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ARTIKEL/383: Arzneimittelimporte - Wie die Sicherheit der Patienten verbessert werden könnte (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Mittwoch, 29. April 2009

Arzneimittelimporte
Wie die Sicherheit der Patienten sichergestellt werden könnte  


fzm - Immer häufiger setzen Ärzte Medikamente aus dem Ausland ein, weil die Mittel in Deutschland nicht verfügbar sind. Sie laufen dabei Gefahr, über Risiken und Nebenwirkungen der Präparate nicht ausreichend informiert zu sein. In der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009) machen Experten Vorschläge, wie die Sicherheit der Patienten verbessert werden könnte - ohne bürokratische Hürden, die im Notfall eine rasche Therapie verhindern würden.

Obwohl in Deutschland eine Vielzahl von Medikamenten zugelassen ist, kann es vorkommen, dass ein Arzt ein gewünschtes Medikament nicht einsetzen kann, weil es noch nicht zugelassen ist oder gerade ein Versorgungsengpass besteht. Oder aber der Hersteller hat es aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt genommen. Dies war beispielsweise Mitte 2005 beim Schweineinsulin der Fall. Damals stellte der letzte Hersteller die Produktion von Insulin ein, das aus den Bauchspeicheldrüsen der Tiere gewonnen wurde. Viele Diabetiker standen vor der Wahl auf gentechnisches Humaninsulin umzusteigen oder Schweineinsulin aus der Schweiz zu beziehen. Auch in der Kinderheilkunde sind Importe keine Seltenheit, teilen die Apothekerin Vanessa Plate und ihre Kollegen vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn mit. Genaue Zahlen gebe es wegen der fehlenden Meldepflicht nicht. Umfragen in Apotheken hätten aber gezeigt, dass Ärzte häufig auf Importmedikamente zurückgreifen.

Einerseits begrüßen die Autoren die Möglichkeit von Arzneimittelimporten, da sie im Einzelfall die Therapie der Patienten sicherstellen kann. Andererseits sehen sie darin eine potenzielle Gefährdung für die Patienten. Denn von möglichen Risiken und Nebenwirkungen der importierten Arzneimittel erfährt der Arzt in der Regel nichts. Wenn ein Medikament wegen der Verunreinigung einer Charge zurückgerufen wird oder wenn der Hersteller einen Warnhinweis verschickt, gehören Ärzte in Deutschland nicht zu den Adressaten. Im schlimmsten Fall behandeln sie ihre Patienten, auch Kinder, weiterhin mit schädlichen Präparaten.

Das Problem ist den Arzneimittelbehörden der einzelnen Länder bewusst, die, wie Frau Plate und ihr Team recherchieren konnten, unterschiedliche Maßnahmen zur Risikominderung ergriffen haben. So verbieten Frankreich und Österreich grundsätzlich alle Importe. Ausnahmen werden nur nach einem zeitaufwändigen bürokratischen Genehmigungsverfahren erteilt. Die Zeitverzögerung von mehreren Wochen ist besonders bei lebenswichtigen Medikamenten problematisch, so die Experten.

In anderen Ländern wie Großbritannien und Irland sind Importe grundsätzlich erlaubt, die Importeure müssen aber die Arzneimittelagentur davon in Kenntnis setzen. In Großbritannien gilt eine 28-tägige Einspruchsfrist der dortigen Arzneimittelbehörde - die bisher niemals in Anspruch genommen wurde. Erst danach dürfen die Patienten behandelt werden. Die Wartefristen verzögern die zeitnahe Versorgung der Patienten, kritisiert Frau Plate.

In Deutschland gilt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Apotheken dürfen Präparate, die in Deutschland nicht erhältlich sind, für einzelne Patienten importieren, sie müssen dies jedoch dokumentieren. Eine Meldung an die Arzneimittelbehörde ist nicht vorgesehen. Für Frau Plate ist dies ein Mangel: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sei über das Ausmaß der Importe nicht informiert. Im Fall eines Chargenrückrufs im Ausland hätte es keine Kenntnis darüber, ob und wie häufig die Medikamente in Deutschland eingesetzt wurden. Frau Plate und Co-Autoren plädieren deshalb dafür, in Deutschland eine Anzeigepflicht einzuführen. Die Meldungen könnten durch den Importeur oder durch den Arzt erfolgen. Das BfArM könnte dann im Fall eines Arzneimittelskandals mit einem Rückruf der nach Deutschland importierten Medikamente reagieren. Das Verfahren hätte außerdem den Vorteil, dass die Bundesbehörde über mögliche Versorgungslücken informiert wäre. Von einer Einspruchsfrist wie in Großbritannien rät die Expertin dagegen ab, weil dies den Therapiebeginn verzögern könne.


V. Plate et al.:
Nicht-zugelassene Arzneimittel: Maßnahmen zur Minimierung der Risiken.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (18): S. 944-948

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Quelle:
FZMedNews - Mittwoch, 29. April 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2009

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