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GESUNDHEIT/946: Heilfasten - In Beziehung mit sich selbst kommen (welt der frau)


welt der frau 2/2011 - Die österreichische Frauenzeitschrift

HEILFASTEN
In Beziehung mit sich selbst kommen

Von Susanna Sklenar


Fasten heißt nicht hungern. Und Fasten ist auch keine Diät. Es ist ein Prozess der Besinnung auf Wesentliches, eine Zeit der innigen Kontaktaufnahme und reinigenden Beschäftigung mit sich selbst. Und das heißt auch: mit allen Sinnen spüren, wie leicht das Leben sein kann.


"Immer dann, wenn wir nicht in Beziehung mit uns selbst sind, sind wir verführbar", erklärt Allgemeinmediziner, Psychotherapeut und Heilfasten-Spezialist Mag. Dr. Hans Wögerbauer. Das gilt für alle Lebensbereiche und -themen, von der Karriere über Heißhungergefühle bis zur Beziehungsgestaltung. Dr. Wögerbauer: "Heilfasten bietet die Möglichkeit, mit mir wieder in Kontakt zu kommen. Der Weg ist dabei so individuell wie die Menschen selbst." Um (wieder) vom bloßen Funktionieren in Beziehung zu kommen, braucht es jedenfalls gewisse Regeln. Und diese gehören zum Heilfasten dazu, so der Mediziner. "Wer hingegen bereits in Beziehung mit sich selbst ist, wer in Beziehung mit dem Partner ist, braucht keine Regeln - das spürt man zum Beispiel ganz deutlich, wenn man verliebt ist."

So biete Heilfasten nicht nur die Chance zur Selbstbesinnung und inneren Reinigung, sondern auch das (Wieder-)Entdecken der eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. Aus diesem Gefühl wiederum entsteht meist eine Art Euphorie, Leichtigkeit und neue Lebensfreude. Unabhängig von materiellen Dingen. Dr. Wögerbauer: "Menschen, die auf diese Weise wieder in Beziehung mit sich selbst sind, werden auch besonders schön. Schön von innen heraus."


Beweggründe und Fallen

Ob jemand erfolgreich und persönlich "beglückend" fastet, hängt nicht zuletzt von der Motivation ab. Die wichtige Frage zu Beginn lautet daher: "Was ist mein Beweggrund?" Dr. Wögerbauer: "Wer ausschließlich aus Angst fastet - etwa um abzunehmen, damit man wieder attraktiver für den Partner wird, weil man sonst fürchtet, ihn zu verlieren -, wird scheitern oder zumindest zu keinem befriedigenden Ergebnis kommen. Wenn hingegen der Wunsch nach Entwicklung im Vordergrund steht, werden sich positive Ergebnisse und Erkenntnisse wie von selbst einstellen."

Fest steht: Fasten ist kein geeigneter Weg zur Bikinifigur. Der Körper stellt sich sofort auf den Nahrungsmangel ein, der Energiebedarf sinkt. Wer nach der Fastenzeit also wieder wie gewohnt isst, kann kurzfristig sogar leichter zunehmen als vorher. "Fasten ist nur dann ein guter Einstieg ins Abnehmen, wenn auch die Ernährungsgewohnheiten grundlegend verändert werden", so Dr. Hans Wögerbauer.

Außer Zweifel steht jedenfalls, dass nicht nur unser Körper, sondern auch Geist und Seele regelmäßig Regeneration benötigen - eine Zeit des Rückzugs und der Stille, die den Kopf und das Herz wieder frei macht für das Wichtige und Wesentliche im Leben. Für beides ist Fasten eine probate Strategie. Immerhin stehen uns 30 Prozent mehr Energie zur Verfügung, wenn die Verdauungsarbeit entfällt. Energie, die Körper, Geist und Seele für intensive Heilarbeit und "Reinigung" nutzen können. Denn bei freiwilligem Fasten stellt der Körper - anders als bei unfreiwilligem Nahrungsmangel - schnell und quasi automatisch auf Energiebereitstellung von innen um. Und produziert gleichzeitig jene "Glückshormone" und körpereigenen "Opiate", die dafür sorgen, dass Fastende fast ekstatische Momente des Wohlbefindens, aber auch der geistigen Klarheit erleben. Um diese Effekte zu erreichen, stehen Fastenwilligen mehrere Alternativen zur Verfügung, wobei grundsätzlich zwischen "Heilfasten" und "Fasten für Gesunde" unterschieden wird.

(Klinisches) Heilfasten
Die naturmedizinische Heilbehandlung wird in Kliniken und Kuranstalten unter ärztlicher Betreuung durchgeführt, meist über einen Zeitraum von einer bis zu mehreren Wochen.

F.-X.-Mayr-Kur
Die klassische Milch-Semmel-Kur, heute meist in modifizierter bzw. deutlich erweiterter Form angeboten, erstreckt sich im Normalfall über mehrere Wochen und sollte ärztlich betreut werden, da regelmäßige Bauchmassagen Teil des Kurprogramms sind.

Suppen-, Saft- und Teefasten
Meist nach Lützner bzw. Buchinger, wobei auf feste Nahrungsmittel komplett verzichtet wird. Gesunde können diese Form des Fastens eine Woche lang auch im Alleingang durchführen, wobei ein Check-up bei der Hausärztin, beim Hausarzt vor Antritt der Fastenzeit empfehlenswert ist. Wer länger fasten möchte (erfahrene FasterInnen tun das bis zu drei Wochen), sollte das in jedem Fall unter Anleitung bzw. Aufsicht einer/eines geprüften FastenleiterIn und/oder Ärztin/Arztes tun.

Rohkost- und Früchtefasten
Sobald feste Nahrungsmittel aufgenommen werden und damit die Verdauung in Gang kommt, handelt es sich nicht mehr wirklich um Fasten, sondern um eine Diät - allerdings meist mit stark reduzierter Kalorienaufnahme und vielen Elementen aus dem "Fasten für Gesunde" nach Lützner.

Alternative Fastenmethoden
Eher zu den Außenseitervarianten zählen das Fasten nach Hildegard von Bingen, Schleim- und Molkefasten sowie Rohsaftfasten nach Heun. Zunehmend angeboten werden auch asiatische Varianten wie zum Beispiel das Fasten nach ayurvedischen Grundsätzen.


Typgerechtes Fasten?

Wie bei Ernährungsplan-Umstellungen oder Sporteinstiegen gibt es auch bei Fastenprogrammen Menschen, die sich besonders leicht, und solche, die sich mit den Regeln besonders schwer tun. Manche WissenschafterInnen gehen sogar davon aus, dass der positive Effekt einer Fastenkur davon abhängt, ob die Methode mit dem Naturell übereinstimmt. Nach Ansicht von Dr. Wögerbauer muss ein Fastenplan jedenfalls ins individuelle Leben integrierbar sein. Für den einen mag es sinnvoll sein, sich drei Wochen Auszeit für eine Fastenkur in einem Kloster zu nehmen, für eine berufstätige Mutter lässt sich vermutlich ein ambulant begleitetes Fasten leichter durchführen. "Fasten kann bereits darin bestehen, jeden Tag bewusst um 21 Uhr zu Bett zu gehen, sich auch zwischendurch Ruhepausen zu gönnen, auf Fernsehen, Computer und andere Medien, die sonst viel Ablenkung bieten, zu verzichten. Oder auf Kaffee, auf Süßes und Fettes." Ein wichtiger Hinweis des Mediziners lautet übrigens: "Fasten sollte etwas Evolutives sein, eine Entwicklung. Viele Menschen betreiben es jedoch wie eine Revolution." Und kehren danach zu ihren belastenden Mustern und Lebensweisen zurück. Wer jedoch lernt, sich wieder zu spüren, die eigenen Möglichkeiten reflektiert und sich für Neues öffnet, erlebt Entwicklung und spirituelle Heilung. Und kann den wahrhaftigen Weg des Fastens nehmen, der einen jedenfalls weg von engen Gedanken führt. Hin zum inneren Frieden.


Loslösen - loslassen

Der entscheidende Faktor, der die meisten Fastenden zu WiederholungstäterInnen werden lässt, liegt daher nicht allein im körperlichen, sondern im geistig-seelischen Gewinn einer Fastenkur - wobei umso nachhaltigere Erfolge erzielt werden, je positiver die innere Einstellung und Erwartungshaltung sind.

Besinnung
Die Stichworte heißen "Einkehr" und "Besinnung" - auf das, was nötig, und das, was unnötig ist. Auf das, was wir krampfhaft festhalten, obwohl wir es vielleicht längst loslassen könnten, und auf das, was wir ersehnen, ohne genau zu wissen, ob es uns gut täte, wenn wir es erhielten. Nicht umsonst meinte Mahatma Gandhi, der oft und lange fastete: "Die Fastenzeiten sind Teil meines Wesens. Ich kann auf sie ebenso wenig verzichten wie auf meine Augen. Was die Augen für die äußere Welt sind, das ist das Fasten für die innere."

Ent-Lastung
So gesehen sind gewisse Rituale wie Saftpressen oder Suppenlöffeln primär psychologische Helfer, die es unserem verwöhnten Körper und reizüberfüllten Geist leichter machen, über die ersten Fastentage zu kommen. Letztendlich geht es dabei um den tief verwurzelten Wunsch, Lasten abzuwerfen - sei es nun in Form von "Schlacken" oder von "Seelenmüll". Fasten kann man immer wieder, und jedes Mal passiert dabei ein kleines Wunder - frei nach Hermann Hesse, der meinte: "Jeder kann zaubern, jeder kann seine Ziele erreichen, wenn er denken kann, wenn er warten kann, wenn er fasten kann."


Dr. Hans Wögerbauer ist Spezialist für Heilfasten.


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Quelle:
welt der frau - Die österreichische Frauenzeitschrift, Februar 2011, Seite 51-52
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und der Autorin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2011