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POLITIK/107: Sozialpädiatrie - Konkrete Unterstützung von sozial benachteiligten Kindern ... gefordert (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 6/2017

Sozialpädiatrie
"Nur unverbindliche Ratschläge"


Prof. Ute Thyen aus Lübeck fordert konkrete Unterstützung von sozial benachteiligten Kindern, ihren Familien und werdenden Müttern in Deutschland.


Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) fordert ein entschiedeneres gesellschaftliches und staatliches Handeln zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen und ihrer Familien. Die Gesellschaft sieht noch immer einen engen Zusammenhang zwischen der sozialen Schicht, in der ein Kind in Deutschland aufwächst, und seiner Gesundheit. Die bislang hierzu von der Bundesregierung formulierten Maßnahmen reichen nach Ansicht der DGSPJ-Vorsitzenden Prof. Ute Thyen aus Lübeck bei Weitem nicht aus.

"Ich halte den zentralen Plan des Gesundheitsziels, bessere Lebenslagen für werdende Eltern, besonders Mütter und ihre un- und neugeborenen Kinder zu schaffen, für richtig. Dennoch werden nur unverbindliche Ratschläge gegeben, die diejenigen nicht erreichen werden, die am meisten Unterstützung nötig hätten. Schwangere Frauen und Kinder gehören derzeit zu den strukturell am meisten benachteiligten Gruppen in der Gesellschaft", sagte Thyen, die auch Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ist. Sie hält die Verbesserung der mütterlichen Gesundheit und die Minderung von Armutsverhältnissen für die beiden wichtigsten Determinanten für gesundes Aufwachsen. Dafür müsse die Gesellschaft sorgen und staatliches Handeln sollte an diesen Parametern gemessen werden, fordert Thyen.

Konkret setzt sich die DGSPJ für folgende Punkte ein:

  • Kostenfreie Beratung zur Verhütung und kostenfreie Abgabe von Verhütungsmitteln bei allen Teenagern und Frauen, die Unterstützung benötigen, um die Chancen auf eine geplante und bewusste Elternschaft zu erhöhen.
  • Systematische Förderung von Schülern in der Gesundheitserziehung insbesondere im Bereich der sexuellen Entwicklung und des sozialen Zusammenlebens, Förderung der Lebenskompetenzen und der Selbstwirksamkeit. Dies wird nicht über zeitlich begrenzte Programme erreicht, sondern über die Verpflichtung aller Schulen über die Lehrpläne, entsprechende Programme anzubieten, die Qualität der Aktivitäten im Unterricht zu überprüfen und mit ausreichenden Ressourcen und vor allem geeigneten Fachkräften auszustatten. Schwangere Schülerinnen müssen intensiv und nachhaltig unterstützt werden, den Bildungsabschluss zu erreichen.
  • Nachhaltige Betreuung durch Arbeitsmarktberatung, die Frauen unterstützt, (wieder) in Arbeit zu kommen und Vätern erlaubt, Verantwortung für die Familie zu übernehmen.
  • Qualitativ hochwertige Tagesbetreuung von Kleinkindern von Müttern, die sich in Ausbildung oder Erwerbstätigkeit befinden, die für sozial benachteiligte Mütter kostenfrei sein muss, um Chancengleichheit zu erreichen.
  • Überprüfung und entsprechende Priorisierung aller Haushaltsausgaben der Länder und des Bundes auf ihre Eignung, die Armut von Schwangeren und Kindern zu verringern.
  • Eine kontinuierliche Datenerhebung zur körperlichen und seelischen Mütter- und Kindergesundheit, die als Qualitätsindikator die Erfolge aller öffentlichen Programme messen kann.

Die DGSPJ wurde 1966 als Nachfolgerin der Deutschen Vereinigung für die Gesundheitsfürsorge des Kindesalters gegründet. Aktuell hat sie nach eigenen Angaben rund 2.000 Mitglieder. Die DGSPJ initiiert und fördert gesundheitliche Präventionsprogramme zur Verbesserung der gesundheitlichen und sozialen Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Sie tritt für die Stärkung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien bei sozialer Benachteiligung, chronischer Erkrankung, Behinderung, Entwicklungsstörung oder besonderen Bedürfnissen ein. Die Gesellschaft regt auch Initiativen zur Verbesserung der interdisziplinären Vernetzung im Gesundheitswesen und zwischen den verschiedenen Gesundheitswissenschaften an. (PM/RED)


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 6/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201706/h17064a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Juni 2017, Seite 21
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2017

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