn Regionen versteppen, wenn Flora und Fauna beeinflusst werden und dadurch wieder mehr Allergien auftreten. Haines hat das in einer Grafik zusammengefasst (Abb. 2). Als Auswirkungen sind vermehrte Krankheiten und Todesfälle, vermehrte Allergien, vermehrte Infektionskrankheiten, Minderernährung, natürlich auch Unfälle durch Unwetter als Wirkung der anthropogen durch Treibhausgase verursachten Klimaveränderung dargestellt.

Ein weiterer Eingriff in die Natur erfolgt heutzutage über die Gentechnik, sowohl über die Grüne, also pflanzenbezogene, als auch über die Rote, also gesundheitstechnisch bezogene Gentechnik. Wir sind am Anfang einer Entwicklung, die noch nicht überschaubar scheint mit Risiken, die eher wie ein großer Feldversuch angelegt sind und nicht ausgeschlossen werden können (siehe ÖKOLOGISCHER ÄRZTEBUND 2007).


Häusliches Umfeld

Natürlich darf man auch das private Umfeld, in dem die Menschen leben, nicht außer Acht lassen und zwar den materiell anthropogenen Teil, der auf sie einwirkt. Stellen wir uns dazu ein Haus vor, so können und müssen wir mit Formaldehyd aus Spanplatten oder Kunststoffen rechnen, mit Lösemitteln aus dem Garagen- und Hobbyraum sowie von Reinigungsmitteln, aber auch dem Heimwerkerteil, aus Naturholzmöbeln, über Holzschutzgifte in Balken und Paneelen, über Schädlingsbekämpfungsmittel, über Weichmacher aus Kunststoffen, Flammschutzmitteln aus elektronischen Geräten, PCB in Dichtungsmassen, Giften wie PAK‹s und PCBs in Parkettklebern, natürlich auch Asbest, Geruchsstoffe und Imprägnierstoffe aus Teppichböden, Radon aus dem Unterboden in besonderen Regionen Deutschlands, Schwermetalle im Trinkwasser, Schimmelexpositionen an feuchten Wänden, Schwermetalle im Boden um das Haus herum und Lärm- und Strahleneinwirkung von außen. Auch dies sind Einflüsse, denen gegenüber der Mensch in seinen Behausungen über 24 Std. ausgesetzt ist und die nicht nur bei empfindlichen Menschen zu erheblichen Störungen aus der Umwelt beitragen können (Abb. 3).


Geburtsstunde der Umweltmedizin

Die Geburtsstunde der Umweltmedizin war die Smogkatastrophe vom 8.12.1952 in London. Nach der Erhöhung von SO2, Staub und NOX kam es zur Erhöhung der täglichen Gesamtmortalität mit mehr Bronchitis-Toten, mit mehr Toten an systemischen Herzkrankheiten und Myokardinfarkttoten sowie Pneumonie-Toten als in der Periode davor. Das ergab den Hinweis einer klaren Korrelation zwischen einer anthropogenen Veränderung der Umwelt und dramatischen Einwirkungen auf die Gesundheit (Abb. 4).


Praktische Umweltmedizin

Meine persönliche Geburtsstunde als Umweltmediziner ist in meiner Landarztpraxis in einer umweltbelasteten Region begründet, der seit Jahrhunderten von der Metallverhüttung geprägt ist und heute noch von Recycling und sekundärer Verhüttung bestimmt wird.

In meiner Praxis registrierte ich seit Beginn vor über 25 Jahren Auffälligkeiten im Morbiditätsspektrum. Für eine Mortalitätsanalyse ist die Region zu klein, zumindest die Praxisregion. Ich habe diese meine Erfahrungen in einer kleinen grünen Umweltfibel zusammengefasst, weil ich tagtäglich mit den Auswirkungen der Umwelt auf meine Patienten durch veränderte Luftbedingungen in Form hoher SO2-, NOx und Staubwerte konfrontiert war, wobei insbesondere Metallstäube wie Blei- und Kadmiumstäube eine Rolle spielten.

Der klare Weg, den eine umweltmedizinische Diagnostik dann vornimmt, wenn die Quelle erkannt wurde, ist die Emission zu differenzieren. Die Expositionsroute über Luft, Wasser, Boden oder Nahrung muss bestimmt werden. Die Schadstoff-Aufnahme über Absorption, Verteilung, Speicherung, Metabolismus, Exkretion und Sekretion ist zu bestimmen. Als interne Belastung müssen Berücksichtigung finden: mögliche Rezeptor-Effekte, biochemische Effekte, zelluläre Effekte, Geneffekte, Reparatur-Effekte, um letztlich die bleibende Störung, die Krankheit, das Symptom darzustellen. Heutzutage sind die Bezeichnungen Expositions-Monitoring, Bio-Monitoring und Effekt-Monitoring gebräuchlich (Abb. 5).

Wie sieht das in der Praxis aus?
Der Arzt bzw. die Ärztin muss sehr geduldig zuhören und muss sich erhebliche Zeit nehmen, weil der Umweltpatient meist nicht in ein definiertes Raster passt, man muss für die oft sehr verwirrten, verängstigten Patienten ordnen, man muss die berühmte zentrale Frage stellen:
"Womit, glauben Sie, hängt ihre Krankheit zusammen?" und dabei auch alle Ängste aufnehmen.

Danach muss dann den Belastungspfad definiert werden. Der Aufnahmepfad für die Effekte ist zu klären und natürlich muss auch immer ein begleitender psychopathologischer Befund erhoben werden. Das heißt aber nicht, dass damit der Weg zu einer Einordnung in eine psychosomatische oder gar psychiatrische Denkrichtung geebnet werden soll. Die Institute für eventuelle Analysen sollte man sehr genau kennen und auswählen und man sollte, wenn es möglich ist, eine Expositionsunterbrechung einleiten und schauen, ob eventuell schon allein dadurch Veränderungen in der Symptomatik auftreten.

Sowohl zu Beginn der Ära der Umweltmedizin vor zwanzig Jahren wie auch heute muss man immer wieder mit folgenden Gegenargumenten rechnen:

Umwelt macht nicht krank,
Gesundheitsrisiko Nr. 1 ist der Mensch selbst: das individuelle Fehlverhalten, d.h. Alkohol, Rauchen, Bewegungsmangel, Fehlernährung und Übergewicht sind die Krankheitsursachen, die uns beschäftigen, Umweltkrankheiten dagegen sind eher psychische Störungen.

Niedergelassene Umweltmediziner haben sich schon damals gegen diese Argumentationen gewehrt und müssen es jetzt genau so tun und bedenken, dass es sich um Abwehrmechanismen handelt. Denn würden gesicherte Quellen benannt, die Krankheiten verursachen, würde dies Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, die gerichtlich festgehalten zu hohen Entschädigungen führen würden. Wenn aber Krankheiten, die noch nicht näher erforscht und in der Symptomatik unsicher sind, in eine psychische Kategorie eingeordnet werden können, sind alle diese Begleiterscheinungen für die Beteiligten nicht toxisch und somit nicht entschädigungswürdig - sondern psychisch verursacht. Das heißt aber in Konsequenz, dass der Patient für sich unverstanden bleibt und möglicherweise darüber eine psychische Alternation entwickelt.

Wir kommen also immer wieder an die Streitfrage, ob Umweltexposition oder individuelles Fehlverhalten Ursache für Krankheiten ist. Natürlich ist die Auslösung von Herzkreislauferkrankungen und Lungenkrebs über die sog. Genussgifte bekannt. Dennoch sind sie eine bewusste, wenn auch durch Werbung beeinflusste, Handlung der Menschen. Sie sind keine Umwelt-Exposition, sie sind kein ungewolltes Ausgesetzt sein gegenüber den Umweltbedingungen.

Was war zuerst da: die Umweltkrankheit eines Patienten oder eine psychische Alteration des Patienten? Ich halte dafür, dass Umweltprobleme Reaktionen des zentralen und peripheren Nervensystems auf die Noxe produzieren. Ich glaube nicht, dass in der Mehrheit eine psychische Veränderung des Patienten besteht, die er dann auf die Umwelt projiziert, um einen Vorteil, einen sekundären Krankheitsgewinn für sich daraus zu ziehen. Alle Studien, die hierzu bestehen, müssen sich mit vielen Unsicherheitsfaktoren auseinandersetzen. Die Kollektive von Umweltpatienten sind im Allgemeinen klein und lassen statistisch gesicherte Aussagen selten zu. Im Niedrigdosisbereich herrschen sowohl von den Grenzwerten als auch von den Messungen her erhebliche Unsicherheiten. Die Komplexwirkungen mehrerer schädigender Stoffe aus der Umwelt sind sehr schwer einzuordnen.

Die Zusammenfassungen über alle relevanten Stoffe und deren Einwirkungen aus der Umwelt geben in Lehrbüchern zur Umweltmedizin (z.B. BÖSE-O‹REILLY et al. 2001, MERSCH-SUNDERMANN 1999, SEIDEL 1996) hinreichende Beweise für ausgeprägte Einflüsse der Umwelt auf bestimmte Krankheiten. Weltweit sind diese Krankheitsbelastungen noch stärker ausgeprägt als in Europa (Abb. 6).

Mittlerweile hat die Wissenschaft auch klare Beziehungen zur besonders durch Feinstaub verursachten Morbidität und Mortalität beschrieben. Partikel dringen in die Lunge ein, je kleiner desto tiefer. Im Epithel produzieren sie eine Entzündung, die geht ins Interstitium über, gelangt ins Endothel und damit an die Blutgefäße und es gibt dadurch systematische Effekte sowohl bei den Entzündungsmediatoren als auch bei der Translokation der Partikel und auch im Autonomen Nervensystem. Das führt zu klaren Veränderungen im Mikrogefäßsystem mit Endothelialdysfunktion, was letztlich zur Herzbelastung mit Ischämie und Arrhythmien führt. Endpunkt dieser Entwicklung ist dann beispielsweise der akute Infarkt. Diese Dinge sind belegt für Feinstaub wie für Passiv- und Aktivrauchen (Abb. 7).

Wenn wir so klar Umweltmedizin diagnostizieren können, müssen wir auch Therapien anbieten. Natürlich ist der erste Ansatz bei umweltbedingter Krankheit das Ausschalten der Noxe, dann aber auch die Verhinderung des Transports dieser Noxe, wenn möglich in den Medien Wasser, Boden, Luft, eine Verhinderung der Aufnahme in den Körper, eine Verhinderung von Effekten im Körper möglicherweise durch Medikamente, durch Ausschleusungsverfahren und Stärkung der Abwehr, insbesondere in den Bereichen, in dem die Noxen auftreten, also meist im Energieversorgungsapparat in den Mitochondrien und in den Nerven. Auch die Immunologische Diagnostik im Umweltbereich hat große Fortschritte gemacht.

Es gibt mittlerweile über die Interleukin-, die Interferon- und über die Antigenwirkungen klare Messmöglichkeiten, um Schädigungen an der Verarbeitung der Noxe darzustellen. Große Institute bieten auch Übersichten über Inflammation an. Die Zuordnung zu bestimmten Noxen ist allerdings noch sehr schwierig.


Ausblick

Zum Schluss möchte ich das Besondere an der Umweltmedizin betonen. Die oben beschriebenen toxischen Einwirkungen könnten verhindert werden, so dass eine Krankheit erst gar nicht entstehen müsste.

Deshalb sollte alles daran gesetzt werden, primär präventiv gegen die toxischen Einflüsse zu handeln.

Nicht explizit erwähnt habe ich bislang die Amalgamproblematik, die Krankheitsbilder Multiple Chemikalien-Sensitiviät (MCS), Chronisches Müdigkeits-Syndrom (Chronic Fatigue Syndrom - CFS), Elekrosensibilität usw.. Bei diesen stehen die Beschwerden der Patienten im Vordergrund, die Begleitung, das Ernstnehmen der Symptome. Der kausale, wissenschaftliche Beweis ist z. Zt. schwer zu führen - d.h. aber nicht, dass diese Diagnosen psychosomatisch zu klassifizieren sind (siehe die Diskussionen bei HAUSTEINER et al. 2007, HAUSOTTER 2007, BAUER et al. 2007, BAUER & SCHWARZ 2007).

Umwelt im biologischen Sinne ist das gesamte uns umgebende Lebensfeld mit seinen Medien, Boden, Wasser, Luft. Umweltmedizin ist die Medizin, die sich mit dem Einfluss der Umwelt auf den Menschen befasst, die Wege sind Wasser, Boden, Luft, und neben stofflichen Dimensionen gehören dazu auch Strahlungen, genmanipulierte Nahrung und wohl auch mediale Einflüsse.


(Nach einem Vortrag auf der Tagung des Ökologischen Ärztebundes zum 20jährigen Jubiläum am 27.4.2007 in Bremen)


Nachweise

BAUER, A., SCHWARZ, E., MARTENS, U. (2007): Patienten mit MCS: Umweltmedizin oder Psychosomatik, Z. Allg. Med. 83: 442-446.

BAUER, A., SCHWARZ, E. (2007): Welche Aussage hat die MCS-Multicenterstudie umwelt med ges 20(4): 289-296.

BAUR, W. (1996): Kleine Umweltfibel, Eigenverlag/Vienenburg.

BAUR, W. (1998/2006): Umweltmedizinische Probleme, in: KOCHEN, M. M. (Hrsg.): Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Hippokrates/Thieme.

BÖSE O-REILLY, S. et. al. (2001): Leitfaden Umweltmedizin, Urban und Fischer.

HAINES A (2007): Exploring the effects of global environmental change and energy use on health, The Lancet 370(9591): 929.

HAUSTEINER, C., BORNSCHEIN, S., NOWAK, D., HENNIGSEN, P. (2007): Psychosomatik der umweltbezogenen Gesundheitsstörungen, Psychotherapeut 5: 373-385.

HAUSOTTER, W. (2007): Umweltmedizin in der nervenärztlichen Praxis, Neuro aktuell 9/2007:

MERSCH-SUNDERMANN, V. (1999): Umweltmedizin, Thieme

ÖKOLOGISCHERÄRZTEBUND (2007): Zehn Fragen zur Gentechnik in Landwirtschaft und Ernährung, Ökologischer Ärztebrief "Agrogentechnik", 6. Aufl., Eigenverlag, Bremen.

PRÜSS-ÜSTÜN, A., CORVALAN, C. (2006): Preventing Disease Through Healthy Environments, WHO, Geneva.

RAUPACH, T. (2007): Feinstaubbelastung: Schwerpunkt Passivrauchen, umw med ges 20(1): 24-27.

SEIDEL, H. J. (1996): Umweltmedizin, Thieme

STIFTUNG WARENTEST (2005): Wohnen ohne Gift, Berlin

WILKINSON P, SMITH KR, JOFFE M, HAINES A (2007): A global perspective on energy: health effects and injustices. The Lancet 370(9591): 965-978.


Kontakt:
Dr. Wolfgang Baur
FA für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin
Umweltmedizin
Lohnbachstr. 5
38690 Vienenburg
Tel. 05324/6107
Fax. 05324/6025
Dr.Wolfgang.Baur@t-online.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Kondratieff-Zyklen
Abb. 2: Auswirkungen der Klimaveränderungen auf die menschliche Gesundheit
Abb. 3: Schadstoffquellen im Haus
Abb. 4: Mortalitätsverlauf und Luftverschmutzung in London während der Smog-Episode vom 5.12.-8.12.1952
Abb. 5: Von der Quelle zur Krankheit
Abb. 6: Bei welchen Krankheiten die Umwelt die größte Rolle spielt
Abb. 7: Entwicklung eines akuten kardiovaskulären Ereignisses (z.B. Myokardinfarkt) durch eine Passivrauchbelastung


*


Quelle:
umwelt · medizin · gesellschaft Nr. 1/2009, (Februar 2009) S. 28-33
22. Jahrgang
Verlag: UMG Verlagsgesellschaft mbH
Frielinger Str. 31, 28215 Bremen
Chefredaktion (V.i.S.d.P.): Erik Petersen
Tel.: 0421/498 42 51; Fax: 0421/498 42 52
E-Mail: umg-verlag@t-online.de
Internet: www.umwelt-medizin-gesellschaft.de

Erscheinungsweise: vierteljährig
Bezugspreis: Für Mitglieder der Umweltmedizinischen Verbände dbu, DGUHT, IGUMED
und Ökologischer Ärztebund sowie des weiteren beteiligten Verbands
DGMCS ist der Bezug der Zeitschrift im Jahresbeitrag enthalten.
Das Abonnement kostet ansonsten jährlich 38,- Euro frei Haus, Ausland 45,- Euro.
Einzelheft: 10,- Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2009