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UMWELT/601: Klimawandel - Malaria in Deutschland? (Securvital)


Securvital 2/2010 - März/April
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Klimawandel
Malaria in Deutschland?

Von Frank Kürschner-Pelkmann


Mit dem Klimawandel kommen neue Krankheiten. Wissenschaftler fürchten, dass tropische Krankheiten wie das Dengue-Fieber nach Europa vordringen. Auch die Malaria könnte wiederkehren.

Professor Anthony Costello von der Universität London ist ein nüchterner Forscher, der nicht zu Übertreibungen oder Schwarzmalerei neigt. Aber beim Thema Klimawandel warnt er vor den dramatischen Auswirkungen, die auf uns zukommen. »Der Klimawandel ist ein Gesundheitsthema, das Milliarden Menschen angeht«, schrieb Costello in der medizinischen Fachzeitschrift »The Lancet«, und zwar »nicht in einer fernen Zukunft, sondern noch zu unseren Lebzeiten und zu den Lebzeiten unserer Kinder«.

Gegenwärtig sind vor allem arme Länder in tropischen und subtropischen Regionen betroffen. So breitet sich zum Beispiel die Malaria in bisher nicht betroffenen Bergregionen Ostafrikas aus. Aber die Gefahrenzonen dehnen sich immer weiter und immer deutlicher erkennbar in den Norden der Welt aus. Costello und seine Forscherkollegen erwarten, dass »der Klimawandel uns mit einer globalen Gesundheitskrise konfrontiert.«

Auch Deutschland und das übrige Europa werden die gesundheitlichen Risiken spüren. Das Robert-Koch-Institut in Berlin weist auf eine verstärkte Infektionsgefahr aufgrund des Klimawandels hin. Für mache Insekten, die gefährliche Krankheiten übertragen, sei es inzwischen nördlich der Alpen nicht mehr zu kalt. So können sich in Zukunft Krankheiten bei uns ausbreiten, die bisher nur in Entwicklungsländern bekannt sind, fürchtet auch der Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, Thomas Mettenleiter: »Wir werden andere Krankheiten bekommen.«


Auf dem Weg nach Norden

So dehnt sich zum Beispiel das Verbreitungsgebiet des West-Nil-Fiebers schnell aus. Nachdem es bereits in Österreich und Ungarn nachgewiesen wurde, wird es demnächst voraussichtlich auch die Grenze nach Süddeutschland überschreiten. In den USA konnte man beobachten, wie sich diese Krankheit binnen weniger Jahre ausgebreitet hat. Die Krankheit wird durch Stechmücken auf Menschen übertragen und kann Fieber, Muskelschmerzen und Hirnhautentzündungen auslösen. Besonders in Städten, die ohnehin höhere Durchschnittstemperaturen als die umgebenden ländlichen Gebiete aufweisen, ist es in heißen Sommermonaten zu Ausbrüchen der Krankheit gekommen, so in New York und Bukarest.

»Wir werden andere Krankheiten bekommen.«
Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts

Eine wichtige Ursache für die Ausbreitung bisher tropischer Krankheiten ist, dass Mückenarten ihre Lebensräume verschieben. Im vergangenen Herbst wurden Forschungsergebnisse der Universität Zürich bekannt, wonach sich die Asiatische Buschmücke, die den West-Nil-Virus auf Menschen überträgt, bereits auf einer Fläche von 1.400 Quadratkilometern in der Schweiz und im angrenzenden Deutschland verbreitet hat. Ursprünglich war die Mücke ausschließlich in Japan, Korea und China zu Hause.

Die Gelbfiebermücke Aedes aegypti ist bereits wieder in Madeira aufgetreten, nachdem sie vor 50 Jahren unter massivem Einsatz von Insektiziden in Europa ausgerottet worden war. Jetzt kommen die Larven zum Beispiel mit importierten Zierpflanzen zurück und finden dank Klimaerwärmung gute Überlebensmöglichkeiten. Die Aedes aegypti gilt als »hervorragender« Überträger von Dengue oder Gelbfieber. Als besonders gefährlich gilt auch die Asiatische Tigermücke, die seit etwa 20 Jahren in Italien heimisch geworden ist. Da sie tagaktiv ist und viele Menschen sticht, ist das Übertragungsrisiko hoch. Professor Uwe Groß von der Universität Göttingen warnte im »Deutschen Ärzteblatt«: »Die Asiatische Tigermücke ist auf einem globalen Siegeszug.«


Globalisierungsfolgen

Die Globalisierung beschleunigt diesen Prozess, weil Erreger rasch über Tausende Kilometer verschleppt werden. Ein Beispiel ist der importierte Chikungunya-Virus, der vor allem im östlichen und südlichen Afrika sowie in Indien heimisch ist. Er wird von Mückenarten übertragen, die ursprünglich nur in tropischen Regionen der Welt zu finden waren, aber inzwischen auch in Italien aufgetaucht sind. Im Sommer 2007 brachte ein Reisender aus Indien das Chikungunya-Fieber mit nach Norditalien. Übertragen wurde es dort durch die Tigermücke. Etwa 200 Menschen erkrankten, von denen keiner eine Reise in tropische Regionen unternommen hatte. Ähnliche Probleme drohen bei weiter steigenden Durchschnittstemperaturen auch in Deutschland.

Tröstliche Nachricht: Mit einer großflächigen Ausbreitung von Malaria ist bei uns nicht zu rechnen. Neben einer »angenehmen« Temperatur brauchen die übertragenden Mücken auch große Feuchtgebiete und genügend infizierte Personen, um die Krankheit weiterzutragen.

Matthias Niedrig vom Robert-Koch-Institut ist überzeugt: »Eine wirkliche Malaria-Epedimie werden wir in Deutschland nicht bekommen.« Aber das hat auch einen ökologischen Preis: »Sollte sich eine exotische Mücke ausbreiten, werden wir großflächig mit Chemikalien gegen sie vorgehen.« Es ist daran zu erinnern, dass der Kampf gegen die Malaria in Europa vor einem halben Jahrhundert nicht zuletzt durch den großflächigen Einsatz des gesundheitsschädlichen Pestizids DDT gewonnen wurde.

Für Menschen, die unter Pollenallergien leiden, kommen zusätzliche Probleme hinzu. Die Erwärmung führt dazu, dass stark allergene Pflanzen sich auf neue Gebiete ausdehnen (z.B. in Gebirgsregionen und weiter in den Norden) und dass der Pollenflug früher im Jahr beginnt. Die Zeit des Pollenflugs hat sich in Deutschland in den letzten 30 Jahren um 10 bis 12 Tage verlängert. Die Pollensaison droht sich durch zugewanderte Pflanzen auch auf den Herbst auszuweiten. Gefürchtet ist die Ambrosia-Pflanze (»Beifußblättriges Traubenkraut«), die ursprünglich aus Nordamerika stammt und im Spätsommer blüht. Ihre Pollen können heftige Allergien auslösen.


Weitere Informationen

• Landeszentrale für Gesundheit in Bayern: Globaler Klimawandel und Gesundheit. München 2008, 125 Seiten, www.lzg-bayern.de

• Umweltbundesamt: Ratgeber Gesundheitliche Anpassung an den Klimawandel. Dessau 2009, 24 Seiten, www.umweltdaten.de

• Umwelt-Medizinischer Informations-Dienst: Themenheft »Klima und Gesundheit«. Dezember 2009, 56 Seiten, www.umweltbundesamt.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Die asiatische Tigermücke ist in Europa heimisch geworden und überträgt den Gelbfieber-Virus (oben). Übliche Mittel wie Moskito-Netze helfen nur bedingt, denn die Tigermücke sticht auch tagsüber.

In Afrika, wo Malaria in vielen Ländern verbreitet ist, werden Medikamente gegen das Fieber aus Heilpflanzen hergestellt.


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Quelle:
Securvital 2/2010 - März/April Seite 32 - 34
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA GmbH - Gesellschaft zur Entwicklung
alternativer Versicherungskonzepte
Redaktion: Norbert Schnorbach (V.i.S.d.P.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2010