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DEMENZ/437: Ernährung - Kochen für und mit Leib und Seele (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 1/2019
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Kochen für und mit Leib und Seele
Ein Verpflegungskonzept für mehr Lebensqualität und Wohlbefinden

von Petra Vollmers-Frevel, Pflegezentrum Haus Monika, Schmallenberg


Lebensqualität fängt mit gutem Essen an! Dieser Herausforderung stellt sich Chefkoch Alexander Braun und bekocht die 99 Bewohnerinnen und Bewohner im Pflegezentrum Haus Monika sowie im Haus Seniorenwohnen im Park - Ein Zuhause für Demenzerkrankte in Bad Fredeburg mit vielen kreativen Ideen. Er setzt nicht nur auf Biofleisch und ökologische Produkte aus heimischer Region, sondern bezieht die Bewohnerinnen und Bewohner auch aktiv die Küchenplanung und den Kochprozess ein.

Am Tisch der gemütlichen Wohnküche sitzen drei Damen mit Kochschürzen und zupfen Blattspinat. Alexander Braun bringt gerade eine Schüssel frisches Wasser. Er hat den Überblick: Heute gibt es gebratene Bachforelle mit glasiertem Blattspinat, Nussbutter und Bratkartoffeln. Die Forellen hat er am Tag zuvor im hauseigenen Park - gemeinsam mit zwei Hausbewohnern - frisch geangelt. Als Dessert stehen Quarkschaum und Bananenmousse mit passierten Brombeeren und frischer Minze auf dem Plan. Am Nachbartisch wird gerade die Bananenmousse zubereitet. Ein älterer Herr paniert am Küchenblock stehend die Forelle. "Ich war schon früher zuständig für die Zubereitung von Fisch oder Fleisch", schmunzelt er.

Gourmet-Kochaktionen mit dem Chefkoch

Die regelmäßig stattfindenden Kochaktionen werden reihum in den Hausgemeinschaften der Häuser Monika und Seniorenwohnen im Park jeweils für sechs bis zehn Personen angeboten. Der gelernte Diätkoch und Küchenmeister Braun weiß, dass neben dem Genuss besonders die Geselligkeit beim Kochen nicht zu kurz kommen darf. So bietet er als Aperitif beispielsweise einen leichten, selbstgemachten Waldmeister-Prosecco an und ist offen für jede Unterhaltung mit den Bewohnern.

Eine besondere Herausforderung ist das Kochen in den Hausgemeinschaften mit Menschen mit Demenz. Viele lieben das Zubereiten von Essen, da sie es von früher gewohnt sind. Es ist Bestandteil des Alltagslebens und trägt zum "Daheimgefühl" bei. Die aktive Beteiligung und das Mitspracherecht stärken das Selbstwertgefühl. Chefkoch Braun weiß: Der Geruch von Gebratenem stimuliert die Sinne. So wird Blutwurst in der Pfanne auf einem alten, mit Holz befeuerten Ofen gebraten. Der Duft lässt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen. Alexander Braun ist Spezialist im Zubereiten von Gerichten aus Großmutters Zeiten - "Stengelkohl" oder "Westfälischer Pillekuchen" sind Themen von Kochevents. Hier werden Erinnerungen an die Kindheit und an alte Rezepte geweckt.

Aber auch aktuelle saisonale kulinarische Ideen werden realisiert: Im Sommer gab es die Aktion "Kochen mit frischem Bergwiesenheu" und im Herbst "Kochen rund um die Martinsgans". Höhepunkt jeder Kochaktion ist die gemeinsame Mahlzeit des selbstzubereiteten Menüs. Komplimente werden ausgetauscht ebenso wie Rezepte und Verbesserungsvorschläge.

Der Bewohner-Wunschessensplan

Während dieser Aktionen ist auch die Idee zur Erstellung eines Lieblingsessensplans entstanden. in den Menüplan wird wöchentlich ein Wunschessen integriert. Die Bewohner bereiten ihr Wunschgericht gemeinsam mit dem Koch und seinem Team in der jeweiligen Hausgemeinschaftsküche zu. Auf individuelle Wünsche wird eingegangen, alle fühlen sich wahrgenommen und bestätigt.

Im hauseigenen Garten wird gemeinsam geerntet

Das Küchenteam verarbeitet Obst und Kräuter aus dem hauseigenen Garten. Auch hier haben die Bewohner viele Möglichkeiten, bei der Ernte mitzuhelfen. Für körperlich eingeschränkte Personen sind Hochbeete angelegt werden.

Eine kreative Küche sorgt mit Projekten für Abwechselung

Auch an Projekten des sozialen Dienstes ist die Küche maßgeblich beteiligt. So war zum Beispiel das Menü zur "50er-Jahre Woche" ein kulinarisches Highlight mit Gerichten wie "Falscher Hase" oder "Toast Hawaii". Beim Projekt "Zuckerbütters und Plundermilch" wurden Gerichte aus früheren "schlechten" Zeiten nach Rezepten und Erinnerungen der Hausbewohner mit einfachsten Mitteln erstellt.

Eine öffentliche Ausstellung mit zusammengetragenen Koch- und Küchenutensilien, Steingut und Porzellan mit Silberbesteck und gestickten Tischdecken aus damaliger Zeit rundete das Projekt ab.

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 1/19, S. 4
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
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Telefon: 030/259 37 95-0, Fax: 030/259 37 95-29
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Internet: www.deutsche-alzheimer.de
 
Das Alzheimer Info erscheint vierteljährlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2019

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