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DEMENZ/321: Wie arbeitet eine Gedächtnissprechstunde? (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 2/17
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Wie arbeitet eine Gedächtnissprechstunde?

von Herlind Megges und Oliver Peters


Wo habe ich nochmal den Schlüssel hingelegt? Wie hieß doch gleich dieser Schauspieler? Was wollte ich noch besorgen? Man vergisst mehr im höheren Alter, aber wie viel Vergessen ist noch normal?

Rund 600 Menschen mit Gedächtnisproblemen wenden sich jährlich an unsere Charité Gedächtnissprechstunde. Diese gibt es an zwei Standorten in Berlin: der eine liegt im Süden, in Steglitz am Campus Benjamin Franklin und der andere im Nordosten auf dem Forschungscampus Berlin-Buch. Die meisten der Patienten, die zu uns kommen, werden vom Haus- oder Facharzt geschickt. Sie sind durchschnittlich 70 Jahre alt und es stellen sich mehr Frauen (59%) als Männer (41%) vor. Die Diagnose, die wir am häufigsten stellen, ist eine Demenz vom Alzheimer-Typ (37%), am zweithäufigsten steht eine Depression (24%) im Vordergrund. Die Unterscheidung zwischen Demenz und Depression zählt zu den wichtigsten diagnostischen Herausforderungen von Gedächtnissprechstunden. Bei beiden Erkrankungen treten Gedächtnisstörungen auf, und eine Depression geht auch häufig mit einer beginnenden Demenz einher.

Ebenso wichtig ist die Einstufung der Gedächtnisstörungen. Beeinträchtigen diese bereits alltagspraktische Fertigkeiten? Oder sind sie nur im leichten Maße ausgeprägt? Dann spricht man von einer leichten kognitiven Störung, mit der etwa 23% vorstellig werden. Außerdem werden die Diagnosen Demenz vom Mischtyp (Alzheimer und vaskulär = gefäßbedingt) (8%) und seltenere Formen, wie die Frontotemporale Demenz oder Lewy-Body-Demenz (weniger als 5%) gestellt. Des Weiteren gibt es auch Menschen mit ausschließlich subjektiven Gedächtnisbeschwerden (7%), bei denen sich die geäußerten Beschwerden nicht innerhalb der standardisierten Gedächtnistests nachweisen lassen.

Wie gestaltet sich der Ablauf der Untersuchungen?

Vor der Terminvergabe erhalten Patienten, die sich telefonisch melden, von uns einen kurzen Fragenbogen zur Erfassung der Beschwerden zugesendet. Dieser Fragebogen ist auch im Internet abrufbar. Wird er ausgefüllt zurückgesendet, so erhält man einen Anruf zur Terminvereinbarung für eine Erstvorstellung, ein sogenanntes Vorgespräch. In der Regel haben wir eine Wartezeit von ca. vier bis acht Wochen. Zum ersten Termin sind Voruntersuchungsergebnisse, wie z.B. eine aktuelle Bildgebung des Kopfes (Magnetresonanztomographie, Computertomographie) oder Laborwerte sowie ein Überweisungsschein mitzubringen. Außerdem ist es sinnvoll eine Bezugsperson (z.B. Partner oder Kind) dabeizuhaben. Insbesondere bei Gedächtnisschwierigkeiten ist eine Fremdeinschätzung wichtig, da man selbst manche Veränderungen nicht so gut wahrnehmen kann.

Das erste Gespräch bei uns wird stets von einem Psychologen oder Gerontologen geführt. Es beinhaltet eine ausführliche Anamnese und einen kurzen Gedächtnistest sowie eine Abklärung der weiteren diagnostisch notwendigen bzw. möglichen Schritte. Die komplette mögliche Diagnostik zur sicheren Diagnosestellung umfasst neben dem Vorgespräch einen ausführlichen Gedächtnistest CERAD (ca. eine Stunde) sowie eine Blutentnahme und Gehirnwasseruntersuchung (Lumbalpunktion) an einem weiteren Termin. Je nach individuellem Abwägen und Auftrag werden einzelne Schritte durchgeführt oder nicht, in einem Zeitraum von in der Regel zwei bis drei Monaten.

Die Diagnosen und therapeutischen Empfehlungen werden nach der Sammlung aller Befunde gemäß den S3-Leitlinien Demenz diskutiert. An der wöchentlich stattfindenden Konsensuskonferenz sind Ärzte, Psychologen, Gerontologen, Neuropsychologen und Biochemiker beteiligt. Der Behandler, welcher das Vorgespräch führte, bespricht schließlich nach durchlaufener Diagnostik im sogenannten Abschlussgespräch die Diagnose und erhobene Befunde sowie therapeutische Empfehlungen, welche auch in einem Abschlussbericht dem überweisenden Arzt mitgeteilt werden. Folgende Punkte können angesprochen werden: Betreuungsverfügung, Pflegegradbeantragung, Autofahren, Ergotherapie, Tagespflege, Wohnformänderung, Umgang mit Demenz, genetische Fragen oder weitere therapeutische Möglichkeiten. Im Rahmen dieses Abschlussgesprächs sind unsere Möglichkeiten zur ausführlichen Beratung begrenzt, wir weisen aber stets auf die Wichtigkeit der weiterführenden Beratung hin und nennen Ansprechpartner und Angebote.

Eine weitere Behandlung in unserer Gedächtnissprechstunde findet meist dann statt, wenn das Interesse und die Möglichkeit zur Teilnahme an Diagnostik-/Präventions- und Behandlungsstudien vorhanden sind. Als Forschungseinrichtung gehört es zu unseren Zielen, neue diagnostische Verfahren und neue medikamentöse Therapien zu entwickeln.

Unser übergeordnetes Ziel ist es, Patienten und Angehörigen Gewissheit in Bezug auf die Einordnung ihrer Beschwerden geben zu können.


Herlind Megges, Gerontologin M. Sc, und PD Dr. med. Oliver Peters, Gedächtnissprechstunde der Charité Berlin


Kontakt:

Zentrale Telefonnummer der Gedächtnissprechstunden in Steglitz und Buch:
030/450 54 00 77

Internet:
https://psychiatrie.charite.de/klinik/module/altersmedizin/gedaechtnissprechstunde/

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 2/17, S. 10 - 11
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
Friedrichstraße 236, 10969 Berlin
Telefon: 030/259 37 95-0, Fax: 030/259 37 95-29
Alzheimer-Telefon: 030/259 37 95-14
E-Mail: info@deutsche-alzheimer.de
Internet: www.deutsche-alzheimer.de
 
Das Alzheimer Info erscheint vierteljährlich.
Jahresabonnement: 12,00 Euro, Einzelheft: 3,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2017

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