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ENTWICKLUNG/1534: Sensortechnik - Mit Antikörpern gegen Histaminvergiftung (idw)


Freie Universität Bozen - 30.04.2020

Sensortechnik: Mit Antikörpern gegen Histaminvergiftung


Antikörpertests sind nicht nur in Corona-Zeiten gefragt. Sie können auch bei der Kontrolle der Lebensmittelsicherheit innovative Wege eröffnen. Dies zeigt ein aktuelles Forschungsprojekt des Sensing Technologies Lab der Freien Universität Bozen, das in dieser Woche auf dem Cover des internationalen Fachjournals Biosensors vorgestellt wird. Entwickelt werden dort sogenannte Immunosensoren, die durch die Beschichtung von Elektroden mit Antikörpern einfache Kontrollen der Histaminbelastung von proteinhaltigen Lebensmitteln wie Fisch ermöglichen und somit Lebensmittelvergiftungen vorbeugen.

Ob in Smartphones und Autos, Produktionsanlagen oder im Gebäudemanagement: Sensoren sind ein fixer Bestandteil unseres privaten und beruflichen Alltags. Im jungen Sensing Technologies Lab der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der Freien Universität Bozen wird daran gearbeitet, mit innovativen Technologien neue Anwendungsgebiete für die Messung verschiedenster physikalischer oder chemischer Werte zu eröffnen. Das dortige Forschungsteam aus unterschiedlichen Disziplinen wie Physik, Ingenieurswissenschaften, Chemie, Biotechnologie oder Lebensmitteltechnologie spezialisiert sich vor allem auf gedruckte Sensoren, die mit speziellen leitfähigen Tinten kostengünstig hergestellt werden können und flexibel einsetzbar sind.

Eines der aktuell laufenden Projekte hat es nun auf das Cover der am Dienstag, 27. April, erschienenen Ausgabe des internationalen Journals Biosensors geschafft. "Flexible and Printed Electrochemical Immunosensor Coated with Oxygen Plasma Treated SWCNTs for Histamine Detection", so der Titel des Papers, das federführend von der Chemieingenieurin Shkodra Bajramshahe verfasst wurde und wichtige Zwischenergebnisse ihrer Doktorarbeit an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik beinhaltet. Die gebürtige Kosovarin legte in Pristina ihre Abschlüsse in Chemieingenieurswissenschaft und Chemie mit Auszeichnung hin und forschte dann an der schwedischen Umeå University für ihre Master-Abschlussarbeit im Bereich der Chromatographie, einer chemischen Analysemethode, die es erlaubt, Inhaltsstoffe in Stoffgemischen zu identifizieren und voneinander zu trennen. Im November 2018 wurde sie in das internationale Doktorandenprogramm für Lebensmitteltechnik und Biotechnologie der unibz aufgenommen.

Innerhalb des multidisziplinären Teams des Sensing Technologies Lab ist es ihr gelungen, einen Immunosensor zu entwickeln, dank dem künftig auf einfache und kostengünstige Art die Histaminbelastung von Lebensmitteln geprüft werden kann. "Histamine sind insbesondere in stark proteinhaltigen Lebensmitteln wie Fisch zu finden und können bei höherer Konzentration zu Lebensmittelvergiftungen führen", erklärt Shkodra Bajramshahe. Bekanntes Beispiel sei die Skombroid-Fischvergiftung, die beim Verzehr von nicht mehr frischem Fisch oder Dosenfischen mit zu hohem Histamingehalt auftreten kann. "Ziel unseres Projekts ist es, eine Methode zu entwickeln, mit denen ein zu hoher Histamingehalt auch außerhalb von Labortests einfach und schnell festgestellt werden kann", so die Chemieingenieurin. Denn bislang beruhen die meisten vergleichbaren Tests laut Bajramshahe auf Laboranalysen, bei denen darüber hinaus umweltbelastende Chemikalien eingesetzt würden.

Ihr Lösungsansatz besteht dagegen aus Sensoren, die mit einer Silber- bzw. Silberchlorid-Tinte gedruckt werden und mit Histamin-Antikörpern beschichtet werden. Die Reaktion zwischen diesen Antikörpern und dem Histamin wird dann in ein elektrochemisches Signal umgewandelt. "Um das elektrochemische Signal zu steigern, haben wir die Elektroden mit einer Lösung aus Kohlenstoffnanoröhren besprüht", so die Forscherin. Letztere wurden noch mit Sauerstoffplasma aktiviert, um ihre wasserabweisende Wirkung zu reduzieren.

Noch hat die Entwicklung keine Marktreife erlangt, doch die wissenschaftliche Fachcommunity ist bereits darauf aufmerksam geworden. "Um die Sensoren tatsächlich in Lebensmittelbetrieben einsetzen zu können, braucht es auch noch ein mobiles Endgerät, dass die Signale in konkrete Histaminwerte übersetzt", erklärt die Forscherin. Ist das erst einmal entwickelt, werde der Industrie ein preisgünstiges Instrument zur Verfügung stehen, mit dem auch ungeschultes Personal auf einfache Art direkt am Produkt Qualitätsmessungen vornehmen kann.

"Dieses vielversprechende Projekt steht symbolisch für die Arbeit in unserem Labor", sagt der Leiter des Sensing Technologies Lab und eben wiederbestätigte Rektor der unibz, Prof. Paolo Lugli. Auch in weiteren Forschungsprojekten arbeite sein multidisziplinäres Team an innovativen Sensortechnologien, mit denen bislang aufwändige Laborarbeiten in Bereichen wie Lebensmittel, Umwelt und Landwirtschaft durch einfach zu bedienende und kostengünstige Instrumente ersetzt oder zumindest ergänzt werden können. "Unser Ziel ist es, mit der Entwicklung solcher Technologien die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Produzenten zu steigern und vor allem in der Nahrungsmittelbranche zu mehr Lebemittelsicherheit und dem Einhalten von Qualitätsstandards beizutragen", so Prof. Paolo Lugli.

Originalpublikation:
https://www.mdpi.com/2079-6374/10/4/35/htm

Weitere Informationen finden Sie unter
https://sensingtechnologies.groups.unibz.it/
Mehr Informationen zum Sensing Technologies Lab der Freien Universität Bozen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1890

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Freie Universität Bozen - 30.04.2020
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2020

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