Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → MEINUNGEN

DR. BALL/1292: Pflegeheime ... ein teures Warten auf den Tod (SB)


Pflegeheime ... ein teures Warten auf den Tod


Während die Bundesregierung unter Angela Merkel ein Sparprogramm nach dem anderen verabschiedet und das Märchen propagiert, alte Menschen lebten auf Kosten der jungen Generation und müßten aus diesem Grunde auch zur Stabilisierung der defizitären Sozialsysteme herangezogen werden, sieht sich ein wachsender Teil der alten Menschen hierzulande an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Das gilt insbesondere für jene Bundesbürger, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind, weil sie pflegebedürftig wurden. Unlängst warnte Johannes Freiherr Heereman von Zuydtwyck, geschäftsführender Präsident des Malteser Hilfsdienstes e.V. und Vorstandsvorsitzender der Malteser Hilfswerke e.V., daß immer mehr pflegebedürftige Bundesbürger verwahrlosen. Sie vereinsamten und vegetierten unter so schlechten psychosozialen Bedingungen dahin, daß ihr Tod im Elend Programm sei.

Die Lage in den fast 9.200 deutschen Pflegeheimen ist brenzlig. Zwar betreuen und versorgen rund 335.000 Beschäftigte die insgesamt etwa 709.000 Bedürftigen in vollstationärer Dauerpflege, doch herrscht dort aufgrund von Sparmaßnahmen und schlechter Entlohnung ein mehr als angespanntes Betriebsklima: Obgleich in den Jahren 2006 und 2007 in der stationären und teilstationären Pflege 17.000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, sind die meisten Heime weiterhin unterbesetzt, so daß zu viele Überstunden anfallen. Die daraus folgende Überbelastung der Pflegekräfte hat brutale Konsequenzen für die Hilfsbedürftigen.

Das bedeutet jedoch nicht, daß die vollstationäre Heimpflege billig zu haben ist. Im Gegenteil: Für die Unterbringung von Pflegebedürftigen in der höchsten Pflegeklasse III wurden im Durchschnitt 2.766 Euro monatlich berechnet. Kaum günstiger war es für Heiminsassen der Pflegeklasse II. Sie mußten 2.341 Euro im Monat für ihre Unterbringung entrichten. Und selbst Bedürftige der Pflegeklasse I mußten noch im Mittel 1.915 Euro pro Monat an das Pflegeheim zahlen. Das geht aus der aktuellen Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes (Destatis) in Wiesbaden hervor.

Die Pflegeversicherung (PV) bildet neben der Kranken-, Berufsunfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung die "fünfte Säule" des Systems der sozialen Sicherung. Als Träger der Pflegeversicherung fungieren die Pflegekassen, die den Krankenkassen angegliedert sind. Allerdings ist vom Solidargedanken, der ursprünglich diesem System Pate stand, kaum noch etwas zu finden. Das Gegenteil ist der Fall. Wer sich jedoch in die Obhut eines Pflegeheimes begibt, steht binnen kurzem mit leeren Taschen da. Denn die Leistungen der Pflegekassen liegen bei der vollstationären Dauerpflege deutlich unter dem des von den Heimen angemeldeten Bedarfs. So erhalten Heiminsassen der Pflegestufe III 1.470 Euro pro Monat, die der Pflegestufe II 1.279 Euro und die der Pflegestufe I 1.023 Euro. Zur Finanzierung der über diese Sätze hinausgehenden Unterbringungskosten müssen die Betroffenen auf eigene Mittel zurückgreifen.

Auf diese Weise sind Hab und Gut schnell aufgebraucht. Erst wenn die Heiminsassen mittellos sind, greift ihnen die Sozialversicherung unter die Arme und gewährt ihnen ein kleines Taschengeld von 44,30 Euro bis 124,24 Euro pro Monat, damit sie in den Kiosken der Heime Hygienemittel wie Shampoos oder Seifen zu nicht gerade Supermarktpreisen erstehen können. Auch müssen sie davon die Reinigung von Schuhen und Kleidern bezahlen, ebenso wie den meist heiminternen Friseur. Da bleibt nicht viel übrig, um auch noch die Instandhaltung der Schuhe, Kleidung und Wäsche sowie die Beschaffung von Wäsche und Hausrat in kleinerem Umfang finanzieren zu können, für die das Geld ebenfalls gedacht ist. Daß sich Betroffene hierbei regelrecht ausgeraubt fühlen, ist nicht nur verständlich, sondern trifft auch nicht allzusehr daneben.

Und so bleibt ihnen kaum etwas anderes übrig - allein und mittellos, wie sie inzwischen sind -, als auf den Tod zu warten. Schon im Jahr 2000 hatte der Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten e.V. (AID) in einer von ihm angestrengten Untersuchung zum Ernährungsstatus alter Menschen feststellen müssen, daß zwischen 25 und 40 Prozent der Heiminsassen jedes Jahr - nicht zuletzt vor Hunger - sterben.

19. März 2009