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DEMENZ/501: Große Reform des Betreuungsrechtes ab 2023 (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 4/2022
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Große Reform des Betreuungsrechtes ab 2023

Bärbel Schönhof, Assessorin jur., Bochum


Im kommenden Jahr tritt eine Reform des Betreuungsrechtes in Kraft, die erhebliche Auswirkungen auf die Versorgung von Menschen mit Demenz haben kann. So werden die Vorschriften zur rechtlichen Betreuung im Bürgerlichen Gesetzbuch neu geordnet (bisher ab §§ 1896 ff. BGB, neu ab 2023 §§ 1814 - 1881 BGB). Mit dieser Reform soll das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen weiter gestärkt werden.

Bereits die Instrumentarien, die eine rechtliche Betreuung entbehrlich machen können, sind zum Teil neu und zum Teil spezifischer geregelt.

1. Die Vorsorgevollmacht
Die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Vorsorgevollmacht sind nun erstmals konkreter gesetzlich geregelt. Nach dem neuen § 1814 Abs. 3 Nr. 2 BGB kann eine Vorsorgevollmacht nach wie vor eine rechtliche Betreuung entbehrlich machen. Verschiedene Voraussetzungen für die Erstellung einer gültigen Vollmacht sind nun im neuen § 1820 BGB geregelt:

• Die Vollmacht ist schriftlich zu verfassen.

• Maßnahmen im Gesundheitsbereich, die mit erheblichen gesundheitlichen Risiken einhergehen, müssen explizit in der Vollmacht erwähnt werden, sofern der/die Bevollmächtigte darüber entscheiden können soll.

• Freiheitsentziehende Maßnahmen und Unterbringung müssen ebenfalls explizit in der Vollmacht erwähnt werden, sofern der/die Bevollmächtigte darüber entscheiden können soll.

• Einwilligungen in ärztliche Zwangsmaßnahmen und die Unterbringung zur Durchführung ärztlicher Zwangsmaßnahmen müssen ebenfalls explizit in der Vollmacht erwähnt werden, sofern der/die Bevollmächtigte darüber entscheiden können soll.

Das Betreuungsgericht kann bei Bestehen einer Vorsorgevollmacht einen so genannten Kontrollbetreuer bestellen, wenn der/die Bevollmächtigte die Vollmacht nicht ordnungsgemäß ausübt und die erkrankte Person sich selbst nicht darum kümmern kann, dass die Vollmacht ordnungsgemäß genutzt wird. In diesem Rahmen kann die Vollmacht auch zeitweise suspendiert werden, so dass sie in dieser Zeit nicht genutzt werden darf.

Es empfiehlt sich, bereits vorhandene Vorsorgevollmachten, die aktuell noch nicht genutzt werden, auf diese Neuerungen zu überprüfen und ggf. zu ergänzen.

2. Geeignete Hilfen und erweiterte Unterstützung zur Vermeidung der Betreuung
Eine rechtliche Betreuung kann ab dem 1. Januar 2023 auch durch andere Unterstützungen vermieden werden (neuer § 1814 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die Vermittlung dieser Alternativen wird als neue Aufgabe der Betreuungsbehörden festgelegt (im neuen Betreuungsorganisationsgesetz, das ebenfalls am 1. Januar 2023 in Kraft tritt). Die Behörde soll Betroffenen mit Betreuungsbedarf, bei denen keine Vorsorgevollmacht besteht, ein Beratungs- und Unterstützungsangebot unterbreiten. Davon umfasst ist auch die Vermittlung von Hilfen, bei denen keine rechtliche Vertretung erforderlich ist. Die Behörde vermittelt dabei Kontakte zu den Unterstützungsangeboten sozialer Hilfesysteme und arbeitet mit den zuständigen Sozialleistungsträgern eng zusammen. In Einzelfällen kann die Betreuungsbehörde diese erweiterte Unterstützung auch durch Behördenmitarbeiter durchführen lassen. Einzelheiten über die Art und den Umfang solcher Hilfen werden durch entsprechende Verwaltungsvorschriften auf Länderebene festgelegt.

3. Das Ehegattennotvertretungsrecht
Bislang war die Rechtslage bei Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnerschaften so, dass diese sich untereinander nur mittels einer Vollmacht vertreten konnten. Ab dem 1. Januar 2023 wird mittels des neuen Ehegattennotvertretungsrechtes (im neuen § 1358 BGB) eine Möglichkeit geschaffen, mit der sich Ehe- und Lebenspartner für eine begrenzte Zeit im Bereich der Gesundheitsfürsorge ohne Vollmacht und rechtliche Betreuung vertreten dürfen.

Dieses gesetzliche Notvertretungsrecht kann dann ausgeübt werden, wenn der/die Partner*in aufgrund von Krankheit seine/ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann. Der/die gesunde Partner*in darf dann Entscheidungen im Gesundheitsbereich und den zwingend notwendigen anschließenden Bereichen (zum Beispiel Krankenhausbehandlungsvertrag, Pflegevertrag etc.) treffen. Das Notvertretungsrecht darf nur zeitlich begrenzt auf sechs Monate ausgeübt werden. Ausgeschlossen ist das Notvertretungsrecht, wenn die erkrankte Person bereits vorher einer anderen Person eine Vollmacht erteilt hat oder einen Wunsch geäußert hat, dass der/die Partner*in das Notvertretungsrecht nicht ausüben darf, oder wenn die Partner getrennt leben.

Das Notvertretungsrecht wird durch eine ärztliche Bestätigung in Gang gesetzt. Darin muss der Zustand des/der Patient*in dargelegt sein, darüber hinaus, dass der/die Partner*in das Notvertretungsrecht ab dem Datum X ausübt, kein Ausschlussgrund besteht und vorher das Notvertretungsrecht noch nicht ausgeübt wurde.

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 4/2022, Seite 11
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
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Die Beratung am Alzheimer-Telefon ist kostenfrei
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Internet: www.deutsche-alzheimer.de
 
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 24. Dezember 2022

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