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LUNGE/279: Chronische Lungenerkrankungen bei Frühgeborenen gezielt erkennen (idw)


Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Abteilung, 08.05.2019

Chronische Lungenerkrankungen bei Frühgeborenen gezielt erkennen


Zu früh geborene Kinder entwickeln oft eine chronische Lungenerkrankung, die Bronchopulmonale Dysplasie. Die Erkrankung lässt sich bislang erst anhand klinischer Symptome und nur wenig differenziert diagnostizieren. Forschende des Helmholtz Zentrums München und des Klinikums der Universität München - Partner im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) - haben deshalb ein neues Protokoll entwickelt, um per Magnetresonanztomographie (MRT) Frühgeborene mit der Erkrankung zu identifizieren. Ihre Ergebnisse wurden in Thorax veröffentlicht.

Rund 15 bis 30 Prozent aller Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1000 Gramm bzw. einem Geburtstermin vor der 32. Schwangerschaftswoche entwickeln eine Bronchopulmonale Dysplasie (1). Die Erkrankung führt je nach Schweregrad zu Lungenfunktionsstörungen, die bis in das Erwachsenenalter reichen und in einigen Fällen zum Tode führen können. "Bis jetzt kann nur sehr spät und wenig differenziert diagnostiziert werden, welches Baby die Lungenerkrankung entwickelt und welches nicht", berichtet Privatdozentin Dr. Anne Hilgendorff. Sie leitet die Arbeitsgruppe "Mechanismen der chronischen Lungenerkrankung bei Neugeborenen" am Institut für Lungenbiologie (ILBD) und am Comprehensive Pneumology Center (CPC) des Helmholtz Zentrums München. Außerdem ist sie Direktorin des Zentrums zur Nachsorge von Früh- und Risikoneugeborenen am Klinikum der Universität München. Hilgendorff: "Spezifische Möglichkeiten zur Beurteilung struktureller Veränderungen der Lungen unter Vermeidung schädlicher Strahlung fehlten bislang, was die individualisierte Behandlung und Nachbeobachtung erschwert hat." Ein neues MRT-Protokoll könne diese Lücke jetzt schließen.

Studie mit 61 Risikopatienten

"Wir haben mit unserem Wissenschaftsteam (2) in enger Zusammenarbeit mit unseren Kollegen im Perinatalzentrum der LMU sowie der Klinik für Radiologie die Untersuchung von 61 Frühgeborenen ausgewertet", berichtet Dr. Kai Förster aus Hilgendorffs Arbeitsgruppe. Alle kleinen Studienteilnehmer waren vor der 32. Schwangerschaftswoche auf die Welt gekommen. Sie atmeten während der Untersuchung, die nahe am Geburtstermin stattfand bereits selbst und konnten im Spontanschlaf im Magnetresonanztomografen (MRT) untersucht werden. Bei der statistischen Auswertung der Bildgebungsdaten zusammen mit dem Institut für Computational Biology (ICB) am Helmholtz Zentrum München gaben erhöhte T2- und erniedrigte T1-Relaxationszeiten (3) im MRT Hinweise auf das Vorliegen einer Bronchopulmonale Dysplasie. "Unsere Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt in Richtung einer verbesserten, bildgebenden Phänotypisierung von Säuglingen mit Krankheitsrisiko", kommentiert Hilgendorff. "Damit werden in Zukunft individuelle Behandlungs- und Überwachungsstrategien möglich." Sie betont, es sei nun wichtig, dass große Perinatalzentren diese Methode einsetzten und gemeinsam auswerteten, um mögliche Subtypen der Bronchopulmonalen Dysplasie zu identifizieren.


Weitere Informationen

(1) Vermutlich entsteht die Bronchopulmonale Dysplasie durch verschiedene Risikofaktoren wie entzündliche Prozesse, Mikroverletzungen durch die Beatmungstherapie und die Toxizität von Sauerstoff-Radikalen, die auf das unreife Lungengewebe einwirken. Langfristig geht damit Gewebe, das für den Gasaustausch wichtig ist, zugrunde und vernarbt.

(2) Zu den Arbeiten haben u.a. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Computational Biology (Helmholtz Zentrum München), der Radiologie (LMU München) und der Pädiatrie/Neonatologie (LMU München) einen entscheidenden Beitrag geleistet.

(3) Magnetresonanztomografen arbeiten nach folgendem Prinzip: Wasserstoffkerne sind mit kleinen Magneten vergleichbar. In einem starken äußeren Magnetfeld orientieren sie sich parallel oder entgegen diesem Feld. Führt man Energie als Energiepuls zu, bekommen fast alle Wasserstoffatomkerne kurzzeitig die gleiche Orientierung. Anschließend geben sie Energie wieder ab und verlieren ihre Ausrichtung. Zwei unabhängige Vorgänge, nämlich die T1- und die T2-Relaxation, beschreiben diesen Vorgang. Röntgenstrahlung wird beim MRT nicht eingesetzt.

Eine ausführliche Multimedia-Reportage zum Projekt von Anne Hilgendorff und Kai Förster finden Sie hier:
https://www.cpc-munich.de/lungenforschung-360/beatmung-von-fruehgeborenen-fluch-und-segen-zugleich/index.html


Originalpublikation:
Förster K et al. (2019), Altered Relaxation Times in Magnetic Resonance Imaging Indicate Bronchopulmonary Dysplasia. Thorax.
DOI: 10.1136/thoraxjnl-2018-212384

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/de/attachment71848
An der ausgeprägten roten Färbung im MRT rechts werden die erhöhten T2-Relaxationszeiten deutlich, die auf eine Bronchopulmonale Dysplasie hinweisen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, Abteilung, 08.05.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2019

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