Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN

AUSLAND/2188: Osteuropa/Zentralasien - Globaler Fonds zur Bekämpfung von Aids, TB und Malaria kürzt Mittel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Dezember 2014

Osteuropa/Zentralasien: Globaler Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria kürzt Mittel - Katastrophale Folgen befürchtet

von Pavol Stracansky


Bild: © G. Pirozzi/UNICEF

Junge vor dem von UNICEF unterstützten Straßenkinderzentrum 'Way Home' in Odessa, Ukraine
Bild: © G. Pirozzi/UNICEF

Kiew, 12. Dezember (IPS) - Soziale Randgruppen und Hilfsorganisationen in Osteuropa und Zentralasien (EECA) rechnen mit dem Schlimmsten, seit der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria seine Zuschüsse für die regionalen Gesundheitsprogramme gekürzt hat. In den EECA nehmen die HIV-Infektionen und Aids-Erkrankungen, anders als in anderen Weltregionen, immer weiter zu. Auch die Ausbreitung multiresistenter TB (MDR-TB) ist dort besonders gravierend.

Seit Jahren sind Programme zur Bekämpfung von HIV/Aids und TB überwiegend oder ganz von Zuschüssen des Globalen Fonds abhängig. In diesem Jahr hat der Fonds jedoch seine Finanzierungsstrategie geändert und orientiert sich an nationalen Einkommensstatistiken. Dadurch werden die Zuwendungen für mehrere EECA-Länder erheblich reduziert.


Regierungen können Finanzierungslücke nicht schließen

Kritiker wenden ein, dass die Kürzungen grundlegende Leistungen für HIV/Aids- sowie Tuberkulose-Patienten - und dadurch auch ihr Leben - gefährden. Viktoria Lintsowa vom Eurasischen Netzwerk von Drogenkonsumenten (Enpud) warnt, dass Regierungen nicht darauf vorbereitet seien, Verantwortung bei der Bekämpfung der HIV/Aids-Epidemie zu übernehmen.

Aktivisten sehen nicht nur die Finanzierung medizinischer Behandlungen, sondern auch Präventionsmaßnahmen auf der Kippe. Die Injektion von Heroin hat sich als hauptsächlicher Faktor für die HIV/Aids-Epidemie in EECA herausgestellt. Das Immunschwächevirus breitet sich zunehmend unter den gesellschaftlich ausgegrenzten Homosexuellen und Prostituierten aus.

Ein ähnlich schwerwiegendes Gesundheitsproblem in der Region ist TB, deren Ausbreitung eng an die HIV/Aids-Epidemie gekoppelt ist. Die Ko-Infektionsraten sind oftmals hoch. In der gesamten Region führen zivilgesellschaftliche Gruppen, die gänzlich von internationalen Hilfsgeldern abhängen, Hilfs- und Präventionsprogramme durch.


Niedrigschwellige Angebote auf der Kippe

Sveta McGill von der internationalen Hilfsorganisation 'Results UK' befürchtet, dass infolge geringerer Gelder aus dem Globalen Fonds viele Kranke nicht versorgt werden. "Gefährdet sind Leistungen, mit denen Nichtregierungsorganisationen Risikogruppen zu Hilfe kommen. Diese niedrigschwelligen Angebote sind wichtig, damit gefährdete Menschen auch weiterhin in Zentren kommen, die sie in Krankenhäuser überweisen können."

Beobachter sehen den Anstieg der HIV-Infektionen in Rumänien in den letzten Jahren als warnendes Beispiel. Ähnliches könnte in anderen EECA-Ländern geschehen, sobald der Globale Fonds seine Zuschüsse zurückfährt. Die für Rumänien bestimmten Gelder des Fonds waren 2010 gestrichen worden. Nach Angaben der Regierung in Bukarest haben die HIV-Infektionen bei Drogenkonsumenten seitdem rasant zugenommen. 2013 wurden etwa 30 Prozent der Neuinfektionen mit der Injektion von Drogen in Verbindung gebracht. 2010 hatte der Anteil bei lediglich drei Prozent gelegen.

Nach dem neuen Finanzmodell (NFM) des Globalen Fonds werden die Zuwendungen für Staaten mit mittleren Einkommen zusammengestrichen. Zu dieser Kategorie werden mittlerweile viele EECA-Länder gerechnet. Gegner der Kürzungen halten es zwar für vernünftig, dass der Globale Fonds angesichts beschränkter Mittel Prioritäten setzt. Statistiken zu nationalen Einkommen ließen aber nicht immer genaue Rückschlüsse darauf zu, inwieweit die Bevölkerung Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen habe oder ob ein Staat tatsächlich über die Mittel für ein adäquates Vorgehen gegen Krankheiten verfüge.


Wachsende Armut in Ländern mit mittleren Einkommen

Studien belegen, dass Krankheitslasten von Ländern mit niedrigen Einkommen zu Staaten mit mittleren Einkommen verschoben werden. Die Armut grassiert demnach vor allem in letzteren Ländern, wo auch der größte Teil der HIV-Infizierten anzutreffen ist. Kürzungsgegnern zufolge ist die Annahme, dass die von den Einsparungen betroffenen Länder die Finanzierungslücken automatisch selber schließen, schlichtweg falsch.

Die Ukraine erscheint als besonders augenfälliges Beispiel eines Landes, das durch das neue Finanzmodell NFM stark benachteiligt wird. Wie aus einem Bericht der 'Open Society Foundation' hervorgeht, werden sich die Mittel des Globalen Fonds für die Ukraine zwischen 2014 und 2015 mehr als halbieren. Damit werden die Zuschüsse für Hilfsmaßnahmen für Drogenkonsumenten um 37 Prozent, für Sexarbeiter um 24 Prozent und für Homosexuelle um 50 Prozent sinken.

Der nationale Etat für HIV-Prävention wurde in der Ukraine während der politischen und wirtschaftlichen Krise in diesem Jahr um 71 Prozent verringert. Lintsowa, die in der Landesmitte lebt, bestätigt, dass es zu viele Einschränkungen bei der Vergabe von Medikamenten gegen TB gibt.


Therapieplätze fehlen

Zudem gebe es kaum Therapieplätze für Opiatsubstitutionsbehandlungen (OST). "Ich kannte zwei Patienten, die während der langen Wartezeit gestorben sind", sagt sie. In ländlichen Regionen fehlen außerdem Zentren, die saubere Injektionsbestecke ausgeben. Und gerade in Kleinstädten ist die HIV-Rate sehr hoch. Dieses Problem ist nur durch eine ausreichende Finanzierung zu lösen.

Gesetze in den einzelnen Staaten erschweren die öffentlichen Verfahren zur Beschaffung von Medikamenten und ziehen sie in die Länge. Dies kann dazu führen, dass die Vorräte an lebenswichtigen Arzneien in manchen Ländern zur Neige gehen.

Wie die Regierungen mit der Kürzung der Zuschüsse des Globalen Fonds umgehen werden, ist bisher unklar. Der Übergang zur nationalen Finanzierung verläuft nicht überall reibungslos. Zudem ist vielfach nicht klar, zu welchem Termin die Finanzierung durch den Fonds auslaufen wird.

Mehr als 20 bekannte Hilfsorganisationen in der Region haben im November einen Brief an den Globalen Fonds geschickt, in dem sie ihre "schweren Bedenken" hinsichtlich der Mittelzuweisungen zum Ausdruck brachten. Sie forderten den Fonds auf, mit lokalen Gruppen und betroffenen Gemeinschaften zusammenzuarbeiten und die Lage in jedem Staat einzeln zu beurteilen. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/12/marginalised-communities-warn-of-aidstb-tragedy-in-eastern-europe-and-central-asia/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. Dezember 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2014


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang