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POLITIK/1855: Rede des Bundesministers für Gesundheit, Hermann Gröhe, am 30.01.2014 in Berlin (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Rede des Bundesministers für Gesundheit, Hermann Gröhe, zur Gesundheitspolitik der Bundesregierung in der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vor dem Deutschen Bundestag am 30. Januar 2014 in Berlin:



Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zum Sozialstaat der Bundesrepublik Deutschland gehört es ganz wesentlich, dass sich alle Menschen in diesem Land darauf verlassen können, dass sie im Falle der Krankheit, der Pflegebedürftigkeit oder eines Unfalls menschliche Zuwendung und qualifizierte Hilfe erfahren. In diesem Zusammenhang möchte ich unterstreichen, was Bundeskanzlerin Angela Merkel in der gestrigen Regierungserklärung formuliert hat: Die Menschlichkeit unserer Gesellschaft muss sich gerade darin erweisen, wie wir mit schwachen und hilfsbedürftigen Menschen umgehen.

Die Bundesrepublik Deutschland verfügt insgesamt über ein leistungsfähiges Gesundheitswesen, das vielen in der Welt als Vorbild dient. Die Politik hat dafür wichtige Rahmenbedingungen geschaffen. Den Rahmen mit Leben füllen aber diejenigen, die in den unterschiedlichsten Berufen im Gesundheitswesen dafür Sorge tragen, dass Kranke und Pflegebedürftige angemessene Unterstützung erfahren: unsere gut ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger, die Hebammen und Therapeuten, die Apothekerinnen und Apotheker, diejenigen, die in Industrie und Handwerk oder der Forschung dazu beitragen, dass unsere Gesundheitsversorgung immer besser wird. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenversicherungen möchte ich nicht vergessen. Schließlich möchte ich - das in ganz besonderer Weise - aber auch diejenigen erwähnen, die als Ehrenamtliche, beispielsweise bei Besuchsdiensten für Kranke oder Pflegebedürftige oder in der Hospizarbeit, Eindrucksvolles leisten, um die menschliche Qualität unseres Gesundheitswesens zu sichern.

Wir schulden all diesen Menschen großen Dank. Wir schulden ihnen für ihren täglichen Einsatz aber auch gute Arbeitsbedingungen.

Sie sind in Ausbildung und Beruf unerlässlich, auch um zukünftig über genügend Fachkräfte - das Thema Fachkräftemangel klang in dieser Debatte schon an - im Gesundheitswesen zu verfügen. Hier wird einer der Schwerpunkte meiner künftigen Arbeit liegen: Wir wollen Menschen für einen Gesundheitsberuf gewinnen, ja begeistern. Unsere Pläne dafür reichen von einer umfassenden Reform der Ausbildung der Pflegekräfte über Maßnahmen der Berufs- und Weiterqualifizierung bis hin zum "Masterplan Medizinstudium 2020".

Unser Gesundheitswesen ist von hoher Qualität. Doch

erstens kann auch Gutes noch besser werden - nicht zuletzt dank des medizinischen Fortschritts -, und

zweitens wird es angesichts der demografischen Entwicklung und des Bevölkerungsrückgangs großer Anstrengungen bedürfen, das hohe Niveau der Versorgung in unserem Land aufrechtzuerhalten, nicht zuletzt in ländlichen Teilen unseres Landes.

Dies aber ist das zentrale Anliegen unserer Gesundheitspolitik: Wir wollen, dass alle Menschen in unserem Land auch zukünftig Zugang zu einer Versorgung von hoher Qualität haben, und zwar unabhängig von ihrem Wohnort und ihrem Geldbeutel.

Das gilt für die Arztpraxis genauso wie für das Krankenhaus; beide sind wesentliche Elemente der Daseinsvorsorge.

Dauerhafte Qualitätssicherung ist ein weiterer Schwerpunkt unserer Politik. Wir können dabei an das hohe Verantwortungsbewusstsein und fachliche Können derjenigen anknüpfen, die in unserem Gesundheitswesen tätig sind. Wir wollen dieses Qualitätsbewusstsein fördern und die Qualität zum Wohle der Patienten und Pflegebedürftigen noch transparenter machen. Wir müssen uns dazu auf taugliche Maßstäbe für die ambulante und die stationäre Versorgung verständigen, auch angesichts des nicht enden wollenden Gelehrtenstreits, der nahezu jedem veröffentlichten Ranking folgt. Zu diesem Zweck werden wir ein neues Qualitätsinstitut schaffen. Es soll dem Gemeinsamen Bundesausschuss Empfehlungen für Maßnahmen zur Qualitätssicherung geben.

Auch die Qualitätsberichte der Krankenhäuser müssen verständlicher werden. Wichtig ist, dass sie auch die Ergebnisse von Patientenbefragungen einbeziehen. Wir werden den Gemeinsamen Bundesausschuss damit beauftragen, entsprechende Vorgaben zu machen.

Nicht nur bei der Behandlung, sondern auch bei der Vermeidung von Krankheiten kommt es auf die Qualität der Maßnahmen an. Bei dem geplanten Präventionsgesetz geht es darum, die Förderung des gesundheitsbewussten Verhaltens eines jeden Einzelnen dadurch zu verbessern, dass entsprechende Maßnahmen in allen Lebensbereichen - von der Kita über die Schule und den Arbeitsplatz bis hinein in die Altenpflege - erstens verstärkt, zweitens besser miteinander verzahnt und schließlich in hoher Qualität erbracht werden.

Zur Qualität im Gesundheitswesen gehört auch - diese Frage wird in diesen Tagen wieder einmal öffentlich diskutiert -, dass die Menschen in angemessener Zeit einen Termin beim Facharzt bekommen. Das gilt für privat wie auch für gesetzlich Versicherte. Zumeist bekommt man einen Termin; überlange Wartezeiten sind aber kein Einzelfall. Daher wollen wir, dass künftig Terminservicestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen helfen, zügig einen Facharzttermin zu erhalten, oder, falls dies nicht möglich ist, eine ambulante Behandlung im Krankenhaus ermöglichen.

Die Ärzteschaft hat auf diesen Vorschlag mit kritischen Einwänden, aber auch mit eigenen Vorschlägen - etwa im Hinblick auf eine differenzierte Überweisungspraxis - reagiert. Ich begrüße, dass damit Handlungsbedarf eingeräumt wird. Ich möchte es einmal so sagen: Wenn die vorgeschlagene differenzierte Überweisungspraxis, die ja im Rahmen der Selbstverwaltung möglich ist, gut funktioniert, dann werden die Terminservicestellen wenig zu tun bekommen. Insofern bin ich gespannt, wie wir da zueinanderfinden.

Ein Thema, das mir persönlich ganz besonders am Herzen liegt, sind die geplanten Verbesserungen im Bereich der Pflege. Gerade bei der Kranken- und Altenpflege leisten die Pflegekräfte nicht selten unter schwierigen Bedingungen Eindrucksvolles zum Wohle der ihnen anvertrauten Menschen.

Oft gehen sie dabei bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit, ja sogar darüber hinaus. Ich selbst habe dies als Vorsitzender der Diakonie in meiner Heimatstadt Neuss über sieben Jahre intensiv miterlebt und dabei prägende Einsichten gewonnen. Ich freue mich daher, dass die Verbesserungen im Pflegebereich erklärtermaßen einen wichtigen Schwerpunkt im Handeln dieser Bundesregierung bilden.

Nach der Erhöhung der Leistungen für Demente und Verbesserungen im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf in der vergangenen Legislaturperiode wollen wir nun die Leistungen für alle Pflegebedürftigen, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte in zwei großen Schritten deutlich verbessern. Hier ist ein echter Kraftakt notwendig und von uns auch in Angriff genommen worden.

In einem ersten Schritt wollen wir die Dynamisierung von Leistungen angehen und mit der Flexibilisierung der Leistungen und einer besseren Personalausstattung dazu beitragen, dass der individuellen Situation eines Pflegebedürftigen besser Rechnung getragen werden kann. Gute Pflege braucht mehr Zeit. Diese berechtigte Forderung der Pflegekräfte wollen wir umsetzen.

Dafür werden wir die Beitragssätze zum 1. Januar 2015 um 0,2 Prozentpunkte erhöhen und damit das Leistungsvolumen um 2,4 Milliarden Euro mehren. Eine weitere Beitragserhöhung um 0,1 Prozentpunkte soll für einen Pflegevorsorgefonds genutzt werden, um dann, wenn die geburtenstarken Jahrgänge ins Pflegealter kommen, eine Beitragssteigerung abzumildern.

In einem zweiten Schritt wollen wir mit einer Beitragssteigerung von noch einmal 0,2 Prozentpunkten unter anderem die erforderliche Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs einleiten. Danach werden pro Jahr fünf Milliarden Euro mehr für Leistungen in der Pflegeversicherung zur Verfügung stehen. Dies bedeutet eine Steigerung des Leistungsvolumens um 20 Prozent. Das ist ein echter Kraftakt.

Wenn wir uns ansehen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten 15 Jahren von 2,5 Millionen auf 3,5 Millionen steigen wird, dann wird völlig klar, dass wir uns sehr anstrengen müssen, ausreichend Fachkräfte für den Pflegeberuf zu gewinnen. Wir wollen mit einer umfassenden Reform der Pflegeausbildung, einer einheitlichen Grundausbildung mit einer anschließenden Spezialisierung in den Bereichen Alten-, Kranken- oder Kinderkrankenpflege, die Möglichkeiten des Berufswechsels im Pflegebereich und die Aufstiegschancen verbessern und so eine Grundlage für ein attraktives Ausbildungsangebot legen, zu dem übrigens auch gehören muss, dass Schulgeld im Bereich der Altenpflege endlich der Vergangenheit angehört.

Ein solidarisches Gesundheitswesen braucht eine verlässliche finanzielle Grundlage. Wir werden deshalb unsere Vorstellungen über die Weiterentwicklung der GKV-Finanzierung, die im Koalitionsvertrag niedergelegt sind, bis Sommer dieses Jahres hier im Parlament beschließen, damit sie zum 1. Januar des nächsten Jahres in Kraft treten können. Wir sichern damit

erstens, dass Arbeitsplätze nicht durch steigende Lohnzusatzkosten gefährdet werden - gute Arbeitsplätze sind Grundlage eines solidarischen Gesundheitswesens -, und

zweitens schaffen wir damit die Voraussetzungen dafür, dass zwischen den Kassen neben dem Wettbewerb über unterschiedliche Beitragssätze auch ein Wettbewerb über eine möglichst effiziente Versorgung der Versicherten entsteht. Auch das sichert Qualität.

Dies gemeinsam mit allen Mitgliedern des Gesundheitsausschusses des Bundestages und des Parlaments insgesamt sowie den Bundesländern anzupacken, ist eine Aufgabe, auf die ich mich sehr freue.

*

Quelle:
Bulletin 09-4 vom 30. Januar 2014
Rede des Bundesministers für Gesundheit, Hermann Gröhe,
zur Gesundheitspolitik der Bundesregierung
in der Aussprache zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin
vor dem Deutschen Bundestag am 30. Januar 2014 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2014