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ETHIK/981: Expertengespräch - Regelungsbedarf für Forschung mit Humanbiobanken? (Infobrief - Dt. Ethikrat)


Infobrief des Deutschen Ethikrates Nr. 8 - August 2011 - 02/11

EXPERTENGESPRÄCH BIOBANKEN

Regelungsbedarf für Forschung mit Humanbiobanken?


Der Deutsche Ethikrat und die TMF - Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. diskutierten am 7. April im Rahmen eines Expertengesprächs in Berlin über die Empfehlungen des Ethikrates, die Forschung mit Humanbiobanken auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen.


Humanbiobanken sind Sammlungen von Proben menschlicher Körpersubstanzen - z.B. Gewebe, Blut, DNA -, die mit personenbezogenen Daten und gesundheitsbezogenen Informationen über die Spender elektronisch verknüpft sind. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Erforschung der Ursachen und Mechanismen zahlreicher Erkrankungen und ihrer Behandlung und sind ein unverzichtbares Hilfsmittel für die biomedizinische Forschung. Neue Trends in der Biobankenforschung, zu denen die quantitative und qualitative Ausweitung, die zunehmende Vernetzung und Internationalisierung sowie die Privatisierung und Kommerzialisierung zählen, stellen rechtliche und ethische Herausforderungen dar.

In seiner Stellungnahme Humanbiobanken für die Forschung, veröffentlicht im Juni 2010, hatte der Ethikrat ein auf fünf Säulen fußendes Konzept für die gesetzliche Regulierung von Biobanken vorgeschlagen. Die Empfehlungen umfassen die Einführung eines Biobankgeheimnisses, die Festlegung der zulässigen Nutzung, die Einbeziehung von Ethikkommissionen sowie die Qualitätssicherung und Transparenz. Diese Empfehlungen zielen darauf ab, auf der einen Seite für die Interessen und Persönlichkeitsrechte der Spender einen adäquaten Rechtsrahmen verfügbar zu machen und auf der anderen Seite für die Biobankforschung mehr Rechtssicherheit zu schaffen und die Forschung gleichzeitig zu erleichtern.

Im Laufe des Expertengesprächs am 7. April erörterten Naturwissenschaftler, Juristen, Datenschützer und Ethiker die vielfältigen Aspekte der Forschung auf der Grundlage von Humanbiobanken. Sie loteten die Konsequenzen von Regulierungsmaßnahmen für die Forschungspraxis aus und diskutierten gemeinsam mit Politikern, Patientenvertretern und anderen Interessierten darüber, ob ein Biobankgesetz erforderlich ist.


Stärkerer Spenderschutz

Die zentrale Empfehlung des Ethikrates, die Spender noch stärker als bisher vor den Risiken einer missbräuchlichen Verwendung ihrer Daten zu schützen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Betrieb von Biobanken zu erhalten sowie gleichzeitig durch eine gelockerte Zweckbindung der Probennutzung die medizinische Forschung mit Biobankmaterialien zu erleichtern, fand die allgemeine Zustimmung der Referenten und Diskutanten. Auch die Empfehlungen zur Festlegung der zulässigen Nutzung, zur Einbeziehung von Ethikkommissionen, zur Qualitätssicherung und Transparenz wurden begrüßt. Umstritten war jedoch, inwieweit inhaltlich und zeitlich eng begrenzte Sammlungen - die zum Beispiel im Rahmen von Doktorarbeiten angelegt werden - auf die gleiche Weise wie große Biobanken behandelt werden sollten. Ein Teil der Empfehlungen sei zudem bereits gängige Praxis, sodass es eines besonderen Gesetzes nicht bedürfe.


Biobankgeheimnis

Die Frage, ob ein gesetzlich verankertes Biobankgeheimnis erforderlich sei, um einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Spender- und den Forscherinteressen zu finden, wurde intensiv diskutiert.

Das Biobankgeheimnis, wie es der Ethikrat in seiner Stellungnahme empfiehlt, beinhaltet eine mehrdimensionale Schweigepflicht: Erstens dürfen diejenigen, die mit Biobankmaterialien umgehen, Proben und Daten nicht an Stellen außerhalb der Wissenschaft weitergeben und zweitens dürfen sie keine Anstrengungen unternehmen, die Spender zu identifizieren, wenn sie mit pseudonymisierten Proben arbeiten. Drittens dürfen die Informationen aus der Biobankforschung nicht von externen Stellen genutzt werden, weder durch Versicherungen noch Arbeitgeber. Viertens sollen sich die genannten Personen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen dürfen, das mit dem Arztgeheimnis vergleichbar ist. Damit soll garantiert werden, dass Forscher nicht von staatlichen Stellen gezwungen werden können, Informationen preiszugeben, die sie im Zusammenhang mit ihrer Arbeit mit Biobankproben erlangt haben. Das ist ein wichtiger Aspekt, um das Vertrauen in die Biobanken zu stärken. Fünftens soll es ein Zugriffsverbot auf einzelne Proben beziehungsweise Informationen durch staatliche Stellen geben. Es soll zudem keine Möglichkeit zu einem Datenabgleich innerhalb einer Rasterfahndung bestehen.

Dagegen gaben insbesondere Praktiker zu bedenken, dass ein Biobankgeheimnis sowohl Spendern als auch Wissenschaftlern zwar einen höheren Schutz biete, gleichzeitig aber zu einem möglicherweise erhöhten Verwaltungsaufwand für Forschungsprojekte führe und internationale Kooperationen an Deutschland vorbeigingen. Als Alternative zu einem Biobankgeheimnis kämen Richtlinien in Betracht, die man wirksam durch Verweigerung oder Entzug finanzieller Förderung sanktionieren könne.


Rege Diskussion

In der anschließenden Diskussion bestand keine Einigkeit darüber, ob eine gesetzliche Regelung überhaupt erforderlich ist oder eine Selbstregulierung innerhalb der Forschung auf der Basis der bestehenden Gesetzeslage, wie sie die TMF mit Datenschutzkonzepten und Empfehlungen unterstützt, ausreicht.

Auch blieb offen, ob überhaupt ein einheitliches Biobankgesetz durch den Bund möglich ist oder ob die Länder für einen Teil der Regelungen zuständig sind, was zu einer erheblichen Rechtszersplitterung führen würde.   (Fl)


INFO
Expertengespräch
Weitere Informationen zum Expertengespräch unter
http://www.ethikrat.org/veranstaltungen/weitere-veranstaltungen/regelungsbedarf-fuer-forschung-mit-humanbiobanken

TMF
Informationen zur TMF unter http://www.tmf-ev.de.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

- Die Teilnehmer des Podiumsgesprächs diskutierten über die Notwendigkeit eines Biobankgesetzes


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Quelle:
Infobrief Nr. 8 - August 2011 - 02/11, Seite 4 - 5
Informationen und Nachrichten aus dem Deutschen Ethikrat
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2011