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INFEKTION/1379: Tod für Leben - Der Parasit Leishmania braucht tote Mitstreiter, um das Immunsystem zu überlisten (idw)


Paul-Ehrlich-Institut / Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel - 24.03.2015

Tod für Leben - Der Parasit Leishmania braucht tote Mitstreiter, um das Immunsystem zu überlisten


Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben herausgefunden, wie es Leishmanien, einzelligen Parasiten, gelingt, unser Immunsystem auszutricksen. Hierzu müssen vitale und tote Leishmanien gemeinsam in die Wirtszellen eindringen. Die toten Leishmanien werden in der Zelle über einen Selbstverdauungsmechanismus der Zelle (Autophagozytose) abgebaut. Dadurch wird ein Prozess in Gang gesetzt, der zum Ausbremsen spezifischer Immunzellen (T-Zellen) führt. Über die Forschungsergebnisse berichtet Autophagy in seiner Online-Ausgabe vom 24.03.3015


Bild: © Paul-Ehrlich-Institut

Parasitärer Altruismus inaktiviert unser Immunsystem mittels Autophagie
Bild: © Paul-Ehrlich-Institut

Der menschliche Körper verfügt über ein hoch effizientes Immunsystem, das eindringende Bakterien, Viren oder Parasiten als körperfremd erkennt und abtötet. Leishmanien entziehen sich diesem Mechanismus und können sich vom Immunsystem unerkannt im menschlichen Organismus vermehren. Die Parasiten werden durch Sandmücken übertragen und führen zur Leishmaniose, einer Erkrankung, die vor allem in den Tropen, im Mittelmeerraum und Asien vorkommt. Sandmücken dringen jedoch immer weiter nach Norden vor und wurden inzwischen auch in Deutschland gefunden.

Wieso das Immunsystem nicht in der Lage ist, die Parasiten aufzuhalten, war bisher unklar. Die Forschergruppe des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) um Prof. Ger van Zandbergen, Leiter der Abteilung Immunologie, und Peter Crauwels, ebenfalls Abteilung Immunologie, konnte jetzt nachweisen, dass sich vitale Leishmanien nur dann unerkannt vom Immunsystem in menschlichen Zellen vermehren können, wenn sie in Gesellschaft toter Leishmanien die Zellen infizieren. Eine zentrale Rolle nimmt hierbei ein Prozess ein, der als Autophagozytose bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um einen Selbstverdauungsmechanismus der menschlichen Zelle, der normalerweise dazu dient, für diese in Stresssituationen kurzfristig Energie bereitzustellen, indem Zellbestandteile abgebaut werden. Mit diesem Verdauungsmechanismus können auch Viren, Bakterien oder Fremdeiweiße abgebaut werden.

Die PEI-Forscher haben nun entdeckt, dass Leishmanien über Autophagozytose verdaut werden, es in diesem Fall jedoch der menschlichen Zelle zum Verhängnis wird: Durch die Autophagozytose der Parasiten wird der Abwehrmechanismus des adaptiven (angepassten) Immunsystems gegenüber den Leishmanien ausgeschaltet. Eine weitere Besonderheit: Nur bereits tote Leishmanien können mit der Autophagozytose verdaut werden und dadurch die Immunabwehr überlisten. Gelangen dagegen ausschließlich vitale Leishmanien in die Zelle, bleibt die Hemmung des Immunsystems aus. In diesem Fall werden vermehrt spezifische Immunzellen des Blutes, sogenannte T-Zellen, gebildet, die dafür sorgen, dass die Leishmanien abgetötet werden.

Wie die Forscher weiter herausgefunden haben, beträgt das Verhältnis von toten zu lebendigen Parasiten bei einer Infektion mit Leishmanien in etwa 1:1. Woher aber kommen die toten Leishmanien? Eine denkbare Erklärung: Die Parasiten werden durch Sandmücken übertragen, die nur einmal in der Woche Nahrung zu sich nehmen. Möglicherweise überlebt nur etwa die Hälfte der Parasiten dieses Intervall im Magen der Sandmücke, bevor der vitale und tote Parasiten enthaltende Mageninhalt über den Biss der Sandmücke weitergegeben wird.

Ein weiterer spannender Befund der Forschergruppe: Bei Blutproben von mehr als 80 gesunden Spendern, die noch nie Kontakt mit Leishmanien hatten, ließ sich ausnahmslos die spezifische T-Zell-Antwort gegen Leishmanien nachweisen. Dies widerspricht dem zentralen Postulat der adaptiven Immunantwort, wonach erst nach vorherigem Kontakt mit einem bestimmten Erreger die adaptive Immunantwort mit der Ausbilder spezifischer T-Zellen in Gang gesetzt wird. "Wir finden eine vorhandene Immunabwehr gegen einen Parasiten, mit dem vorher kein Kontakt war", fasst van Zandbergen die überraschenden Befunde zusammen.

Lassen sich die Forschungsergebnisse therapeutisch nutzen? "Autophagie ist nicht nur für Infektionen ein interessanter Reaktionsweg, sondern auch für Tumoren. Es werden derzeit sehr gezielt Wirkstoffe entwickelt, mit denen sich die Autophagie ein- oder ausschalten lässt. Möglicherweise könnten solche Arzneimittel auch wirksam bei Infektionen mit Leishmaniose sein", erklärt van Zandbergen.


Originalpublikation:
Crauwels P, Bohn R, Thomas M, Gottwalt S, Jäckel F, Krämer S, Bank E, Tenzer S, Walther P, Bastian M, van Zandbergen G (2014): Apoptotic-like Leishmania exploit the host's autophagy machinery to reduce T-cell 1 mediated parasite elimination. Autophagy
(DOI:10.1080/15548627.2014.998904)


Weitere Informationen finden Sie unter

http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/15548627.2014.998904?journalCode=kaup20#abstract
Link zum Online-Abstract des Artikels

http://www.pei.de/DE/infos/presse/pressemitteilungen/2015/05-tod-fuer-leben-parasit-leishmania-braucht-tote-mitstreiter-ueberlistung-immunsystem.html;jsessionid=A3B251F09C10091E4D1CF266A63CC2E4.1_cid329
Link zur Pressemitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution430

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Paul-Ehrlich-Institut - Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel
Dr. Susanne Stöcker, 24.03.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2015

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