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INITIATIVE/137: Medibüro Kiel - Einsatz für die Benachteiligten (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 1/2, Januar/Februar 2023

Einsatz für die Benachteiligten

von Dirk Schnack


EHRENAMT. Peter Reibisch imponiert es, wenn Menschen einander unterstützen, solidarisch sind und Rücksicht nehmen. Er selbst lebt es vor: Früher als Hausarzt in Kiel-Wellingdorf, seitdem als Unterstützer des Medibüros. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den fast 80-Jährigen kürzlich für sein Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.


Ich wusste seit der Rente: Das ist mein Thema. Peter Reibisch war sich sicher, mit dem ehrenamtlichen Engagement im Medibüro Kiel nach seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Arzt in Kiel-Wellingdorf ein Betätigungsfeld gefunden zu haben, das ihn neben literarischen und künstlerischen Themen ausfüllen würde. Dass dies elf Jahre später noch der Fall sein würde, konnte er damals nicht ahnen. Genauso wenig, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihn Ende 2022 für dieses Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande auszeichnen würde. Beides verleiht dem Kieler Zuversicht:

• Medibüro: Hier erlebt er in Teamarbeit, wie Menschen ohne Papiere geholfen wird. Das Medibüro vermittelt sie anonym an Fachärzte, die unentgeltlich unterstützen. Die Liste mit helfenden Arztpraxen in Kiel umfasst rund 50 Praxen. "Das funktioniert fast immer, auch bei schwierigen Patienten. Auch die Mitarbeiterinnen in den Praxen kennen und unterstützen uns", berichtet Reibisch. Zuversichtlich stimmt ihn in Zusammenhang mit dem Medibüro aber auch, dass die Stadt Kiel im Gesundheitsamt eine halbe Stelle geschaffen hat, die einer Ärztin erlaubt, schwangere Patientinnen ohne Papiere unentgeltlich zu begleiten. "Zuversichtlich stimmt auch, dass wir uns immer wieder über neue Spender freuen können", sagt Reibisch.

• Auszeichnung: Den Bundesverdienstorden an ihn selbst versteht Reibisch stellvertretend für das ganze Medibüro-Team. Zuversicht vermittelt ihm, welche weiteren ehrenamtlichen Engagements der Bundespräsident am gleichen Tag in Berlin ausgezeichnet und Reibisch dadurch kennengelernt hat. Viele von ihnen versuchen ebenfalls erfolgreich, für Menschen in Not u. a. medizinische Hilfe zu organisieren. Insgesamt waren es mit Reibisch 15 Bürgerinnen und Bürger, die Steinmeier in Berlin für deren Einsatz für benachteiligte Menschen auszeichnete.

Reibisch macht es Mut, dass viele Menschen ähnlich denken wie er. Er selbst hat seit Studententagen ein Faible für soziales Engagement, hat im Berufsleben seine Erfüllung in der hausärztlichen Tätigkeit in einem wirtschaftlich schwächeren Viertel der Landeshauptstadt gefunden. Dass es Menschen gibt, die weiterhin neugierig auf die Welt sind, die neue Wege gehen und nicht vor Problemen und Rahmenbedingungen resignieren, macht ihm Hoffnung.

Ärztinnen und Ärzte können nach seiner Erfahrung aus vielen Begegnungen mit Patienten Zuversicht schöpfen. "Wir haben die Möglichkeit, uns lebendig und auf Augenhöhe mit anderen Menschen auszutauschen, sie bei der Suche nach einer Lösung für ein gesundheitliches Problem begleiten und im besten Fall auf einen erfolgreichen Weg bringen", beschreibt er einen der wesentlichen Vorzüge, die die ärztliche Tätigkeit aus seiner Sicht hat. Möglich bleibt dies, wenn man den Menschen als Ganzes, "und nicht nur das Magengeschwür", betrachtet. Reibisch hält dafür die Wissenschaft für unerlässlich, betont aber auch: "Wir können nicht alles rational erklären. Das Leben ist viel mehr als das, was wir statistisch erfassen."

Es stimmt ihn zuversichtlich, dass sich Kollegen bei ihrer Arbeit nicht nach 08/15-Schemata richten, sondern immer wieder dazu lernen wollen und sich auch selbst hinterfragen. Er selbst hat erfahren, wie wohltuend und erfolgreich diese Einstellung von Ärztinnen und Ärzten für Patienten aus seinem direkten familiären Umfeld waren. Er weiß aber auch, wie schwer die Rahmenbedingungen dafür sind, sich diese Einstellung zu bewahren und sie im Alltag umzusetzen. Seine Haltung beschreibt er so: "Gerade da, wo das Umsetzen so schwierig ist, wachsen auch Hoffnungen". Reibisch nennt das "Inseln des guten Miteinanders schaffen". Er sagt: "Man sucht häufiger psychosoziale Zusammenhänge, Selbsthilfegruppen tun gut." Auch die jüngsten Initiativen von Bundesernährungsminister Cem Özdemir, die Ernährungsgewohnheiten gesünder und ökologisch sinnvoller zu gestalten, machen ihm Mut. Positiv sei auch, dass die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens zunehmend infrage gestellt wird. Ob der Gesundheitsminister in der Lage ist, diesen Weg zu ändern, sieht Reibisch eher skeptisch.

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Medibüro Kiel

Die "Medizinische Hilfe für Menschen ohne Papiere" vermittelt anonym qualifizierte medizinische Behandlungen für illegalisierte Menschen. Das Büro am Sophienblatt 64 a hat Sprechstunde am Dienstag von 15:30 bis 17:30 Uhr und ist auf Spenden angewiesen.
Weitere Informationen hierzu:
https://www.medibuero-kiel.de
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 1/2, Januar/Februar 2023
76. Jahrgang, Seite 13
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 24. Februar 2023

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