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DROGEN/342: Poppers sind keine Alkopops - Jugendliche verätzt sich Speiseröhre (Thieme)


Thieme Verlag - FZMedNews - 15.12.2015

Poppers sind keine Alkopops: Jugendliche verätzt sich Speiseröhre


fzm, Stuttgart, Dezember 2015 - Weil eine 18-Jährige einen Schluck aus dem Fläschchen nahm, statt die Schnüffeldroge Poppers zu inhalieren, musste sie über drei Jahre mehrfach an den Folgen einer Verätzung der Speiseröhre behandelt werden. In der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2015) warnen Mediziner aus Hamburg vor den Folgen eines unachtsamen Drogenkonsums, zu dem neben schweren Schluckstörungen langfristig auch die Entwicklung von Krebsgeschwüren gehört.

Poppers werden seit den 1970er Jahren als Party- und Sexdroge benutzt. Der Name leitet sich vom Geräusch ab, das beim Öffnen der Glasfläschchen entsteht. Der Inhaltsstoff wurde früher als Notfallmedikament für Patienten mit verengten Herzkranzgefäßen benutzt, berichtet Professor Guntram Lock, Chefarzt am Albertinen-Krankenhaus in Hamburg: Der Wirkstoff Amylnitrit erweitert die Gefäße und sorgt kurzfristig für eine bessere Durchblutung - nicht nur in den Herzkranzgefäßen. Bei einer erhöhten Dosis kommt es zu einem fünf bis zehnminütigen Rauschzustand mit dem Gefühl von Zeitlosigkeit, einhergehend mit Hitzegefühl, Muskelentspannung, vermindertem Schmerzempfinden sowie sexueller Luststeigerung und Hemmungslosigkeit, erläutert der Hamburger Experte.

Zunächst wurden Poppers vor allem in der Schwulen-Szene konsumiert. Seit einigen Jahren erfreut sich die Droge bei Jugendlichen steigender Beliebtheit. Besitz und Konsum sind in Deutschland völlig legal. Der Wirkstoff fällt nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Nur der Vertrieb ist verboten, weil das verschreibungspflichtige Medikament nur von Apotheken abgegeben werden dürfte. Dort wird es aufgrund besserer Herzmittel nicht mehr verkauft.

Amylnitrit ist eine stark ätzende Flüssigkeit. Wenn sie getrunken wird, kann dies lebensgefährliche Folgen haben. Vor drei Jahren berichteten Schweizer Medien über eine 21-jährige Frau, die nach dem Trinken von Poppers gestorben war. Auch die 18-jährige Frau aus Hamburg wurde, nachdem sie nur einen Schluck genommen hatte, ohnmächtig. Die Notärzte schöpften jedoch keinen Verdacht und sie wurde wenige Tage später als gesund entlassen.

Drei Wochen später klagte die Frau über zunehmende Schluckbeschwerden. Sie konnte keine Nahrung mehr zu sich nehmen und hatte bereits acht Kilo abgenommen. Die Ärzte am Albertinen-Krankenhaus wollten eine Magenspiegelung durchführen, doch sie konnten eine Engstelle in der Speiseröhre nicht passieren. Eine massive Verätzung hatte zu Narbenbildung geführt, die die Speiseröhre immer weiter abschnürte, berichtet der Gastroenterologe Professor Lock. Es folgte eine langwierige Behandlung, bei der die Ärzte die Engstelle allmählich weiten konnten.

Die junge Frau konnte danach auch ohne Magensonde Nahrung zu sich nehmen. Doch fünfeinhalb Monate später musste die Behandlung wiederholt werden, weil sich erneut Narben gebildet hatten. Eine dritte Behandlung folgte drei Jahre nach dem Schluck aus der Poppers-Flasche. Heute ist sie seit zwei Jahren beschwerdefrei, berichtet Prof. Lock. Die Verätzungen gehen jedoch mittel- und langfristig mit einem erhöhten Krebsrisiko einher, berichtet der Experte. Aufgrund der Beliebtheit von Poppers befürchtet er, dass es nicht bei dem Einzelfall bleiben wird.


A.F. Wunder, M. Oelckers, G. Lock:
Folgen einer Partynacht
DMW Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (21); S.1611-1613

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Quelle:
FZMedNews - Dienstag, 15. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2015

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