Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → SOZIALES


GEWALT/265: Besserer Schutz für betroffene Frauen gefordert (idw)


Gemeinsame Pressemitteilung - 19.05.2016
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.
Berufsverband der Frauenärzte e.V.

Gewalt gegen Frauen - DGGG und BVF fordern besseren Schutz für betroffene Frauen

§ 294a SGB V gefährdet betroffene Frauen und erschwert die ärztliche Betreuung


Der Berufsverband der Frauenärzte und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe fordern den Gesetzgeber dringend auf, den Schutz von gewaltbetroffenen Frauen zu verbessern.

Wenn Ärztinnen und Ärzte eine Frau behandeln, deren Verletzungen Folge von Gewaltanwendung sind, so sind sie verpflichtet, der Krankenkasse den/die Verursacher zu melden. Die Krankenkasse ist dann bestrebt, die Kosten für die Behandlung vom Verursacher zurückzufordern. Grundlage hierfür ist der § 294a SGB V 1.

Diese Regelung ist bei Unfällen oder Gewaltanwendung durch fernstehende Personen sinnvoll und bewährt. Wenn sich die Gewaltanwendung jedoch im sozialen Nahbereich - Partner, Eltern, Geschwister, Bekannte - ereignet hat, kann das Schreiben der Versicherer an den Verursacher der Verletzungen neue Gewaltausbrüche provozieren.

Bei der ärztlichen Betreuung von Kindern und Jugendlichen ist aus diesem Grund in § 294a Abs. 1 Satz 2 SGB V bereits eine Ausnahme von der ärztlichen Meldepflicht vorgesehen. Es kann dann neben der Dokumentation der Verletzungen auch eine Nennung des/der Verursacher/s in den Krankenakten erfolgen, ohne dass die Versicherer zwingend informiert werden müssen. Kinderärztinnen und -ärzte haben hier einen Ermessensspielraum, der dem Schutz und der Sicherheit der Kinder und Jugendlichen dient.

Anders verhält es bei erwachsenen Opfern von Gewaltanwendung im sozialen Nahbereich. Die derzeit existierende ärztliche Meldepflicht kann jedoch eine vertrauensvolle Kommunikation zwischen den behandelnden Ärztinnen und Ärzten und der Patientin erheblich beeinträchtigen. Und sie kann auch dazu führen, dass Ärztinnen und Ärzte Gewaltopfer zwar betreuen und behandeln, die Gewaltfolgen aber nicht oder nicht vollständig dokumentieren, um die Patientin vor weiteren Gewaltausbrüchen in ihrem Umfeld zu schützen. Diese Situation entsteht vor allem dann, wenn die Patientin sich entscheidet, keine Anzeige zu erstatten, weil sie entweder hofft, dass die Situation sich beruhigt, oder weil sie - oftmals berechtigt - nach einer Anzeige bzw. Loslösung aus dem gewaltoffenen Umfeld erhebliche und bedrohliche Gewaltausbrüche befürchtet.

Der Berufsverband der Frauenärzte und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe fordern den Gesetzgeber dringend auf, den möglichen Verzicht auf die Meldung bei Gewaltdelikten nicht wie bisher auf Kinder und Jugendliche zu beschränken, sondern auch auf gewaltbetroffene Erwachsene auszudehnen, wenn durch die Meldung eine weitere Gefährdung der Patientin/des Patienten nicht ausgeschlossen werden kann. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um die gesundheitliche Betreuung von gewaltbetroffenen Frauen und ihre ärztliche Begleitung sicherzustellen und die Dunkelziffer von Gewalt im sozialen Nahbereich zu senken.

§ 294a SGB V lautet wörtlich:

(1) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankheit eine Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung oder deren Spätfolgen oder die Folge oder Spätfolge eines Arbeitsunfalls, eines sonstigen Unfalls, einer Körperverletzung, einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes oder eines Impfschadens im Sinne des Infektionsschutzgesetzes ist oder liegen Hinweise auf drittverursachte Gesundheitsschäden vor, sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, die erforderlichen Daten, einschließlich der Angaben über Ursachen und den möglichen Verursacher, den Krankenkassen mitzuteilen.

Bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs oder einer Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen sein können, besteht keine Mitteilungspflicht nach Satz 1.

(2) Liegen Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 vor, sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, den Krankenkassen die erforderlichen Daten mitzuteilen. Die Versicherten sind über den Grund der Meldung nach Satz 1 und die gemeldeten Daten zu informieren.


Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution660

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V., Anja Frohloff, 19.05.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de

Veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang