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FORSCHUNG/2271: Neuer Therapie-Ansatz für Mukoviszidose? Studie wirft Lehrmeinung über den Haufen (idw)


Westfaelische Wilhelms-Universität Münster - 31.08.2010

Neuer Therapie-Ansatz für Mukoviszidose?

Studie über Hyaluronsäure wirft Lehrmeinung über den Haufen


Münster (mfm/tw) - Zäher Schleim in den Atemwegen: Mukoviszidose, eine unheilbare Stoffwechselkrankheit, führt zu einem geringen Wassergehalt im Bronchialsekret. Eines von 2000 Neugeborenen in Deutschland erbt die Krankheit, insgesamt sind hierzulande rund 8000 Menschen betroffen. Damit gehört Mukoviszidose zu den häufigen Erbkrankheiten - aber die Lehrbucherklärung für die Symptome ist falsch. Das zeigen neue Forschungen von Wissenschaftlern der Universität Münster (WWU).

Chronisches Husten, häufige Lungenentzündungen, Sauerstoffmangel, Atemnot - die Liste der Probleme allein mit den Atemwegen ist lang. Betroffen durch den Wassermangel sind auch die Sekrete der Bauchspeicheldrüse, der Schweißdrüsen, des Dünndarms und der Leber; das kann unter anderem zu Diabetes mellitus, chronischem Durchfall, Verdauungsstörungen, Leberzirrhosen und Gallensteinen führen. Früher erreichten die Betroffenen selten das Erwachsenenalter, inzwischen sieht es besser aus: Wer heute mit der Krankheit auf die Welt kommt, wird nach aktuellen Schätzungen durchschnittlich fast 50 Jahre alt werden. Bei schwerem Krankheitsverlauf brauchen viele Patienten dennoch schon mit 20 oder 25 Jahren eine Herz-Lungen-Transplantation. Vielleicht lässt sich die Mukoviszidose schon bald besser behandeln - die Erkenntnisse der Wissenschaftler aus Münster und ihrer Hamburger Kollegen haben den Grundstein dafür gelegt.

"Es ist klar, wo die Ursachen der Krankheit liegen", erläutert Dr. Tobias Schulz vom Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie an der Medizinischen Fakultät der WWU: "Mutationen auf dem langen Arm des Chromosoms 7 verhindern, dass ein bestimmtes Protein richtig gebildet wird." Betroffen ist ein Chlorid-Kanal (CFTR), ein Protein in der Zellmembran, das für Chlorid-Ionen durchlässig ist. Falsch sind laut Studie die Schlussfolgerungen, die bisher gezogen worden sind. Chlorid-Ionen binden Wasser; es wurde angenommen, dass dieses Wasser für die Sekret-Bildung fehlt, weil es die Zelle nicht durch Kanal-Proteine verlassen kann. Die Folge: zäher Schleim, in dem Bakterien siedeln, die dann chronische Infektionen verursachen.

Tatsächlich haben die Chlorid-Kanäle aber eine Doppelfunktion. "Wir konnten herausfinden, dass die Chlorid-Kanäle auch von der Hyaluronsäure passiert werden können", so Schulz. "Das ist überraschend. Tatsächlich gehören diese Moleküle zu den größten im menschlichen Körper - und binden sehr viel mehr Wasser als Chlorid-Ionen." Das Fehlen des Hyaluronsäure-Exports erklärt so das Entstehen des zähen Schleims.

Auf Grundlage der Ergebnisse haben die Forscher nun einen vielversprechenden Stoff entwickelt. Die Chlorid-Kanal-Proteine werden trotz des mutierten Gens gebildet und sind grundsätzlich auch funktionsfähig. Das Problem ist aber: Weil sich die Proteine in ihrer Struktur leicht vom 'Original' unterscheiden, werden sie in der Zelle abgebaut, bevor sie in der Zellmembran ihre Arbeit aufnehmen können. Mit dem Stoff, der zum Patent angemeldet ist, könnte die Behandlung deutlich verbessert werden, da er den Abbau der Proteine verhindert.

Die münstersche Arbeitsgruppe gehört dem Sonderforschungsbereich 492 an, der sich mit der extrazellulären Matrix befasst und seit mehr als zehn Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Professor Peter Prehm leitet die Hyaluronsäure-Arbeitsgruppe; Schulz hat dort mit den Forschungen seinen Doktortitel erworben. Am Forschungsprojekt waren auch Wissenschaftler des Instituts für Anatomie II am Universitätsklinikum Eppendorf (Hamburg) beteiligt. "Aus Hamburg kommen Maus- und Brustkrebszellen, an denen wir geforscht haben", so Schulz. "In Münster haben wir damit Versuche durchgeführt, bei den Mauszellen etwa das bei Mukoviszidose am häufigsten betroffene Gen 'ausgeknockt'". Die unerwarteten Ergebnisse sind nun in der renommierten Fachzeitschrift "Pathobiology" publiziert worden. Der Weg bis dahin war steinig, so Schulz: "Weil unsere Ergebnisse die Lehrmeinung über den Haufen werfen, hatten wir lange Probleme mit der Annahme des Artikels." Vier Jahre Wartezeit und 21 Absagen anderer Fachmedien gingen der Veröffentlichung voraus.


Studie:
Tobias Schulz, Udo Schumacher, Christian Prante, Wolfgang Sextro, Peter Prehm:
Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator Can Export Hyaluronan
Pathobiology 2010;77:200-209
http://dx.doi.org/10.1159/000295859

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution72


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster
Dr. Christina Heimken, 31.08.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2010