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AUSLAND/2051: Indien - Ärzte nach Häufung von Kindstodfällen gegen Fünffach-Impfung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Februar 2014

Indien:
Ärzte nach Häufung von Kindstodfällen gegen Fünffach-Impfung

von Ranjit Devraj


Bild: © Krankenhaus der Heiligen Familie

Ein Säugling in der Intensivstation des Krankenhauses der Heiligen Familie in Neu-Delhi
Bild: © Krankenhaus der Heiligen Familie

Neu-Delhi, 10. Februar (IPS) - In Indien setzen sich führende Kinderärzte für ein Verbot der Fünffach-Impfung gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio und Hib ein. Damit reagieren sie auf Dutzende Fälle von Kindstoden seit der Einführung der Kombinationsimpfung vor mehr als einem Jahr.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind im vergangenen Jahr 54 Säuglinge gestorben, nachdem die Impfung gegen das Stäbchenbakterium Hämophilus influenzae B und Hepatitis B sowie gegen Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus (DPT) im Dezember 2012 in fünf Bundesstaaten angelaufen sind.

Danach kam auf 4.000 immunisierte Säuglinge ein Todesfall, wie Jacob Puliyel, Leiter der Säuglingsstation des St.-Stephen-Krankenhauses in Neu-Delhi, berichtet. Würde ein Geburtsjahrgang von 25 Millionen Babys mit der Fünffach-Impfung behandelt, träten pro Jahr bei 6.250 Babys unerwünschte Ereignisse nach einer Immunisierung (AEFI) auf.

"Wir können die extrem hohe Zahl von Todesfällen, die auf AEFI infolge der Fünffach-Impfung zurückzuführen sind, nicht hinnehmen", meint Puliyel und fügt hinzu, dass die herkömmliche Dreifachimmunisierung DPT besser abgeschnitten habe.

Da sich die Zahlen der AEFI in den verschiedenen indischen Bundesstaaten nicht zuverlässig ermitteln lassen, gehen Kinderärzte von einer höheren Sterberate bei Kleinkindern aus. Sie empfehlen, die Fünffach-Impfung solange zu verbieten, bis die Hintergründe geklärt sind, die zur Einführung der Kombi-Impfung führten.

Im September 2013 ist Yogesh Jain, ein ehemaliger Assistenzprofessor für Kinderheilkunde am 'All India Institute of Medical Sciences' und derzeitiges Mitglied im Planungsausschuss für universelle Gesundheitsentwicklung, vor den Obersten Gerichtshof gezogen, um ein Verbot der Fünffach-Immunisierung zu erreichen.


Expertengremium übergangen

Puliyel zufolge wurde der Wirkstoff nur deshalb in Indien zugelassen, weil die Regierung die an sich für solche Fragen zuständige Nationale Technische Beratungsgruppe für Immunisierung (NTAGI) übergangen hat.

In den meisten Ländern werden Impfstoffe erst dann in die nationalen Programme aufgenommen, wenn sich ein Expertenausschuss mit der Krankheit selbst sowie mit der Sicherheit, Effizienz und der Bezahlbarkeit des Impfstoffs befasst hat. Sind die Ergebnisse zufriedenstellend, wird seine Aufnahme des Serums in die normalen Immunisierungsprogramme in Erwägung gezogen.

"In letzter Zeit empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Impfstoffe, die unabhängig von ihrem Preis-Leistungs-Verhältnis akzeptiert werden", bemängelt Puliyel. "Organisationen wie die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (GAVI) sorgen ebenfalls dafür, dass neue Impfstoffe nach Indien und in andere Entwicklungsländer als Teil substanzieller Geberkredite eingeführt werden."

So sei es inzwischen üblich, dass die Kredite sofort wieder zurückgezogen würden, sobald ein Impfstoff ins Universelle Immunisierungsprogramm (UIP) aufgenommen sei. Die Regierung sähe sich plötzlich auf den Kosten für ein zweifelhaftes und manchmal gefährliches Vakzin sitzen gelassen.

In Indien war es die Regel, dass vor der Aufnahme eines Vakzins ins UIP ein NTAGI-Unterausschuss die verfügbaren Informationen prüfte, Experten konsultierte und dann eine qualifizierte Entscheidung traf. Im Interesse der Transparenz wurden die Protokolle über die Treffen und die Empfehlungen auf der Webseite des Ministeriums hochgeladen.


Knebel für Experten

2013 wurde eine von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung finanzierte Technische Einheit zur Förderung von Impfungen zur Unterstützung der NTAGI-Arbeit eingerichtet. Doch dann kam es unlängst zur Einführung einer vertraulich behandelten Klausel zum Schutz der Interessen der kommerziellen und wissenschaftlichen Forschungsinstitutionen.

"Tatsächlich beschränkt sich die Klausel nicht nur auf Eigentumsfragen. Sie verpflichtet NTAGI-Mitglieder dazu, dass sie zehn Jahre lang, nachdem sie über ein Vakzin entschieden und den Ausschuss verlassen haben, nicht an relevanten Diskussionen teilnehmen, ihre Meinungen äußern oder aber in Entscheidungen eingreifen dürfen", unterstreicht Puliyel.

"Impfseren, die ins UIP eingeführt werden, müssen kosteneffektiv sein und das Krankheitsbild und die Krankheitslast des Landes berücksichtigen anstatt dem Beispiel anderer Staaten zu folgen", erläutert Sumbul Warsi, eine bekannte Kinderärztin und medizinische Leiterin der Klinik der Heiligen Familie.

"Die NTAGI muss ein vollständig unabhängiges Gremium sein, das in der Lage ist, dem äußeren Druck standzuhalten und Transparenz zu gewährleisten", meint sie gegenüber IPS. "Es sieht sehr stark danach aus, als ob es zu Einmischungen in die Verfahren zur Einführung von Vakzinen gekommen ist."

Puliyel betont, dass es Aufgabe der Regierung sei, über diejenigen Impfstoffe zu informieren, die bei Immunisierungskampagnen zum Einsatz kommen sollen. Sämtliche Akteure einschließlich Patientenverbände, Gesundheitsexperten, Forschungsinstitute, Impfstoffproduzenten und Organisationen wie die WHO und GAVI könnten dann ihre Interessen anmelden. Durch eine transparente Verfahrensweise werde sich auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Massenimmunisierungsprogramme wiederherstellen lassen. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/02/doctors-resist-deadly-vaccine/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2014