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HINTERGRUND/237: Ein schwieriger Mann? - Ernst Busch wurde vor 120 Jahren geboren (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 5 vom 31. Januar 2020
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Ein schwieriger Mann?
Ernst Busch wurde vor 120 Jahren geboren

von Ralf Hohmann


Ernst Busch (22. Januar 1900 - 8. Juni 1980) trug sein Herz stets auf der Zunge. Als Arbeitersänger, Schauspieler und als politischer Mensch. Anderen machte er es nicht einfach, am wenigsten sich selbst. Der Satiriker und Dramaturg des Kabaretts "Distel", Lothar Kusche, schrieb 1957 in der "Weltbühne": "Manche sagen, er sei schwierig. Ich glaube, es gibt weitaus schwierigere Leute, die dabei längst nicht Buschs künstlerische Bedeutung haben. Überhaupt spricht der Umstand, dass jemand so selten wie möglich ein Blatt vor den Mund nimmt, doch für den Mann und nicht gegen ihn."

Am 15. März 1943 wegen Hochverrats ("Verbreitung des Kommunismus") vom Kammergericht Berlin zu drei Jahren Haft verurteilt, von der Sowjetarmee am 27. April 1945 aus dem Gefängnis Brandenburg befreit, kehrte Busch in den letzten Kriegstagen nach Berlin zurück und stürzte sich sogleich auf die künstlerische Arbeit. Die engen Kontakte zu Hanns Eisler und Bertolt Brecht beförderten sein Schaffen. Am 12. Oktober 1946 erhielt er die Lizenz Nr. 119 der sowjetischen Militäradministration zur Produktion von Schallplatten im Verlag "Lied der Zeit". Bereits 1947 fanden über 250.000 Platten ihre Hörer. Ab Januar 1950 wurde der Verlag in eine GmbH überführt. Die Plattenproduktion hatte mit immensen Materialproblemen zu kämpfen, Schellack war Mangelware. "Wir müssen drei Tanzplatten verkaufen, um von dem hierfür eingehenden Überschuss an Altmaterial eine Schallplatte mit fortschrittlichen Liedern liefern zu können", schrieb Busch Anfang 1950 an Walter Ulbricht. Der Spanienkämpfer und "rote Orpheus" als Geschäftsführer einer GmbH? Eine befremdliche Vorstellung, auch für Ernst Busch selbst: Die auf Hochtouren laufende Tonträgerproduktion (40 Prozent politische Lieder unter dem Label "Eterna", 60 Prozent Unterhaltungsmusik auf "Amiga") und die Zahl von über 100 Produktionsarbeitern ließ ihn vorschlagen, den Verlag in einen Volkseigenen Betrieb umzuwandeln. In der Sitzung des ZK der SED vom 16. Juni 1950 wurde so beschlossen, aber die Überführung in Gemeineigentum verzögerte sich bis 1954. Das Verhältnis zwischen Busch und der SED-Parteileitung war seit 1951 angespannt - und zwar von beiden Seiten. Busch war seit 1945 Mitglied der KPD und seit 1. Juni 1946 Mitglied der SED. Als im Oktober 1950 durch das ZK der SED eine Überprüfung sämtlicher Parteimitglieder und Kandidaten beschlossen wurde (Thema: detaillierte Angaben zur Emigration und illegalen Arbeit), sah er sich durch die Fragen in seiner Ehre verletzt - schließlich war sein Lebenslauf, seine Zeit in Spanien, Holland, Belgien, der Sowjetunion und sein Aufenthalt in den Internierungslagern Frankreichs doch jedem bekannt, meinte er. Am 3. März 1952 fand Ernst Busch sich zum Gespräch in der Parteizentrale ein. Er legte einen Katalog von Fragen vor, auf deren Klärung er beharrte. Eine davon: Anlässlich der Weltjugendfestspiele 1951 sollte eine Platte mit den Nationalhymnen der beteiligten Delegationen produziert werden. Federführend war der Zentralrat der FDJ. Auf die Frage Buschs nach der Quelle des Notenmaterials habe der Mitarbeiter der FDJ geantwortet, dass es sich um die Hymnen handele, die auch bei der Olympiade 1936 gespielt wurden. Busch erklärte, er werde weder die Hymne Franco-Spaniens noch die anderer reaktionärer Regierungen auf Platte bringen. Den Hinweis des Mitarbeiters, schließlich habe das der Zentralrat beschlossen, quittierte Busch mit den Worten, dann könne "ihn der Zentralrat am Arsch lecken". Erich Honecker habe dann diesen Ausspruch auf das "Zentralkomitee" bezogen verstanden, was wiederum den Staatspräsidenten Wilhelm Pieck veranlasste, später Busch beiseite zu nehmen und ihm nahezulegen, das habe er wohl nicht im Ernst sagen wollen. Busch wollte dieses Missverständnis geklärt wissen. Er werde erst dann neue Passbilder vorlegen, wenn die Fragen besprochen seien.

Anton Joos (Parteikontrollkommission) notierte nach der Sitzung: "starkes Geltungsbedürfnis, wenig selbstkritisch - glaubt dass die Partei ihn nicht richtig behandelt. Beschluss: Mitgliedsbuch". Es sollte allerdings 20 Jahre dauern, bis Busch sein Anliegen zurückstellte und - nach einer Fürsprache seines Weggefährten Franz Dahlem - sein Parteibuch (mitsamt der nachgeklebten Mitgliedsmarken für diesen Zeitraum) wieder in Händen hielt.

Entgegen der in den bürgerlichen Medien oft kolportierten These, Busch sei aus der Partei ausgeschlossen und fortan mit einem Auftrittsverbot belegt worden, sprechen die Tatsachen eine andere Sprache. Busch lässt sich nicht gegen die sozialistische DDR vereinnahmen. Er hatte auch kein Problem, den Führungsanspruch der Partei anzuerkennen. Das, was er einforderte, waren Begründungen und die blieb ihm die Partei bis zuletzt schuldig.

Buschs Theaterschaffen war beeindruckend, er gab den "Galileo Galilei" mehr als 200 Mal und überzeugte als Koch in "Mutter Courage", Azdak im "Kaukasischen Kreidekreis", als Jago in Shakespeares "Othello" und als Mephisto in Goethes "Faust".

1959 produzierte er eine Serie alter und neuer Tucholsky-Lieder zusammen mit Hans Eisler und Walter Goehr für den DDR-Rundfunk. An seinem 60. Geburtstag lud die Akademie der Künste zu einem Konzert über 25 Jahre seines Schaffens. Dann holte ihn die Vergangenheit ein. Seit 1961 machte ihm die linksseitige Facialis-Lähmung - Folge eines alliierten Bombentreffers auf das Gefängnis Moabit am 22. November 1943 - besonders zu schaffen, einmal musste eine Aufführung deshalb abgebrochen werden. Für einen Perfektionisten wie Busch bedeutete dies das schmerzliche Bühnen-Aus.

In den letzten Jahren seines Lebens entstanden 13 Alben mit Liedern von Tucholsky, Mühsam, Klabund, Kästner, Brecht und Majakowski. Eine Chronik in Liedern, Balladen und Kantaten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Busch konnte inzwischen auf ein Gesamtwerk von über 1.000 Aufnahmen zurückblicken. Die DEFA produzierte mehrere Dokumentarfilme über ihn, wie den "BARRIKADENTAUBER", Regie: Erwin Burkert, Erstsendung: 1. Mai 1967 und posthum "BUSCH SINGT", ein sechsteiliger Film unter der Regie von Konrad Wolf. Im Gedächtnisband der Akademie der Künste der DDR wurde er 1987 er als "parteilicher, kommunistischer, internationaler Künstler" geehrt. Am 17. Februar 1977 trat Busch ein letztes Mal auf. Er wählte Brechts "Lied vom Klassenfeind". Wenige Wochen später wurde er Patient in der Psychiatrischen Klinik Bernburg, die er bis zu seinem Tode nicht mehr verlassen hat.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 52. Jahrgang,
Nr. 5 vom 31. Januar 2020, Seite 11
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2020

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