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AUSLAND/1736: Swasiland - Akute Finanzkrise gefährdet Behandlung von AIDS-Infizierten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. August 2011

Swasiland: Akute Finanzkrise gefährdet Behandlung von AIDS-Infizierten

Von Mantoe Phakathi


Mbabane, 11. August (IPS) - Die Wirtschaftskrise in dem südafrikanischen Kleinstaat Swasiland, der die weltweit höchste Rate an HIV-Infektionen verzeichnet, gefährdet die Versorgung der Kranken mit retroviralen Medikamenten (ARVs). Die Vorräte reichen nur noch für knapp drei Monate. Viele Patienten befürchten, dass sich das Land bald keinen Nachschub mehr leisten kann.

Das 'Swaziland National Network of People Living with HIV/AIDS' (Swannepha) appelliert bereits seit Juni an die Regierung, für genügend Medikamente zu sorgen. "Das Gesundheitsministerium hat nicht klar gesagt, ob die Leute, die ARVs brauchen, sie auch künftig erhalten", sagte der Vizepräsident von Swannepha, Vusi Nxumalo. Er reichte dem Direktor des nationalen Krisenrats zu HIV/AIDS (NERCHA) eine Petition ein.

Das Land mit rund 1,4 Millionen Einwohnern steckt in einer schweren Krise, seit die Südafrikanische Zollunion Swasiland die anteiligen Einkünfte um 60 Prozent gekürzt hat. Von diesem Geld war bisher über die Hälfte des nationalen Budgets bestritten worden. Die Bemühungen der Regierung, internationale Darlehen zu erlangen, liefen ins Leere. Das Land steht nämlich in dem Ruf, dass ihm monatlich umgerechnet 11,5 Millionen US-Dollar wegen Korruption verloren gehen.


Sparauflagen nicht erfüllt

Der Antrag auf einen Kredit von 176 Millionen Dollar von der Afrikanischen Entwicklungsbank wurde abgelehnt, nachdem die Regierung mehreren Auflagen des Internationalen Wirtschaftsfonds IWF nicht entsprochen hatte.

Die Forderung, die Bezüge der Staatsbeamten um 4,5 Prozent zu kürzen, wurde nicht erfüllt, nachdem die Gewerkschaften rebelliert und einen Machtwechsel in dem Königreich verlangt hatten. Der als absoluter Monarch herrschende König Mswati III. lässt andere politische Parteien nicht zu.

Ein Einlenken hätte der Regierung allerdings ermöglicht, etwa 35,2 Millionen Dollar jährlich einzusparen. Die Beamtenbezüge machen 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Swasiland liegt damit in der Region an der Spitze.

Die Lage ist inzwischen so brenzlig, dass sich die Regierung wegen eines Darlehens sogar an das Nachbarland Südafrika gewandt hat. Der südafrikanische Gewerkschafts-Dachverband COSATU und die Südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) haben sich jedoch energisch dagegen ausgesprochen. Beide sind Bündnispartner des regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), der ehemaligen Anti-Apartheidsbewegung. COSATU und SACP verlangen von Swasiland politische Reformen. Vorher soll finanzielle Unterstützung nicht in Frage kommen.

Viele staatliche Dienstleistungen in Swasiland können aufgrund der akuten Krise nicht mehr erbracht werden. Die HIV-Infizierten und AIDS-Kranken spüren diese Engpässe besonders stark. Schließlich sind 26 Prozent der 15 bis 49-Jährigen in dem Land mittlerweile mit dem Immunschwäche-Virus infiziert. Nirgendwo sonst auf der Welt ist die Rate höher.

Auch unter Krebs-Patienten macht sich Panik breit, da sie nicht mehr wie bisher zu Chemotherapien und Bestrahlungen in private Kliniken nach Südafrika geschickt werden können. In Swasiland sind solche Behandlungen nicht möglich. Bis jetzt sind bereits mindestens acht Krebskranke gestorben, weil sie die Behandlungskosten von bis zu 3.000 Dollar täglich nicht aus eigener Kraft aufbringen konnten. Nxumalo befürchtet nun, dass AIDS-Kranke bald das gleiche Schicksal erleiden werden.

Lomcebo Dlamini, die nationale Koordinatorin der unabhängigen Vereinigung 'Women and Law' mit Mitgliedern aus sieben Staaten der Region, warnte davor, dass Frauen die Hauptlast der Misere tragen werden. Selbst wenn sie nicht selbst erkrankten, seien sie unmittelbar betroffen, da die Pflege traditionell ihre Aufgabe sei, sagte Dlamini. Besonders hart getroffen sei die weibliche Landbevölkerung, die in bitterarmen Verhältnissen lebe und bereits mit Nahrungsengpässen zu kämpfen habe.


Kuhdung als Nahrungsersatz

Viele AIDS-Kranke haben so wenig zu essen, dass sie Kuhdung verzehren, um die retroviralen Medikamente nicht auf leeren Magen einnehmen zu müssen. Insbesondere in der von Dürre betroffenen Region Lubombo hungern die Menschen, seit ihnen die Behörden aufgrund der leeren Kassen keine Nahrungsmittelhilfe mehr zukommen lassen (kann)[können].

Es werfe ein sehr schlechtes Licht auf die Regierung, wenn Menschen im Land nichts anderes mehr übrig bleibe, als Kuhfladen zu essen, kritisierte Emmanuel Ndlangamandla, der die koordinierende Versammlung der Nichtregierungsorganisationen leitet. "Die Krise bedeutet für die normalen Leute den Tod", sagte er.

Dlamini bringt die Wirtschaftskrise mit dem insgesamt schlechten Regierungsstil des Königs in Verbindung. Der Direktor des nationalen AIDS-Krisenrats, Derrick von Wissel, räumte inzwischen ein, dass die Medikamentenvorräte unter der vorgeschriebenen Grenze lägen. Er betonte jedoch, dass die Regierung zugesichert habe, es werde keinen Mangel an antiretroviralen Präparaten geben.

NERCHA, eine von der Regierung eingesetzte unabhängige Organisation zur Koordination der AIDS-Hilfe, steckt aber selbst in der finanziellen Klemme. Die Regierung ist nicht mehr in der Lage, die zugesagten rund 600.000 Dollar monatlich bereitzustellen. Seit April hat NERCHA von der Regierung keinen Cent mehr erhalten. Rücklagen, die eigentlich für die AIDS-Prävention bestimmt waren, müssen laut von Wissel nun für die Zahlung von Gehältern verwendet werden. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.nercha.org.sz/
http://www.nodo50.org/mujeresred/wlsa.htm
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56607

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2011