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AUSLAND/1771: Mexiko - Kein Verbot für Bisphenol A in Sicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. Dezember 2011

Mexiko:
Kein Verbot für Bisphenol A in Sicht - Föten und Babys besonders gefährdet

von Emilio Godoy


Mexiko-Stadt, 22. Dezember (IPS) - In der Europäischen Union und in Kanada dürfen Plastik-Babyflaschen mit der Chemikalie Bisphenol A nicht mehr hergestellt werden. Trotz offensichtlicher Gesundheitsgefahren unternimmt Mexiko nichts, um dem Beispiel zu folgen.

Die organische Verbindung ist im Kunststoff Polykarbonat zu finden, aus dem Babyflaschen und auch Wasserflaschen, Dosenbeschichtungen, Sportausrüstungen, zahnmedizinische Sealer und Küchenausrüstungen hergestellt werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Chemikalie in Dosennahrung und Getränke eindringt und von den Verbrauchern in geringer Konzentration aufgenommen wird.

Bisphenol A ist ein so genannter endokriner Unterbrecher, der Einfluss auf die Hormone im menschlichen Körper nimmt. Forscher fanden heraus, dass der Wirkstoff die Entwicklung der Organe und Nervensysteme von Föten und Neugeborenen behindert.

Isabel Hernández von dem mexikanischen Wissenschaftszentrum CINVESTAV kritisiert, dass Mexiko nichts gegen die Produktion von Bisphenol A unternimmt. Seit 2010 leitet die Biologin ein Projekt, das die Entwicklung von Eizellen weiblicher Mäuse untersucht, denen Bisphenol A oral verabreicht wird.


Fruchtbarkeit nimmt ab

Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass die Fruchtbarkeit der getesteten Tiere abnimmt. Die Studie, die im Februar 2012 abgeschlossen sein soll, wird im März auf dem Jahrestreffen der Gesellschaft für Toxikologie in San Francisco vorgestellt.

Auch in Ländern wie Brasilien, Costa Rica und der Türkei ist die Verwendung der umstrittenen Substanz, die von Konzernen wie Bayer und Dow Chemicals produziert wird, bereits verboten oder stark eingeschränkt. Experten befürchten, dass Erzeugnisse mit Bisphenol A nun vermehrt in Entwicklungsländer abgesetzt werden, wo die gesundheitlichen Bestimmungen laxer gehandhabt werden.

In Mexiko gibt es bisher nur Vorschriften des Arbeitsministeriums für die Sicherheit an Arbeitsplätzen, an denen mit potenziell gefährlichen Chemikalien hantiert wird oder diese gelagert werden.

In den USA will die Behörde für Lebensmittelüberwachung FDA im kommenden Februar entscheiden, ob die Herstellung von Bisphenol A-haltigen Verpackungen eingeschränkt wird. Der Vorstoß der Umweltbehörde, Bisphenol A und andere Substanzen auf eine Liste bedenklicher Chemikalien zu setzen, wurde allerdings vom Weißen Haus blockiert.

"Bisphenol A sollte verboten werden", meinte Alejandro Calvillo, der Vorsitzende der Verbraucherschutzgruppe 'El Poder del Consumidor'. "Die Chemikalie ist Teil des Cocktails, der uns in Fertignahrung serviert wird. Die Industrie macht uns weis, dass die von den Verbrauchern aufgenommenen Mengen gering sind und keine Risiken darstellen."

Jedes Jahr werden in Mexiko nach Angaben der Industrie mehr als vier Millionen Tonnen Plastik produziert, vor allem in Form von Taschen, Folien und Flaschen. Die Gefahren durch Bisphenol A werden in zwei kürzlich veröffentlichten Studien hervorgehoben. So bestätigt eine im April veröffentlichte Untersuchung der Autonomen Universität von San Luís Potosí, des Wissenschaftlichen und Technologischen Forschungsinstituts von Potosí und der Universität im spanischen Granada, dass in Schnullern, Babyflaschen, Joghurtbechern und mikrowellengeeigneten Behältern mehrere Typen endokriner Unterbrecher zu finden sind.

"Alle untersuchten Gegenstände wurden in Supermärkten im nordmexikanischen Bundesstaat San Luís Potosí gekauft", heißt es in der Studie, die im Bulletin über Umweltverschmutzung und Toxikologie erschien.


Lebensmittel durch Mikrowellengeschirr belastet

Die Autoren warnen die Verbraucher davor, Plastikbehälter zur Aufbewahrung von Lebensmitteln und zum Erhitzen der Speisen in der Mikrowelle zu verwenden. Durch die hohen Temperaturen erhöhe sich das Risiko, dass Bisphenol A in die Nahrung übergehe.

Eine andere Untersuchung, die im Oktober 2010 in der Zeitung für Umweltgesundheit erschien, dokumentiert Spuren von Bisphenol A im Urin schwangerer Frauen im letzten Drittel der Schwangerschaft. In 80 Prozent der Proben wurde die gefährliche Chemikalie entdeckt, wie aus der gemeinsamen Studie des Nationalen Instituts für Gesundheitswesen in Mexiko sowie der Universitäten Harvard und Michigan in den USA hervorgeht. Beteiligt waren außerdem die US-Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention.

"Die Studie erbringt Beweise dafür, dass Frauen, die nach höchstens 37 Wochen Schwangerschaft gebären, eine höhere Konzentration von Bisphenol A im Urin hatten", heißt es in dem Papier.

Im November 2010 hatte allerdings ein von der Weltgesundheitsorganisation WHO und der UN-Ernährungsorganisation FAO einberufener Expertenausschuss entschieden, die Verwendung von Bisphenol A nicht weiter zu reglementieren. Die Experten gaben zur Begründung an, dass die gesundheitsschädlichen Auswirkungen nicht genügend erwiesen seien.
(Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.toxicologia.cinvestav.mx/
http://www.fda.gov/
http://www.epa.gov/
http://www.elpoderdelconsumidor.org/
http://www.springerlink.com/content/b6530571853720t5/fulltext.pdf
http://www.ehjournal.net/content/pdf/1476-069X-9-62.pdf
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=99819
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106265


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2011