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STUDIE/429: Intensivmedizin - Noch nicht alle Krankenhäuser nutzen Checklisten und Fehlermeldesysteme (DGAI)


Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) - Montag, 5. September 2011

Anästhesisten prüfen klinische Sicherheitsstandards in Berlin-Brandenburg:

Noch nicht alle Krankenhäuser nutzen Checklisten und Fehlermeldesysteme


Berlin - Krankenhäuser im Raum Berlin-Brandenburg setzen zunehmend die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) für mehr Patientensicherheit um. Das ergab eine jetzt veröffentlichte Studie: Mehr als 80 Prozent verwenden Checklisten für Operationen und 60 Prozent benutzen anonyme Fehlermeldesysteme. Jedoch veröffentlicht nur jede fünfte Klinik ihre Ergebnisse in einem Jahresbericht zur Patientensicherheit. Experten der DGAI fordern alle Kliniken in Deutschland auf, die empfohlenen Strategien einzusetzen, um Fehler bei Operationen zu vermeiden.

Die Sicherheit von Patienten bei Operationen unter Anästhesie verbessert sich in Deutschland seit Jahren. In Industrieländern schätzen Experten die anästhesiebedingte Sterberate mit etwa einem von 100 000 Eingriffen als relativ gering ein. Trotzdem könnten Ärzte viele unerwünschte Zwischenfälle im Krankenhaus vermeiden, wenn sie bestimmte Sicherheitsschritte einhalten würden, meint Professor Dr. med. Hugo Van Aken, Generalsekretär der DGAI. "Die DGAI und der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA) empfehlen unter anderem, Checklisten und anonyme Fehlermeldesysteme zu nutzen", so der Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin des Universitätsklinikums Münster. Die Standards für die Sicherheit in der Anästhesie haben DGAI und BDA vor einem Jahr schriftlich in der Helsinki-Deklaration festgehalten.

Wie viele Kliniken die Empfehlungen tatsächlich umsetzen, haben Anästhesisten der DGAI jetzt überprüft. An der Auswertung nahmen 28 Kliniken der Innovationsallianz Berlin-Brandenburg (INABBRA) teil. Demzufolge nutzen 82 Prozent der Kliniken vor Operationen eine Checkliste. Diese fragt einfache Schritte vor einer Operation ab, wie etwa die Identität des Patienten, ob er Allergien hat oder ob eine Antibiotikaprophylaxe notwendig ist. Etwa 60 Prozent der Kliniken erörtern Komplikationen regelmäßig in sogenannten Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen (M+M-Konferenzen). Jede fünfte Klinik veröffentlicht die Ergebnisse daraus in einem Jahresbericht. Auch das anonyme Fehlermeldesystem CIRS (critical incident reporting system) wenden bereits zwei Drittel der Kliniken an: In einem Online-Formular berichten Ärzte und Pflegende über kritische Ereignisse, die einem Patienten einen gesundheitlichen Schaden hätten zufügen können oder zugefügt haben. Von den Anwendern leiten immerhin 80 Prozent ihre Ergebnisse zur Auswertung an Experten weiter.

"Ein offener Umgang mit Fehlern auch über die Klinikgrenzen hinaus ist entscheidend, um die Qualität an deutschen Krankenhäusern zu steigern", so Studienleiter Professor Dr. med. Willehad Boemke von der Klinik für Anästhesiologie der Charité Berlin im Vorfeld des HAI 2011. Denn dadurch könnten auch andere Kliniken aus Fehlern oder Beinahefehlern lernen. Um die Patientensicherheit weiter zu verbessern, fordert Boemke daher mehr Kliniken auf, CIRS in Zukunft nicht mehr nur klinikintern zu nutzen.

Zwar zeigen sich die Initiatoren der Studie zufrieden mit dem Zwischenergebnis. "Checklisten, Fehlermeldesysteme sowie M+M-Konferenzen sollten in naher Zukunft zum Standard in jeder deutschen Klinik gehören", fordert Mitautorin Professor Dr. med. Claudia Spies, Tagungspräsidentin des HAI 2011. "Wir sind uns sicher, dass diese Standards die Anästhesie-Sicherheit entscheidend verbessern."


Quelle:
Balzer et al., Eur J Anaesthesiol. 2011 Jul 22. [Epub ahead of print]:
Patient safety in anaesthesia: assessment of status quo in the Berlin-Brandenburg area, Germany.


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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)
DGAI Pressestelle, Kathrin Gießelmann/Corinna Spirgat
Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart
Telefon: 0711 8931-981
E-Mail: giesselmann@medizinkommunikation.org
Internet: www.dgai.de / www.dac2011.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2011