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AIDS/798: HIV-positive Kinder und Jugendliche ausgegrenzt und diskriminiert (UNICEF)


UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen - Köln, 19.07.2010

HIV-positive Kinder und Jugendliche ausgegrenzt und diskriminiert

- Start der Welt-Aids-Konferenz in Wien
- Neuer UNICEF-Report zu Kindern und Aids in Osteuropa und Zentralasien


In Osteuropa und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion breitet sich nach einer neuen Untersuchung von UNICEF eine verdeckte Aids-Epidemie unter benachteiligten Kindern und Jugendlichen rasant aus. Diese wird durch eine explosive Mischung aus Drogenmissbrauch und sexueller Übertragung unter Heranwachsenden, die am Rande der Gesellschaft leben, vorangetrieben. Die bestehenden Gesundheits- und Aufklärungsprogramme erreichen diese Risikogruppen nicht. Stattdessen werden die betroffenen Kinder und Jugendlichen als delinquent und "asozial" gebrandmarkt. Dies ist Ergebnis des neuen UNICEF-Reports zu Aids und Kindern in Osteuropa und Zentralasien, der heute auf der Welt-Aids-Konferenz in Wien vorgestellt wird.

Als Konsequenz fordert UNICEF einen programmatischen Wechsel in der Gesundheits- und Sozialpolitik im Kampf gegen Aids in der Region. An die Stelle von Schuldzuweisung und Ausgrenzung müssen Hilfe und Verständnis treten. In den 27 Staaten Osteuropas und Zentralasiens leben und arbeiten allein über eine Million Kinder auf der Straße. Schätzungsweise 3,7 Millionen Menschen spritzen Drogen - viele beginnen damit bereits im Jugendalter.

"Kinder und Jugendliche am Rande der Gesellschaft brauchen Zugang zu medizinischer Hilfe und soziale Unterstützung - nicht harsche Ablehnung", sagte Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland. "Nur wenn die Diskriminierung von HIV-positiven Menschen beendet wird, kann die Ausbreitung der Epidemie in Osteuropa und Zentralasien gestoppt werden."


Aids-Gefahr für junge Menschen in Osteuropa und Zentralasien wächst

Nirgendwo auf der Welt steigt laut UNICEF die Rate der HIV-Neuinfektionen so stark an. Seit 2006 verzeichnen zum Beispiel einige Regionen Russlands einen Anstieg um 700 Prozent. Etwa ein Drittel der Neuinfektionen entfallen inzwischen auf Jugendliche und junge Erwachsene; 80 Prozent der Infizierten sind jünger als 30 Jahre. Die UN schätzen die Zahl der HIV-Infizierten in Osteuropa und Zentralasien auf rund 1,5 Millionen - gegenüber 900.000 im Jahr 2001.

Vor allem Heranwachsende am Rande der Gesellschaft sind bedroht: Jugendliche, die ihr ganzes Leben im Heim verbracht haben, Straßenkinder, minderjährige Prostituierte, Drogenabhängige, die oft schon im Jugendalter ihre Hoffnungslosigkeit mit der Spritze betäuben.

Heimkinder:
Die Tradition, Kinder aus schwierigen Familien in staatliche Fürsorgeeinrichtungen zu stecken, ist ungebrochen. Rund 1,3 Millionen Kinder in der Region wachsen in Heimen auf, wo sie nur selten auf ein normales Leben vorbereitet werden. Aus Hoffnungslosigkeit laufen viele fort und landen auf der Straße.

Straßenkinder:
Eine aktuelle Untersuchung in St. Petersburg unter über 300 Straßenkindern ergab, dass 40 Prozent HIV-positiv waren. Ähnlich hohe Raten fand man in Odessa und Donetsk in der Ukraine. Eine von UNICEF zusammen mit Partnern durchgeführte Befragung in der Ukraine unter 800 Kindern und Jugendlichen, die die Hälfte des Tages auf der Straße verbrachten, zeigte, dass 56,7 Prozent der Mädchen sich gelegentlich prostituierten.

Drogenmissbrauch:
Der häufigste HIV-Übertragungsweg sind verseuchte Spritzbestecke. Gerade junge Drogenabhängige achten nicht auf diese Gefahr. Vielfach prostituieren sich die Jungen und Mädchen. Viele Straßenkinder nehmen bereits im Alter von zwölf bis 16 Jahren harte Drogen.

Stigma und Ausgrenzung:
Umfragen zeigen, dass HIV-Infizierte und ihre Angehörigen in Osteuropa und Zentralasien meist als "Außenseiter" oder "Ausgestoßene" und nicht mehr als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft angesehen werden. Die Folge: Viele HIV-Infizierte fürchten das Stigma mehr als den Ausbruch von Aids und verheimlichen ihre Infektion.

Gesundheitseinrichtungen und Sozialbehörden:
Der Gedanke, dass die Aids-Epidemie wirksamer bekämpft werden kann, indem man die Risikogruppen unterstützt, wächst nur langsam. Fehlende Vertraulichkeit führt dazu, dass Hilfebedürftige keine Unterstützung suchen. HIV-positiven Kindern wird regelmäßig der Zugang zu Kindergärten und Schulen verweigert.


UNICEF-Hilfe gegen Aids in Osteuropa und Zentralasien

UNICEF unterstützt in den Staaten der Region Modellprogramme gegen Aids:

Unterstützung für junge Mütter: UNICEF hat in der Ukraine geholfen, eine Reihe von "Mutter-Kind-Zentren" für HIV-positive Mütter einzurichten.
Netzwerke Betroffener: UNICEF arbeitet eng mit Selbsthilfeorganisationen zusammen, die Beratung und Hilfe anbieten.
Beratungsangebote: UNICEF hilft den Behörden und Initiativen, gezielte Angebote für junge Risikogruppen zu entwickeln.
Aufklärung und Information: In Russland unterstützt UNICEF Aufklärungsprogramme in über 2.000 Schulen, Kindergärten und Heimen.
Eltern helfen Eltern: UNICEF fördert den Austausch von Eltern HIV-positiver Kinder und den Aufbau von Selbsthilfenetzwerken.

Der vollständige Report "Blame and Banishment. The underground HIV epidemic affecting children in Eastern Europe and Central Asia" sowie weitere Informationen stehen zum Download auf
www.unicef.de


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Quelle:
UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen
Pressemitteilung vom 19. Juli 2010
Herausgeber: Deutsches Komitee für UNICEF, Pressestelle
Höninger Weg 104, 50969 Köln
Telefon: 0221/936 50-0, Fax: 0221/93 65 02 79
E-Mail: mail@unicef.de
Internet: www.unicef.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2010