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BILDUNG/1200: Clinician Scientist Academy Kiel - Gute Forschung, gute Ärzte (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 11, November 2021

Gute Forschung, gute Ärzte

von Stephan Göhrmann


FORSCHUNG UND LEHRE. Um das Nachwuchsproblem an den medizinischen Forschungsstandorten in Schleswig-Holstein zu lösen, wurde 2019 die Clinician Scientist Academy Kiel gegründet. Sie bündelt Programme für Weiterzubildende, die eine Zukunft in der Forschung anstreben. Auf dem ersten Research Day der Kieler Academy konnten sie nun ihre Forschungsbeiträge vorstellen.


Die medizinische Forschung soll attraktiver werden. Vier Programme, die in die Clinician Scientist Academy Kiel eingebettet sind, sollen jungen Weiterzubildenden den Weg in die Forschung ermöglichen. Die medizinischen Fakultäten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und die Sektion Medizin der Universität zu Lübeck (UzL) haben in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und mit Unterstützung der Ärztekammer Schleswig-Holstein (ÄKSH) strukturierte Clinician Scientist Programme entwickelt, die Klinik und Forschung verbinden. Während des Research Days in Kiel konnten 37 Clinician Scientists aus Kiel, Lübeck und Borstel, die an einem der vier Weiterbildungsprogramme der Kieler Academy teilnehmen, ihre Forschungsbeiträge vorstellen.

"Wir haben diesen Tag veranstaltet, um diesen talentierten jungen Leuten an der Schnittstelle zwischen Klinik und Forschung eine Möglichkeit zum intensiven Dialog mit den Kolleginnen und Kollegen zu geben", sagte Mitorganisator Prof. Ulrich Kunzendorf, Leiter der Kieler Klinik für Innere Medizin IV mit den Schwerpunkten Nieren- und Hochdruckkrankheiten am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH).

Mit dem Ziel, wissenschaftlichen Nachwuchs für translationale Forschung zu rekrutieren und so die klinische Grundlagenforschung mit der Patientenversorgung zu verzahnen, wurde 2019 die Clinician Scientist Academy Kiel gegründet. Unter ihrem Dach sind die Weiterbildungsangebote durch die vier Clinician Scientist Programme des Exzellenzclusters "Precision Medicine in Chronic Inflammation" (PMI), das durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte "Clinician Scientist Program in Evolutionary Medicine (CSEM)", das Else Kröner-Forschungskolleg Kiel (EKFK) "Darm-Hirn-Achse" sowie das interdisziplinäre Programm der Medizinischen Fakultät vereint. Motor für diese Entwicklung war der Exzellenzcluster (PMI). Die Überführung in ein gemeinsames Programm mit Lübeck ist geplant.

Da die jungen Mediziner früh Zugang zur Forschung erhalten sollen, setzen die Programme an der universitären Ausbildung an. So sollen sämtliche Anteile der universitätsmedizinischen Forschung sowie der wissenschaftlich orientierten Tätigkeit sinnvoll mit der klinischen Aus- und Weiterbildung verknüpft werden. Damit weiterbildungsrelevante Inhalte mit der Forschung funktionieren, verlängert die Ärztekammer die Weiterbildungszeit der Programmteilnehmer je nach Disziplin um 12 bis 24 Monate. Sie schließen das Programm mit einem Facharzt ab und haben während der Weiterbildung zusätzlich Zeit für die Forschung.

"Die Weiterbildung ist ein prägendes Element der Arztwerdung. Hier müssen alle notwendigen Facharztqualitäten erworben werden, die später in der Versorgung gebraucht werden", so Prof. Henrik Herrmann, Präsident der ÄKSH. Mit der Zertifizierung der Weiterbildungscurricula der Clinician Scientist-Programme unterstützt die Ärztekammer das Vorhaben, Forschungszeiten und den Erwerb von Handlungskompetenzen zusammenzuführen. So soll die Forschung in Schleswig-Holstein gestärkt und gleichzeitig Planungssicherheit bei den Programmteilnehmern hergestellt werden. Denn nicht jeder, der in das Programm aufgenommen wurde, wird in der Forschung bleiben. Die Verknüpfung mit der Weiterbildung sichert den Abschluss als Facharzt. Doch auch mit abgeschlossenem Programm ist die Forschungskarriere nicht vorgegeben. Absolventen sollen ebenso als qualifizierte Leitungspositionen in Oberarztpositionen tätig werden können.

Als Medizinerin und Forscherin weiß Prof. Simone Fulda, Präsidentin der CAU, um die Schwierigkeit, Forschung, Lehre und Weiterbildung zu vereinen: "Es braucht Freiräume, um Talent in der Forschung entwickeln zu können." Die Clinician Scientist-Programme würden für die notwendigen Freiräume sorgen. Mit dem Senior Clinician Scientist-Programm wurde während des Research Days zudem ein weiteres Förderinstrument vorgestellt, das sich in die bestehenden Förderprogramme der Universität und das Clinician Scientist Programm einreiht. Die in Schleswig-Holstein vom Exzellenzcluster PMI initiierten Programme sollen das Thema Führung näher in den Fokus rücken. Fulda sprach den anwesenden Weiterzubildenden Mut zu und riet: "Machen Sie weiter. Die Medizin braucht Sie."

Prof. Joachim Thiery, Dekan der medizinischen Fakultät der CAU, machte auf den steigenden Bedarf an klinisch und naturwissenschaftlich ausgebildeten Ärzten aufmerksam. In der Pandemie sei deutlich geworden, wie effizient und gleichzeitig verletzlich und unvollkommen die medizinische Wissenschaft und Versorgung seien. Gleichzeitig würden immer weniger Leitungspositionen besetzt. "Der Wettkampf um die besten Köpfe wird weiter zunehmen", sagte Thiery.

Einer, der den Weg in die Forschung über ein Clinician Scientist-Programm gefunden hat und während des Research Days sein Forschungsprojekt vorstellen konnte, ist Schekeb Aludin. Der Weiterzubildende der Radiologie ist seit 2019 in dem Programm und untersucht derzeit einen möglichen Zusammenhang zwischen Parkinson und Darmerkrankungen. Ein Thema, das Neurologie, Innere Medizin und Radiologie miteinander verbindet. Im Rahmen des Programms konnte Aludin an interdisziplinären Gesprächsrunden teilnehmen. Erst durch die Zusammenarbeit mehrerer Disziplinen ergab sich sein Forschungsthema. Von den interdisziplinären Gesprächsrunden profitiert er auch im Zuge der Betreuung seines Forschungsvorhabens. "Als Einzelkämpfer hätte man das gar nicht umsetzen können. Die Mentoren in den Programmen nehmen einen an die Hand und zeigen, wie Wissenschaft auf hohem Niveau funktioniert", so Aludin.

Aludin verfolgt in seinem Forschungsbeitrag die These, dass ein Teil der Parkinsonerkrankungen nicht im Kopf, sondern im Darm entstehen. Noch bevor sich die Erkrankung durch einen Tremor bemerkbar macht, könnte die Krankheit bei einem Teil der Patienten frühzeitig anhand vorausgehender Verdauungsstörungen diagnostiziert werden. Seine Studie könnte eine frühzeitige Diagnosestellung und Therapierbarkeit mit sich bringen. Denn darum geht es in den Programmen auch: Die Projektergebnisse der Clinician Scientists sollen bestenfalls positiven Einfluss auf die Patientenversorgung nehmen.

Aludin wird noch bis 2026 an dem Programm teilnehmen. Nach Programmabschluss und absolvierter Facharztweiterbildung möchte er in der Forschung bleiben, am besten in einem Senior Clinician Scientist-Programm. Aludin ist von dem Programm überzeugt und empfiehlt es jedem, der sich für die klinische Wissenschaft interessiert.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 11, November 2021
74. Jahrgang, Seite 22-23
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 7. Dezember 2021

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