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RAUCHEN/525: Deutsche Langzeitstudie bestätigt - Raucher verlieren früher ihre Zähne (idw)


Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke - 14.09.2015

Deutsche Langzeitstudie bestätigt: Raucher verlieren früher ihre Zähne


Potsdam-Rehbrücke - Wie eine große Langzeitstudie (EPIC*-Potsdam) des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) unter Leitung von Heiner Boeing nun zeigt, haben Raucher ein deutlich höheres Risiko als Nichtraucher, ihre Zähne bereits in jungen Jahren zu verlieren. Die gute Nachricht ist: Menschen, die mit dem Rauchen aufhören, können ihr Risikoniveau bereits schon nach kurzer Zeit verringern und schließlich auf das einer Person senken, die niemals geraucht hat. "Letzteres kann allerdings über 10 Jahre dauern", sagt Erstautor Thomas Dietrich von der Universität Birmingham, UK.

Das Wissenschaftlerteam um Heiner Boeing und Kolade Oluwagbemigun vom DIfE und dem Epidemiologen und Oralchirurgen Thomas Dietrich veröffentlichte seine Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Journal of Dental Research (Dietrich, T. et al., 2015; DOI: 10.1177/0022034515598961;
http://jdr.sagepub.com/content/early/2015/08/03/0022034515598961.abstract).

Zahnlosigkeit ist weltweit immer noch eins der großen Gesundheitsprobleme, die es zu lösen gilt. In Deutschland sind über 20 Prozent der Menschen im Alter zwischen 65 und 74 Jahren betroffen. Untersuchungen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass auch Rauchen das Risiko für einen frühzeitigen Zahnausfall erhöht.

Die neuen Ergebnisse der Potsdamer EPIC-Studie, die auf Daten von 23.376 männlichen und weiblichen Studienteilnehmern basieren, untermauern nun diese Befunde. Die Studie ist die erste große deutsche, prospektive Langzeitbeobachtungsstudie, die den Zusammenhang zwischen Rauchen, Raucherentwöhnung und Zahnausfall in drei verschiedenen Altersgruppen** untersucht hat.

Im Vergleich zu Studienteilnehmern, die nie geraucht haben, hatten weibliche bzw. männliche Raucher ein bis zu 2,5- bzw. 3,6-fach erhöhtes Risiko, ihre Zähne vorzeitig zu verlieren und dies unabhängig von anderen Risikofaktoren wie zum Beispiel Diabetes. Der Zusammenhang war bei jüngeren Personen stärker ausgeprägt als bei älteren. Zudem beobachteten die Wissenschaftler, dass die ermittelten Risikobeziehungen dosisabhängig waren. Starke Raucher, die mehr als 15 Zigaretten pro Tag konsumierten, hatten ein höheres Risiko, als diejenigen, die weniger rauchten.

"Man verliert seine Zähne hauptsächlich als Folge von Karies oder Parodontitis. Wir wissen zudem, dass Rauchen einer der Hauptrisikofaktoren für Parodontitis ist. Daher ist der beobachtete Zusammenhang zwischen Rauchen und Zahnverlust sicherlich primär durch ein erhöhtes Auftreten der Parodontitis bei Rauchern zu erklären", sagt Co-Autor Kolade Oluwagbemigun. "Zahnfleischentzündungen bei Rauchern lassen sich somit auch als erstes greifbares Warnsignal sehen, das darauf hinweist, dass die Gesundheit durch den Tabakkonsum bereits stark geschädigt ist. Unglücklicherweise maskiert Rauchen Zahnfleischbluten - eines der wenigen Symptome einer Parodontitis. Hierdurch kann das Zahnfleisch bei Rauchern gesünder erscheinen, als es tatsächlich ist. Dies sollten Raucher aber auch Zahnärzte berücksichtigen", ergänzt Erstautor Thomas Dietrich. "Inwieweit Rauchen auch mit einem erhöhten Kariesrisiko assoziiert ist, ist noch nicht endgültig geklärt", so Dietrich weiter.

"Auch wenn die genauen Ursachen für den von uns beobachteten Zusammenhang noch nicht geklärt sind, erscheint es aber bereits schon heute mehr als sinnvoll, Menschen davon zu überzeugen, Nichtraucher zu bleiben oder es jetzt zu werden. Rauchen verkürzt die Lebenszeit. Nicht zu rauchen ist gut für Lunge und Gefäße und führt nach unseren Erkenntnissen auch zu einer guten Zahngesundheit bis ins hohe Alter", sagt Heiner Boeing.


Hintergrundinformationen:

* EPIC steht für European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. Sie ist eine der größten prospektiven ("vorausschauenden") Studien, welche die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes untersucht, wobei sie auch den Lebensstil berücksichtigt. An der EPIC-Studie sind zehn europäische Länder mit insgesamt 519.000 weiblichen und männlichen Studienteilnehmern im Erwachsenenalter beteiligt. In Deutschland gehören das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg sowie das DIfE zu den EPIC-Studienzentren. Die Potsdamer EPIC-Teilstudie schließt mehr als 27.500 erwachsene Studienteilnehmer/innen ein und wird von Prof. Heiner Boeing geleitet. Bei der Auswertung einer prospektiven Studie ist es wichtig, dass die Teilnehmer zu Beginn der Studie noch nicht an der zu untersuchenden Krankheit leiden. Die Risikofaktoren für eine bestimmte Erkrankung lassen sich so vor ihrem Entstehen erfassen, wodurch eine Verfälschung der Daten durch die Erkrankung weitestgehend verhindert werden kann - ein entscheidender Vorteil gegenüber retrospektiven Studien.

** Die Studienteilnehmer waren in drei Altersgruppen eingeteilt: Gruppe 1: Personen unter 50 Jahren; Gruppe 2: Personen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren; Gruppe 3: Personen im Alter zwischen 60 und 70 Jahren.

*** Parodontitis, früher auch Parodontose genannt, ist eine Entzündung des Zahnbetts, die durch den Abbau des Alveolarknochen gekennzeichnet ist und schliesslich zu Zahnlockerung und Zahnverlust führen kann.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Mehr unter
www.dzd-ev.de

Die Leibniz-Gemeinschaft vereint 89 Einrichtungen, die anwendungsbezogene Grundlagenforschung betreiben und wissenschaftliche Infrastruktur bereitstellen. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Einrichtungen rund 18.100 Menschen - darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - bei einem Jahresetat von insgesamt knapp 1,64 Milliarden Euro. Die Leibniz-Gemeinschaft zeichnet sich durch die Vielfalt der in den Einrichtungen bearbeiteten Themen und Disziplinen aus. Die Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft bewahren und erforschen das natürliche und kulturelle Erbe. Darüber hinaus sind sie Schaufenster der Forschung, Orte des Lernens und der Faszination für die Wissenschaft. Mehr unter
www.leibniz-gemeinschaft.de

Kontakt:

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Thomas Dietrich
MPH, FDSRCS (Engl.)
School of Dentistry
University of Birmingham
St Chad's Queensway
Birmingham
B4 6NN
E-Mail: t.dietrich@bham.ac.uk

apl. Prof. Dr. Heiner Boeing
Leiter der Abteilung Epidemiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
E-Mail: boeing@dife.de

Kolade Oluwagbemigun
Abteilung Epidemiologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116
14558 Nuthetal
E-Mail:kolade.oluwagbemigun@dife.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dife.de/forschung/abteilungen/kurzprofil.php?abt=EPI
Link zur Abteilung Epidemiologie am DIfE

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution166

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke, Dr. Gisela Olias, 14.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2015

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