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UMWELT/653: Kein erhöhtes Hirntumorrisiko bei Kindern und Jugendlichen wegen Handys (idw)


Universität Basel - 28.07.2011

Kein erhöhtes Hirntumorrisiko bei Kindern und Jugendlichen wegen Handys


Das Risiko, an einem Hirntumor zu erkranken, ist nicht erhöht, wenn Kinder und Jugendliche mit dem Handy telefonieren. Dies belegt erstmals eine internationale Studie, die von Forschenden des mit der Universität Basel assoziierten Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts zusammen mit Kollegen aus Dänemark, Norwegen und Schweden durchgeführt wurde. Ganz Entwarnung geben können die Studienautoren nicht, da gewisse Unsicherheiten bleiben. Sie fordern deshalb weitere Abklärungen über die Risiken von Handystrahlen auf die Gesundheit. Ihre Forschungsergebnisse sind im amerikanischen Fachmagazin "Journal of the National Cancer Institute" publiziert.

In der Vergangenheit kamen Studien zum Hirntumorrisiko bei Erwachsenen zu widersprüchlichen Resultaten bei Personen, die besonders intensiv mit dem Handy telefonieren. Zudem wurde angenommen, dass Kinder und Jugendliche empfindlicher auf die Mikrowellenstrahlung der Handys reagieren könnten als Erwachsene. Andererseits ist kein biologischer Mechanismus bekannt, wonach schwache Mikrowellenstrahlung von Handys krebserregend sein könnte.

Die Studie

Basis der Studie bildet die internationale Fall-Kontrollstudie CEFALO, die Kinder und Erwachsene mit Gehirntumor in Dänemark, Norwegen, Schweden und der Schweiz erfasst. Von den vier Ländern wurden 352 Kinder und Jugendliche in die Studie eingeschlossen, bei denen zwischen 2004 und 2008 ein Hirntumor diagnostiziert worden war. Der Handygebrauch der Patienten vor der Diagnose wurde mit 646 zufällig ausgewählten Kontrollpersonen gleichen Alters, Geschlechts und Wohnregion verglichen.

Die Resultate

Junge Handynutzerinnen und -nutzer weisen kein erhöhtes Risiko auf, an einem Hirntumor zu erkranken. Das Risiko ist auch fünf Jahre nach der ersten Handynutzung nicht erhöht. Tumore treten nicht häufiger in den Hirnregionen auf, die während eines Telefonats am stärksten durch das Handy bestrahlt werden. Einzig in einer Untergruppe von Studienteilnehmenden, bei denen von den Mobilfunkbetreibern aufgezeichnete Daten zu ihrem Handygebrauch zur Verfügung standen, konnten vereinzelte Zusammenhänge beobachtet werden. Insgesamt lässt das Muster der Resultate jedoch nicht auf einen ursächlichen Zusammenhang mit der Mikrowellenstrahlung schliessen.

Die Interpretation

Die Resultate sind beruhigend angesichts der weltweit intensiven Handynutzung durch Kinder und Jugendliche. Die Stärken der Studien liegen in der hohen Anzahl teilgenommener Patientinnen und Patienten sowie Kontrollpersonen. In allen vier Ländern konnten die meisten Hirntumorpatienten, deren Krankheit während der Studiendauer diagnostiziert wurde, zur Teilnahme bewogen werden. Zudem wurden auch weitere mögliche Risikofaktoren für Hirntumore in der Analyse berücksichtigt.

Dennoch verbleiben gemäss den Autoren Unsicherheiten. Hirntumore sind bei Kindern und Jugendlichen selten und die Handybenützung war bei den Studienteilnehmenden relativ gering. Wie in allen Befragungsstudien ist auch bei der vorliegenden Studie unklar, wie genau die Angaben der Studienteilnehmenden zu ihrem früheren Handygebrauch sind. Wenn die Benützung des Handys jährlich zwei oder mehr zusätzliche Fälle von Hirntumoren pro Jahr und 100'000 Personen verursacht hätte, wäre dies in der Studie entdeckt worden. Ein kleineres Risiko kann jedoch mit dieser Studie nicht ausgeschlossen werden.


Weitere Studien sind gefordert

Weil die Handynutzung bei Kindern und Jungendlichen weltweit sehr verbreitet ist, würde selbst ein kleines Risiko zu einer beträchtlichen Anzahl zusätzlichen Erkrankungen führen. Die Studienautoren betonen deshalb, dass weitere Studien zu den Risiken von Handystrahlung für die Gesundheit wichtig sind. Sie empfehlen, anhand von Krebsregisterdaten kontinuierlich zu prüfen, ob Neuerkrankungen wegen Hirntumoren zunehmen. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf die Hirnregionen zu legen, die durch das Handy am stärksten bestrahlt werden.

Die Finanzierung

Der Schweizer Teil der CEFALO-Studie wurde durch das Bundesamt für Gesundheit, durch den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und durch die Forschungsstiftung Mobilkommunikation finanziert. Der dänische Teil wurde durch den Dänischen Strategischen Forschungsrat unterstützt. Der Norwegische Studienteil wurde durch den Norwegischen Forschungsrat und die schwedische CEFALO-Studie wurde durch den Schwedischen Fonds für Arbeitsleben und Soziale Forschung, die Schwedische Krebsgesellschaft und die Schwedische Strahlenschutzbehörde finanziert.


Weitere Auskünfte
Studienleitung Schweiz:
Prof. Dr. Martin Röösli
Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut
Socinstrasse 57, 4051 Basel
E-Mail: martin.roosli@unibas.ch

Originalbeitrag
Aydin D., Feychting M., Schüz J., Tynes T., Andersen TV., Samsø Schmidt L., Poulsen AH., Johansen C., Prochazka M., Lannering B., Klæboe L., Eggen T., Jenni D., Grotzer M., von der Weid N., Kuehni CE., Röösli M.
Mobile phone use and risk of brain tumours in children and adolescents: a multicenter case-control study (CEFALO)
Journal of the National Cancer Institute
epub ahead of print
doi: 10.1093/jnci/djr244, 2011

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
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Handystrahlen: Wie schädlich sind sie für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen?

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution74


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Basel, lic. phil. Hans Syfrig Fongione, 28.07.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2011