Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 15.03.2016
Nächster Schritt zur Prävention von Diabetes
Neuherberg, 15. März 2016. Ein Team aus Wissenschaftlern am Helmholtz
Zentrum München konnte in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität
München und dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) im
präklinischen Modell zeigen, dass bestimmte Varianten von Insulin-Bausteinen
zu einer Immuntoleranz führen. Die in "Nature Communications"
veröffentlichten Ergebnisse sind möglicherweise der Schritt zu einer
verbesserten Prävention von Typ-1-Diabetes. Ein Video-Interview mit den
Autoren finden sie hier:
https://vimeo.com/158607336
Typ-1-Diabetes ist mit bundesweit 30.000 Betroffenen die häufigste Stoffwechselkrankheit bei Kindern und Jugendlichen. Um die immer weiter steigenden Zahlen aufzuhalten, forscht die Nachwuchsgruppe "Immunological Tolerance in Type 1 Diabetes" am Institut für Diabetesforschung von Direktorin Prof. Dr. Anette-Gabriele Ziegler an neuen Möglichkeiten, den Ausbruch im Vorfeld zu verhindern.
In der aktuellen Studie untersuchten die Wissenschaftler die Wirkung spezieller Varianten von Insulin-Teilstücken auf das Immunsystem.* "Konkret wollten wir herausfinden, ob wir die schützenden regulatorischen T-Zellen dazu bringen können, eine Toleranz des Körpers gegenüber Insulin zu erzeugen, wenn wir sie mit unseren neuartigen Peptiden in Kontakt bringen", erklärt Gruppen- und Studienleiterin Dr. Carolin Daniel.
Die Studie basiert auf den Ergebnissen, die Daniel bereits vor einigen Jahren am Dana Farber Cancer Institute und der Harvard Medical School im US-amerikanischen Boston erarbeitet hatte. Dort konnte sie zeigen, dass die von ihr optimierten Insulin-Bausteine (Mimetope) deutlich effizienter in der Lage sind, eine Toleranz durch regulatorische T-Zellen gegenüber Insulin auszulösen, als ihre natürlichen Gegenstücke (Epitope). Bei jungen Mäusen führte die Gabe von Insulin-Mimetopen in niedriger Dosierung dazu, dass die Entwicklung von Typ-1-Diabetes komplett verhindert werden konnte.
In der nun veröffentlichten Studie wurde der nächste Schritt gemacht: In einem sogenannten humanisierten Mausmodell, dessen Immunsystem dem des Menschen sehr ähnlich ist, konnten die Wissenschaftler die Ergebnisse bestätigen**. Ein wichtiger Hinweis für die Wirksamkeit der optimierten humanen Insulin-Bausteine.
"In der Tat konnten wir zeigen, dass der neue Impfstoff effizient die regulatorischen T-Zellen stimuliert, die den Angriff des Immunsystems auf die Insulin produzierenden Zellen bremsen", so Erstautorin Isabelle Serr, die im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Studie beteiligt war.
Auf lange Sicht wollen Daniel und ihre Gruppe die Methode für die präventive Behandlung von Kindern mit hohem Risiko für Typ-1-Diabetes weiterentwickeln. "Ein wichtiger Schritt wird sein, die neue Therapie klinisch zu testen, das ist unsere Vision", so Daniel mit Blick auf die Zukunft.
Weitere Informationen
* Bei Typ-1-Diabetes gehen Insulin-produzierende Zellen in den
Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse zu Grunde, da das körpereigene
Immunsystem sie angreift und zerstört (Bildung von Inselautoantikörpern gegen
Strukturen der Betazellen). Dadurch kann die Bauchspeicheldrüse den Körper
nicht mehr ausreichend mit Insulin versorgen. Hat die Zerstörung der
Betazellen ein bestimmtes Maß überschritten, bricht die Erkrankung aus und
aufgrund des Insulinmangels steigen die Blutzuckerwerte.Quelle:
www.Diabetesinformationsdienst-Muenchen.de
** Die Erforschung komplexer biologischer Prozesse erfordert die Durchführung von in vivo Untersuchungen. Hierbei stellt die Maus ein bevorzugtes Versuchsmodell dar. Leider ist die Übertragbarkeit solcher Versuche auf den menschlichen Organismus nicht immer gegeben. So gewinnen Modelle, in denen humane Zellen oder Gewebe in einem Tiermodell untersucht werden können eine zunehmende Bedeutung. Die "humanisierte Maus" stellt ein besonders attraktives Translationsmodell für die Untersuchung von Erkrankungen des Immunsystems dar. Der Nutzen eines solchen Modells hängt jedoch wesentlich von der Fähigkeit ab, das humane Immunsystem zuverlässig nachzustellen. Hierzu werden Mausmodelle verwendet wie das HLA-DQ8 NOD/scid-IL2rgnull Mausmodell, denen ein eigenes murines Immunsystem fehlt. Diese Mausmodelle werden beispielsweise mit humanen hämatopoetischen Stammzellen rekonstituiert und ermöglichen dann ein sehr gutes Anwachsen und die Entwicklung eines humanen Immunsystems zur Untersuchung relevanter Prozesse in vivo.
Original-Publikation:
Serr, I. et al. (2016). Type 1 diabetes vaccine candidates promote human
Foxp3+Treg induction in humanized mice, Nature Communications, DOI:
10.1038/ncomms10991; Link:
http://www.nature.com/ncomms/2016/160315/ncomms10991/full/ncomms10991.html
Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum
für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose,
Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das
Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz
des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum
München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und
medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten
angehören. Das Helmholtz Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für
Diabetesforschung e.V.
www.helmholtz-muenchen.de/
Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als 500
Professorinnen und Professoren, rund 10.000 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern und 39.000 Studierenden eine der forschungsstärksten
Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die
Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und
Medizin, ergänzt um Wirtschafts- und Bildungswissenschaften. Die TUM
handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert
für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in
Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit einem Campus in Singapur
sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking, San Francisco
und Såo Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder
wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006 und
2012 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen
Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands.
www.tum.de
Das Institut für Diabetesforschung (IDF) befasst sich mit der
Entstehung und Prävention von Typ 1 Diabetes und Typ 2 Diabetes als Spätfolge
eines Gestationsdiabetes. Ein vorrangiges Projekt ist die Entwicklung einer
Insulin-Impfung gegen Typ 1 Diabetes. In groß angelegten Langzeitstudien
untersucht das IDF den Zusammenhang von Genen, Umweltfaktoren und
Immunsystem für die Pathogenese von Typ 1 Diabetes. Mit den Daten der
Geburtskohorte BABYDIAB, die 1989 als weltweit erste prospektive
Diabetes-Geburtskohorte etabliert wurde, konnten Risikogene sowie
Antikörperprofile identifiziert werden. Diese lassen Vorhersagen über
Entwicklung und Ausbruch von Typ 1 Diabetes zu und werden die Klassifizierung
und den Diagnosezeitpunkt verändern. Das IDF ist Teil des Helmholtz Diabetes
Center (HDC).
www.helmholtz-muenchen.de/idf
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. (DZD) ist eines der
sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem
Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie
und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen,
integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen,
maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu
leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche
Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für
Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für
Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum
München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das
Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner
an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München
sowie weitere Projektpartner.
www.dzd-ev.de/
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/2016/pressemitteilung/article/32853/index.html
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Susanne Eichacker, 15.03.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 19. März 2016
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