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BERICHT/056: Ballon-Astronomie gestern und heute (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 9/10 - September 2010
Zeitschrift für Astronomie

Ballon-Astronomie gestern und heute

Von Dietrich Lemke


Bereits im Jahr 1874 ließen sich wagemutige Forscher in einer Ballongondel auf fast 8000 Meter Höhe tragen, um astronomische Beobachtungen durchzuführen. Damit begann die Astronomie aus dem Weltraum. Heute dienen Ballonteleskope vor allem der wissenschaftlichen und technischen Vorbereitung aufwändigerer Instrumente auf Weltraumobservatorien.


In Kürze
Von Ballonen getragene Teleskope umgehen die Beeinträchtigungen der Bildschärfe durch atmosphärische Turbulenzen und erschließen neue Bereiche des elektromagnetischen Spektrums.
Die ersten Schritte der Weltraumastronomie wurden schon früh von Ballongondeln aus getan. Die Entdeckung der kosmischen Teilchenstrahlung und erste wichtige Entdeckungen der Röntgen- und UV-Astronomie sowie der Astronomie im Infraroten und im Millimeterwellenbereich gelangen mit Ballonteleskopen.
Die preiswerten und wiederholt einsetzbaren Ballonteleskope spielen mit ihren kurzen Entwicklungszeiten nach wie vor eine wichtige Rolle als technologische Wegbereiter langwieriger und kostspieliger Weltraummissionen.

Der Astronomie am Boden sind zahlreiche Grenzen gesetzt. Um den Störungen durch die Erdatmosphäre zu entgehen, lassen manche Beobachter ihre Fernrohre von Ballonen dreißig, vierzig Kilometer hoch in die Stratosphäre tragen, dorthin, wo rund 99 Prozent der irdischen Lufthülle unter ihnen liegen. In solch großen Höhen wird die optische Abbildung kaum noch durch Luftunruhe beeinträchtigt, so dass scharfe Bilder mit einer Auflösung von etwa einer zehntel Bogensekunde entstehen. Ausgedehnte Himmelsobjekte lassen sich kontrastreicher abbilden, da das Streulicht in der dünnen Restatmosphäre erheblich reduziert ist.

Spektralbereiche jenseits des optischen Lichts werden in der Stratosphäre überhaupt erst zugänglich, so im kurzwelligen Bereich das mittlere Ultraviolett und die hochenergetische Röntgen- und Gammastrahlung. Auch der gesamte Infrarotbereich, also die Wärmestrahlung kühler Objekte, steht nun für Messungen zur Verfügung, da der absorbierende Wasserdampf fast vollständig unter der Stratosphäre liegt. Zudem ist auch die Eigenemission der warmen Atmosphäre, welche die Empfindlichkeit der Instrumente begrenzen würde, stark vermindert.


Abenteuerliche Anfänge

Im Jahre 1782 ließen Joseph Michel Montgolfier (1740-1810) und sein Bruder Jacques Étienne (1745-1799) in ihrem Heimatort Annonay Papiertüten aufsteigen, die sie mit »brennbarer Luft« (wie der Wasserstoff damals noch genannt wurde) gefüllt hatten. Diese Flüge waren nur von kurzer Dauer, da das Gas schnell herausdiffundierte. Die beiden Tüftler suchten daher nach einem anderen Gas »leichter als Luft« und erzeugten es durch Verbrennen von feuchtem Stroh. Rauch, so ihre Meinung, schien besondere Auftriebskraft zu verleihen, was sie durch Zugabe alter Schuhe zu steigern wussten. Die Brüder nahmen an, sie hätten mit ihrer Methode ein besonderes aerostatisches Gas hergestellt - tatsächlich hatten sie den Heißluftballon erfunden.

Die weitere Entwicklung ging rasend schnell. Im September 1783 starteten ein Schaf, ein Hahn und eine Ente unter der Anteilnahme des französischen Königs Ludwig XVI. von Versailles aus zu einem zehnminütigen Ausflug in die Lüfte. Bereits zwei Monate später fuhren die ersten Menschen mit einer Montgolfière über Paris, die längere Fahrzeit von 25 Minuten wurde durch ein Strohfeuer an Bord möglich. Und noch im Dezember des gleichen Jahres stieg der erste bemannte Freiballon auf, der mit Wasserstoff gefüllt war.


Auftrieb

Ein Ballon erfährt, ähnlich wie ein leichter Schwimmkörper unter Wasser, eine Auftriebskraft F im Luftmeer. Sie steigt mit dem Volumen V und der Differenz Δρ der spezifischen Dichten zwischen schwerer Außenluft und leichtem Füllgas:

F = V • Δρ • g,

wobei g die Erdbeschleunigung ist.
Ein Kubikmeter Luft wiegt am Erdboden etwa 1,3 Kilogramm, die gleiche Menge Wasserstoff hingegen nur 0,09 Kilogramm. Ein Wasserstoffballon mit 1,2 Meter Durchmesser kann demnach am Boden etwa ein Kilogramm Nutzlast tragen, und zusätzlich hat er die Masse der Hülle und des Füllgases zu heben.


In den Folgejahren begann von Paris, London, Hamburg und Sankt Petersburg aus die physikalische Erforschung der oberen Atmosphäre mit Ballonen: Druck, Temperatur und Zusammensetzung der Luft sowie das Magnetfeld der Erde wurden bis in Höhen von 7000 Metern studiert.

Am 22. März 1874, neunzig Jahre nach den ersten Montgolfière-Starts, stieg in Frankreich ein Ballon mit dem ausschließlichen Ziel astronomischer Beobachtungen auf. An Bord befanden sich Théodore Sivel (1834-1875) und Joseph Crocé-Spinelli (1845-1875), die im Auftrag der Sternwarte Meudon bei Paris mit einem Handspektroskop die Sonne beobachten sollten (siehe Bild auf S. 33). Es galt festzustellen, ob einige dunkle Linien im Sonnenspektrum in der Atmosphäre der Sonne oder in derjenigen der Erde entstehen. Im offenen Korb erreichten die Forscher eine Höhe von 7300 Metern, aber das Beobachtungsergebnis war nicht eindeutig. Ein erneuter Versuch im Folgejahr brachte sie auf 8000 Meter Höhe. Dieser Aufstieg endete leider tragisch, die beiden mutigen Aeronauten starben an Sauerstoffmangel.

Dennoch wurden astronomische Beobachtungen von Ballons aus in den folgenden Jahrzehnten fortgesetzt. So stieg der russische Naturforscher Dmitri Iwanowitsch Mendelejew (1834-1907), der Entdecker des Periodensystems der Elemente, zur Beobachtung der Sonnenfinsternis von 1887 nördlich von Moskau bis über die Wolkendecke auf; französische Astronomen beobachteten auf diese Weise die Sternschnuppen des Leonidenstroms.

Ein besonderer Erfolg waren die Aufstiege von Victor Franz Hess (1883-1954) im Jahre 1912. Der Physiker wollte herausfinden, was die Leitfähigkeit der Luft am Erdboden verursachte. War es, wie damals vermutet, die Radioaktivität des irdischen Gesteins, die durch Ionisierung die Leitfähigkeit bewirkte, so sollte die Erscheinung mit zunehmender Höhe abnehmen. Tatsächlich registrierte er zunächst diesen Effekt, aber nach einem Minimum bei 800 Meter über dem Boden stieg die Leitfähigkeit bis 5000 Meter Höhe wieder an. Hess schloss daraus, es sei »die Existenz ... einer durchdringenden Strahlung außerirdischer Herkunft anzunehmen«.

Ein Jahr später beobachtete Werner Kolhörster (1887-1946) mit empfindlicheren Instrumenten die gleiche Erscheinung bis zu einer Höhe von 9300 Metern; er wies später auch den Teilchencharakter der kosmischen Strahlung nach. Hess erhielt 1936 für seine Entdeckungen mit dem Ballon den Nobelpreis für Physik. Heute wissen wir, dass die hochenergetischen Teilchen aus dem Kosmos in der Folge von heftigen Supernova-Explosionen entstehen.


Verschiedene Ballontypen

Die klassischen Heißluftballons spielen in der modernen Forschung kaum noch eine Rolle. Da die Differenz zwischen der Dichte der kühlen Außenluft und der Dichte der erwärmten Luft im Ballon nur gering ist, müssten ihre Hüllen riesige Ausmaße annehmen. Aber selbst dann ließen sich nur bescheidene Höhen erreichen. Je nach Anwendungszweck nutzt die Wissenschaft deshalb eine der drei anderen Ballonklassen: dehnbare Gummiballons, Überdruckballons oder Gleichdruckballons.

Zu dem Typ der dehnbaren Gummiballons gehören die vom Kindergeburtstag her bekannten Luftballons. Größere nutzt der Wetterdienst, um Messgeräte bis in die Stratosphäre zu senden. Der Aufstieg endet stets mit dem Platzen des in der dünner werdenden Atmosphäre überdehnten Ballons.

Die Hüllen von Überdruckballons bestehen aus festem Kunststoff, wie wir ihn von den Aufreißstreifen in Verpackungen kennen. Der Aufstieg solcher Ballons endet, wenn das gesamte, nicht dehnbare Volumen der reißfesten Hülle ausgefüllt und ein leichter Überdruck im Inneren entstanden ist. Die Ballons schweben dann für Tage oder Wochen in nahezu gleich bleibenden Höhen in der oberen Atmosphäre.

Selbst auf anderen Planeten wurden solche Überdruckballons schon eingesetzt. Als französischer Beitrag zu den sowjetischen Missionen VEGA 1 und 2 wurden 1985 zwei aus Teflonfolie gefertigte Ballons über der Nachtseite der Venus ausgesetzt. Die beiden 3,4 Meter großen Ballons, die jeweils an einem langen Seil eine sieben Kilogramm schwere Messsonde trugen, schwebten dann in 50 Kilometer Höhe über der Venusoberfläche. In zwei Tagen legten sie mehr als 10.000 Kilometer zurück und lieferten Informationen über die stark veränderliche, lebensfeindliche Atmosphäre unseres Nachbarplaneten.

Als Träger für astronomische Instrumente in die hohe Erdatmosphäre werden indes nur Gleichdruckballons benutzt. Die Hüllen dieses Typs bestehen aus einer nur etwa 25 Mikrometer dicken Folie aus Polyethylen oder aus dem kältefesteren und somit zuverlässigeren Polyolefin.

Gleichdruckballons haben an ihrem unteren Ende einen stets offenen Gasauslass. Vor dem Start wird die riesige Hülle zu etwa einem Prozent des Volumens mit Wasserstoff oder Helium gefüllt. Während des Aufstiegs dehnt sich das Gas aus, sodass es schließlich in etwa 33 Kilometer Höhe, in der etwa 99 Prozent der Erdatmosphäre überwunden sind, die gesamte Hülle ausfüllt (siehe nebenstehendes Bild). Ab diesem Augenblick strömt das überschüssige Füllgas durch die untere Öffnung aus. Der Ballon steigt nun nicht weiter auf, sondern schwebt im Luftmeer. Der Druck in seinem Innern ist etwa so hoch wie der Außendruck, deshalb reicht eine dünne Folie aus - eine wichtige Voraussetzung für ein möglichst geringes Eigengewicht.


Wie hoch? Wie lange?

Neben der Wahl des Füllgases - Wasserstoff oder Helium - bestimmt das Volumen des Ballons, welche Nutzlastmasse in welche Höhe getragen werden kann. Ein 500.000 Kubikmeter fassender Ballon zum Beispiel vermag 200 Kilogramm auf 42 Kilometer Höhe zu bringen. Dort sind mehr als 99,6 Prozent der Atmosphäre und der größere Teil der Ozonschicht überwunden. Damit wird der Spektralbereich des mittleren Ultraviolett mit Wellenlängen zwischen 200 und 300 Nanometer zugänglich. Für das Infrarote reichen Höhen von 33 Kilometern aus, da der absorbierende Wasserdampf mit der Höhe sehr viel schneller abnimmt als der Luftdruck. Dafür genügt ein 100.000 Kubikmeter fassender Ballon, wenn das Teleskop etwa 250 Kilogramm wiegt. Mit halb so schweren Nutzlasten lassen sich selbst Höhen von 48 Kilometern erreichen.

Während des Einsatzes driften Ballonteleskope, durch stratosphärische Winde angetrieben, längs der Breitengrade der Erde. Da sie einerseits möglichst lange ihre gewünschte Höhe beibehalten und andererseits noch über dem Festland geborgen werden sollen, ist eine sorgfältige Planung von Startort und -zeit erforderlich.

Die Windverhältnisse in der Stratosphäre wechseln zweimal im Jahr (siehe die Grafik auf S. 35). Auf der Nordhalbkugel herrschen im Sommer Ostwinde und im Winter Westwinde. Die Ursache ist anschaulich zu verstehen: Wenn zu Beginn des Sommers die Luftmassen über den nördlichen polaren Gebieten durch die Sonne erwärmt werden, dehnen sie sich aus und strömen nach Süden. Dabei bleiben sie zunehmend hinter der Erdrotation zurück; der Wind weht dann aus der Richtung, in die sich die Erde dreht, also aus Osten. Die Windgeschwindigkeit in 40 Kilometer Höhe kann mehr als 100 Kilometer pro Stunde betragen. Nach einer Beobachtungsnacht hat sich der Ballon dann mehr als 1000 Kilometer weit vom Startplatz entfernt.

Deshalb liegt ein günstiger Startplatz mitten auf einem großen Kontinent, er kann dann ganzjährig genutzt werden. Vom Startplatz Palestine im US-Bundesstaat Texas aus können Ballons mehr als 1000 Kilometer weit nach Osten oder Westen driften, bevor sie den Atlantischen oder Pazifischen Ozean erreichen. Im kleineren Frankreich wird im Sommerhalbjahr von Gap in den Alpen aus gestartet, im Winterhalbjahr von Air-sur-l'Adour nahe der Atlantikküste.

Besonders begehrt sind Starts zur Zeit des Richtungswechsels der stratosphärischen Winde. Im Mai oder September werden damit Flugdauern von 50 Stunden möglich, ohne dass der Ballon sich nennenswert vom Startort entfernt. Zu den übrigen Jahreszeiten mit höheren Windgeschwindigkeiten muss auch bedacht werden, dass der Ballon trotz einer Höhe von mehr als 30 Kilometern wegen der Erdkrümmung nach etwa 350 Kilometern Drift hinter dem Horizont verschwindet und keine Funkverbindung zum Startort mehr besteht. Wenn man auf eine Echtzeitverbindung für Signalempfang und Telekommandos angewiesen ist, muss dann eine weitere Bodenstation längs der vorausberechneten Driftstrecke bereitstehen. Andernfalls werden alle Daten an Bord gespeichert oder neuerdings über eine Satellitenverbindung übertragen.


Ballonteleskope

Flüge mit Ballonteleskopen erfolgen heute stets unbemannt. Der Franzose Audouin Dollfus war der letzte Astronom, der sich selbst in die Höhe tragen ließ. Im Jahre 1959 stieg er in einer Druckkapsel, auf deren Oberseite außen ein 50-Zentimeter-Teleskop montiert war, in eine Höhe von 13.500 Metern. Er hielt es für sicherer, nicht nur einen, sondern 104 dehnbare Ballons zu benutzen (siehe Bilder oben). Durch gezieltes Platzenlassen einzelner Ballons und Ballastabwürfe konnte Dollfus die Höhe stabilisieren und später einen sanften Abstieg einleiten. Ziel seiner Beobachtungen war die Bestimmung des Wasserdampfgehalts in den Atmosphären von Mars und Venus, was auch gelang. Es zeigte sich aber, dass der Mann an Bord die Stabilisierung des Teleskops störte und er sich unnötigen Gefahren aussetzte. Bereits die Aufsehen erregenden Flüge in den 1960er Jahren, vor allem des »Stratoscope« von Martin Schwarzschild in den USA zum Studium der Planetenatmosphären und der Sonnengranulation, erfolgten unbemannt.

Bevor ab den 1980er Jahren zunehmend Weltraumteleskope für extraterrestrische Beobachtungen eingesetzt wurden, waren Ballonteleskope für alle Spektralbereiche weit verbreitet. So betrieben in Deutschland das Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik in Freiburg das »Spektrostratoskop« zur Sonnenforschung, die Universität Kiel ballongetragene Instrumente zur Untersuchung der kosmischen Strahlung, das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und das Astronomische Institut der Universität Tübingen Röntgenteleskope, das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg ein Infrarot- und Ultraviolett-Teleskop. An großen Startplätzen wie dem des National Center for Atmospheric Research in Palestine, Texas, herrschte Andrang von Wissenschaftlern aus vielen Ländern. In der Nähe der Windwechsel-Zeiten im Frühjahr und Herbst wurde fast täglich ein Teleskop gestartet. Die längsten Flugzeiten erhielten oft die Gamma-Astronomen, da der Photonenfluss von ihren Quellen sehr gering und die erforderliche Beobachtungszeit entsprechend lang ist.

Die meisten Ballonteleskope waren Eigenbauten aus den Instituten, deren Mitarbeiter den Beobachtungsflug durchführten und auswerteten. Nach glücklicher Bergung konnten die Geräte verbessert und oft noch während der gleichen Startkampagne erneut eingesetzt werden.

Ein solches Projekt ließ sich innerhalb von zwei bis drei Jahren im Rahmen einer Doktorarbeit durchführen, eine kurze Zeit verglichen mit den heute üblichen 15 bis 20 Jahren für die Vorbereitung und Auswertung einer Satellitenmission. Allerdings liefern die modernen Weltrauminstrumente das Mehrhundertfache an Daten, aber sie kosten auch das Tausendfache. Ein großer Teil dieser Mehrkosten wird durch den Aufwand für Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung als der Satellitenteleskope Wahrscheinlichkeit verursacht, die dann aber auch mit mehr 90-prozentiger einwandfrei arbeiten - anders die Balloninstrumente, die schätzungsweise nur zu etwa 50 Prozent erfolgreich flogen, aber eben auch leicht nach Instandsetzung und Verbesserung erneut eingesetzt werden konnten.


Vom Start bis zur Landung

Zum Start wird die Ballongondel mit Teleskop an einem Kranwagen einige Meter hoch über dem Boden aufgehängt (siehe Bild oben links). Das übrige Gespann wird auf dem Boden ausgelegt: Die Gondel ist zunächst über ein Entkopplungsglied mit einem Fallschirm verbunden, dieser wiederum durch ein hundert Meter langes Seil mit der Ballonhülle, die - noch als Schlauch zusammengelegt - ebenfalls fast hundert Meter lang ist. Dann wird der oberste Teil der Hülle über Plastikschläuche mit Helium (in den USA) oder Wasserstoff (in Europa) gefüllt.

Zum Start wird diese gefüllte Blase schlagartig freigegeben und steigt über die Gondel auf. Der Kranwagen kann durch kurze schnelle Fahrt noch Veränderungen in der Richtung des Bodenwindes ausgleichen und gibt dann, sobald das Gespann gestrafft ist, die Gondel frei. In drei bis vier Stunden erreicht das Ballonteleskop seine Diensthöhe von 30 oder 40 Kilometern. In Frankreich wird statt des Kranwagens ein Hilfsballon zum Start benutzt (siehe Bild rechts oben). Damit werden Starts selbst bei stärkerem Bodenwind möglich.

Nach Ende der Beobachtung wird der Ballon per Funkbefehl vom übrigen Gespann getrennt, das zunächst im freien Fall auf etwa zehn Kilometer Höhe herabstürzt. Wenn mit zunehmender Dichte der Atmosphäre genügend Staudruck aufgebaut ist, öffnet sich der Fallschirm. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 5 Metern pro Sekunde landet dann die Gondel am Erdboden. Stoßdämpfer und Schwimmkörper begrenzen die Beschleunigung beim Aufschlag auf etwa 5 g, also das Fünffache der Erdbeschleunigung. Schwierig sind Landungen und Bergungen in den unwegsamen Urwäldern in den Südstaaten der USA. Auch Verluste sind zu beklagen, wenn der Fallschirm versagt oder Anwohner die landende Gondel mit Schusswaffen durchlöchern, um das Aussteigen der vermuteten außerirdischen Invasoren zu verhindern.


Wie ein Ballonteleskop stabilisiert wird

Ein Teleskop, per Seil mit einem Ballon verbunden, der durch die Kraft des Windes getrieben wird: Wie lassen sich damit astronomische Beobachtungen durchführen?

Für einige Anwendungen - wie zum Beispiel beim Einsatz von Gammateleskopen, deren Auflösungsvermögen gering ist, und für Beobachtungen ausgedehnter Quellen im Infraroten - genügt es, das Teleskop mit Bogenminuten-Genauigkeit auszurichten. Angeregt durch Windscherung führt die an einem langen Seil unterhalb des Ballons hängende Gondel mit dem Teleskop langsame Pendelbewegungen aus. Deren Amplitude beträgt typischerweise etwa neun Bogenminuten, das heißt, in zwei von drei Achsen ist das Teleskop ohne Aufwand bereits mit dieser Genauigkeit stabilisiert. Die Schwingungsdauer hängt nur von der Seillänge ab; bei 100 Meter Länge zum Beispiel beträgt sie etwa 18 Sekunden. Solch langsame Störungen lassen sich leicht herausregeln.

Die Drehbewegung um die dritte Achse, die Vertikale, lässt sich über ein Magnetometer kontrollieren, das nach Art eines Kompasses die Azimutrichtung bestimmt. Zur Ausrichtung dreht ein zwischen Aufhängeseil und Gondel angeordneter Motor eine Hantel in die zur gewünschten Gondeldrehung entgegengesetzte Richtung. Damit lässt sich das Teleskop auf ± Bogenminuten im Azimut stabilisieren.

Für höhere Ansprüche benutzt man ein zusätzliches Kreiselsystem. Beim Heidelber ger Ballonteleskop THISBE wurde mit einem Kreisel, der ursprünglich für die Stabilisierung einer Panzerkanone bei der Geländefahrt entwickelt worden war, in allen Achsen eine Genauigkeit von etwa drei Bogenminuten erreicht. Aufbauend auf einer solchen preiswerten Grobstabilisierung lässt sich mit zusätzlichen Stern- und Sonnensensoren, die kleine Kippspiegel im optischen Strahlengang bewegen, eine Genauigkeit unterhalb von einer Bogensekunde erreichen.

Im Schattenblick nicht veröffentlichte Abbildung:
- Ein typisches Gespann aus Gondel und Ballon ist rund 200 Meter lang.


Vielfältige Entdeckungen

Vor allem in den 1970er und in den frühen 1980er Jahren erbrachten Ballonteleskope viele neue astronomische Erkenntnisse. Zum Beispiel wurde die Zusammensetzung der kosmischen Strahlung gründlich erforscht: Sie besteht aus Atomkernen fast aller Elemente des Periodensystems sowie aus Elektronen und Positronen. Obwohl ihr Ursprung weit außerhalb des Sonnensystems liegt, zeigt die Häufigkeit der Kerne große Ähnlichkeit mit der Elementhäufigkeit im Sonnensystem. Einige Abweichungen bei den leichten Kernen Lithium, Beryllium und Bor konnten durch das Zertrümmern schwerer Kerne beim Durchflug durch das interstellare Gas mit einer berechenbaren »Dicke« von sieben Gramm pro Quadratzentimeter erklärt werden. Einige Kerne sind radioaktive Isotope, sie dienen damit als »Uhr« für die Geschichte der kosmischen Strahlung innerhalb der Galaxis. So fehlt das radioaktive Beryllium-10 fast vollständig - folglich ist die kosmische Strahlung mehr als 10 Millionen Jahre alt.

Ballongetragene Gammateleskope beobachteten die aus der Richtung des galaktischen Zentrums kommende Elektron-Positron-Vernichtungsstrahlung mit ihrer charakteristischen Emissionslinie bei 0,51 Megaelektronvolt (MeV). Weiterhin wurde die Veränderlichkeit extragalaktischer Quellen bei dieser hochenergetischen Strahlung entdeckt. Und es wurde ein damals unerklärlicher Überschuss in der diffusen galaktischen Gammahintergrundstrahlung im Bereich von 1 bis 10MeV gefunden.

Mit Röntgenteleskopen, die während der Mondbedeckungen des Krebsnebels im Jahre 1974 geflogen wurden, ließ sich die Struktur des Nebels im harten Röntgenlicht bestimmen. Daraus folgten bessere Modelle für die Energieübertragung vom zentralen Pulsar in die nichtthermische Röntgenstrahlung des Nebels.

Die Röntgenquelle Hercules X-1 sendet Röntgenpulse mit einer Periode von 1,24 Sekunden aus: Diese Strahlung entsteht in einem Doppelsternsystem, das aus einem veränderlichen Blauen Riesen und einem Neutronenstern besteht. Von der aufgeblähten Hülle des Riesensterns fließt Materie in eine Akkretionsscheibe um den kompakten Begleiter. Durch dessen starkes Magnetfeld geleitet, stürzt diese Materie dann auf die Polkappen des Neutronensterns. Dort erzeugt sie einen 200 Millionen Grad heißen Brennfleck, der intensive Röntgenstrahlung aussendet. Mit dem Röntgen-Ballonteleskop der Universität Tübingen und des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching wurde 1976 in diesem pulsierenden Röntgenlicht eine Zyklotronlinie entdeckt. Sie entsteht, weil Elektronen in starken Magnetfeldern nur diskrete Energieniveaus einnehmen können. Das wird durch eine Emissions-Absorptions-Struktur im Spektrum angezeigt (siehe Grafik auf S. 40 oben). Aus deren Lage im Energiespektrum lässt sich auf eine Magnetfeldstärke von 100 Millionen Tesla schließen.

Mit Röntgenteleskopen auf Ballons wurden weiterhin die leuchtkräftigsten Quasare und ein neuer Hochtemperatur-Anteil (etwa 35 Millionen Grad) in der Strahlung von Sonnenflares entdeckt.

Im nahen Infraroten konnten ballongetragene Teleskope erstmals die großräumige Verteilung der häufigen kühlen Sterne im Bereich um das galaktische Zentrum und die galaktische Ebene kartieren (siehe Bild unten). Dies ist im Optischen wegen der Absorption durch dichte interstellare Staubwolken in diesen Gebieten nicht möglich.

Im fernen Infraroten wurde die großräumige Verteilung dieses kalten Staubes in der Milchstraße anhand seiner Wärmestrahlung bestimmt. Dazu gehörte das Auffinden der unerwartet großen Ferninfrarot-Flüsse von eingebetteten Wolken aus ionisiertem Wasserstoff und Staub, so genannten HII-Regionen, die durch gerade entstandene heiße Sterne gespeist werden. Als unerwartet groß zeigten sich die Helligkeit des galaktischen Zentrums und die Gesamtleuchtkraft der Milchstraße im fernen Infraroten.

Bei noch längeren Wellen ließ sich von Ballons aus das Spektrum der Mikrowellen-Hintergrundstrahlung und ihre gleichförmige Verteilung über die gesamte Himmelskugel bestimmen. Auch eine erste Anisotropie, die durch die Bewegung der Erde relativ zu diesem kosmischen Hintergrund entsteht, wurde von Ballons aus gemessen.


Vom Ballon zum Satelliten

Ballonexperimente lieferten nicht nur eine reiche Ausbeute an wissenschaftlichen Daten, sie waren auch Schrittmacher bei der Entwicklung astronomischer Instrumente für die mit Satelliten neu zugänglich gewordenen Spektralbereiche.

Die komplizierten Teleskope Zählrohren der und Hochenergieastronomie, bestehend aus Szintillationszählern, Funkenkammern, konnten am Erdboden gar nicht erprobt werden, da die Röntgen- und Gammastrahlung den Boden nicht erreicht. Ihre schrittweise Verbesserung über mehrjährige Ballonflugkampagnen war die Grundlage für die erfolgreichen Satelliteninstrumente der 1980er Jahre.

So führten die Ballonexperimente des MPI für extraterrestrische Physik in Garching zum Röntgenspektrometer HEXE auf der Raumstation MIR und später zum Röntgensatelliten ROSAT. Die Ballonastronomie im Gammabereich bahnte den m Weg für das 17 Tonnen schwere Compton Gamma Ray Observatory, das 1991 in den Weltraum gebracht wurde.

Ähnliche Entwicklungen gab es in allen anderen Spektralbereichen. Zum Beispiel fanden sich Infrarotastronomen aus England, Holland, Frankreich und Deutschland, die sich fast alle von den Ballonstarts der 1970er Jahre her kannten, später in den Wissenschaftlerteams der Instrumente für das Infrared Space Observatory (ISO) wieder zusammen. Die Ballonexperimente hatten allen beteiligten Wissenschaftlern und Ingenieuren zusätzlich wertvolle Erfahrungen im Management von Weltraumexperimenten, Startkampagnen, Datenverarbeitung und der Beobachtungsplanung für »unzugängliche« Teleskope gebracht.


Die jüngsten Ballonteleskope

Weniger zahlreich als vor 35 Jahren, werden auch heute noch größere Ballonteleskope für die astronomische Forschung gebaut. So konnte 1998 mit dem französischen Zwei-Meter-Ballonteleskop PRONAOS im fernen Infraroten erstmals der Sunjajew-Seldowitsch-Effekt im Galaxienhaufen Abell 2163 nachgewiesen werden. Durch diesen Effekt erhöht sich die Energie der Photonen der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung nach dem Durchgang durch das heiße Plasma der Galaxienhaufen: Schnelle Elektronen im Plasma können Energie auf die durchlaufenden Photonen übertragen - dadurch wird die langwellige Seite des Spektrums der Hintergrundstrahlung geschwächt, und der Galaxienhaufen lässt sich als quasi als Schatten auf der Hintergrundstrahlung aufspüren. Die Experimentatoren setzen ihre Messungen jetzt mit dem europäischen Weltraumteleskop Planck fort.

Ebenfalls einen Zwei-Meter-Hauptspiegel hat das Balloon-borne Large Aperture Submillimeter Telescope (BLAST) eines amerikanisch-kanadisch-britischen Wissenschaftler-Konsortiums. Bei Einsätzen in Schweden und über der Antarktis im Jahr 2006 wurden unter anderem Sternentstehungsgebiete kartiert und die Massenverteilung kalter Knoten (mit Temperaturen unterhalb von 14 Kelvin) bestimmt, in denen zwei Prozent des kalten Molekülgases gebunden sind. Aus diesen Knoten entstehen mit hoher Wahrscheinlichkeit neue Sterne.

In einem extragalaktischen Forschungsprogramm wurde mit BLAST die kosmische Hintergrundstrahlung fernen Infraroten gemessen. Sie fasst das Licht aller fernen Galaxien zusammen und somit die Geschichte der Energieerzeugung in der kosmischen Vergangenheit. Einige Wissenschaftler dieses Ballon-Konsortiums haben zur Instrumentierung des Weltraumobservatoriums Herschel beigetragen und können jetzt mit höherer Auflösung und Empfindlichkeit ihre Forschung aus dem Weltraum fortsetzen.

Besonderes Interesse fanden die Ergebnisse des Ballonteleskops Boomerang. Es wurde in den Jahren 1998 und 2003 in der Antarktis geflogen. Dort umkreiste es wegen der gleichbleibenden stratosphärischen Winde im Polarwirbel den Südpol innerhalb von etwa zehn Tagen in einer Höhe von mehr als 35 Kilometern, und gelangte - wie ein Bumerang - wieder in die Nähe des Startortes. Auf dem ersten Flug wurden die kleinen Fluktuationen der kosmischen Hintergrundstrahlung entdeckt, aus denen sich die großen Strukturen im Universum, etwa die Galaxienhaufen, entwickelten (siehe Bild S. 41). Die Auflösung des 1,2-Meter-Teleskops war mehr als 30mal so hoch wie die des berühmten COBE-Satelliten der NASA aus dem Jahr 1991.

Aus den Boomerang-Daten ließen sich erstmals die kosmologischen Parameter genau bestimmen. Aus diesen wurde auf die Existenz der Dunklen Energie geschlossen, und mit ihnen wurde die flache, euklidische Geometrie des Universums nachgewiesen. Diese Ergebnisse wurden später vom Satelliten WMAP der NASA bestätigt, verfeinert und ergänzt.

Die Beobachtungen mit Boomerang führten Wissenschaftler aus den USA, Italien, Kanada und Großbritannien durch. Mehrere von ihnen setzen heute diese Forschung mit dem Satelliten Planck fort, der höhere Auflösung und Empfindlichkeit besitzt und zusätzlich auch die Polarisation der Hintergrundstrahlung misst, aus der sie sich Hinweise auf Gravitationswellen vom Urknall erhoffen.

Auch für die Sonnenphysik haben sich Ballonteleskope verdient gemacht. Von der Stratosphäre aus können sie scharfe, beugungsbegrenzte Bilder der Sonnenoberfläche liefern. Das ballongetragene Teleskop Sunrise ist das größte Sonnenteleskop, das jemals den Erdboden verlassen hat. Mit seinem Ein-Meter-Spiegel kann es auf der Sonne noch etwa 35 Kilometer große Strukturen räumlich auflösen. Ziel solcher Beobachtungen ist die Messung der solaren Magnetfelder, welche die Aktivität der Sonne verursachen. Der jüngste Flug wurde im Juni 2009 in Kiruna in Nordschweden gestartet und führte über den Nordatlantik und Grönland nach Kanada, wo das Teleskop unbeschädigt geborgen wurde (siehe die oberen Bilder links). Aus 37 Kilometer Höhe konnte die Entwicklung der Sonnengranulation 5½ Tage lang ununterbrochen beobachtet werden, da entlang der Driftroute Mitternachtssonne herrschte. Die große Flughöhe erlaubte es auch, die Beobachtungen auf das mittlere Ultraviolett bei einer Wellenlänge von 215 Nanometern auszudehnen.

Technisch eindrucksvoll ist neben der Größe auch das Gewicht von Sunrise: Die Gondel wiegt mit Teleskop 2600 Kilogramm, der Ballon 2000, der Fallschirm 600 Kilogramm - insgesamt stiegen sechs Tonnen Masse in die Stratosphäre. Ein weiterer Einsatz von Sunrise würde vorzugsweise vollständig um den Pol herum führen, wenn dafür eine Genehmigung Russlands zu erhalten wäre. Das Projekt wird vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau geleitet und vom Kiepenheuer-Institut für Sonnenphysik in Freiburg und führenden Sonnenforschern aus Spanien und den USA unterstützt. Ein technologisches Ziel von Sunrise ist die Vorbereitung ähnlicher Experimente auf dem europäischen Satelliten Solar Orbiter, der um 2017 starten soll.


Fahrstuhl an den Rand des Weltraums

Nachdem die großen Weltrauminterferometer der ESA (DARWIN) und der NASA (Terrestrial Planet Finder) wegen technischer und finanzieller Bedenken auf Jahre hinaus aufgeschoben worden sind, planen Astrophysiker in Frankreich und den USA jetzt Vorversuche mit Ballonteleskopen. Dazu soll das Licht von zwei Teleskopen an den Enden eines zehn Meter langen Kohlefaserbalkens zur Interferenz gebracht werden. So ließe sich unter weltraumähnlichen Bedingungen in 40 Kilometer Höhe die Machbarkeit eines extrem komplizierten Geräts nachweisen. Auch wissenschaftlich könnte dieses Balloninterferometer Neues entdecken: die Zodiakallichtwolken um sonnenähnliche Sterne und die chemische Zusammensetzung von protostellaren Scheiben. Ein Erfolg dieser Ballonexperimente würde der Wiederaufnahme der Weltrauminterferometer-Projekte großen Schub verleihen.


Ballon- und Raketenforschung für Studenten

In einem deutsch-schwedischen Forschungsprogramm können Studenten kleine Experimente mit Ballons (Bexus) oder Höhenforschungsraketen (Rexus) durchführen. Die Starts erfolgen am Raketenstartplatz Esrange in der Nähe von Kiruna, Schweden (siehe Bild). In diesem Jahr beispielsweise fliegen Gruppen der Universitäten Aachen und Kiel Ballonexperimente zur Untersuchung der kosmischen Strahlung. Die Förderung der deutschen Nachwuchswissenschaftler übernimmt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Bonn. Mehr dazu unter: www.rexusbexus.net


Ballonexperimente der letzten Jahrzehnte verfolgten stets zwei Ziele - einerseits wissenschaftliche Messungen, die vom Erdboden aus nicht, und aus dem Weltraum noch nicht möglich waren. Dabei gelangen viele Entdeckungen. Aber sie dienten immer auch der schrittweisen instrumentellen Entwicklung von Geräten und Teleskopen, die dann auf den viel teureren Satelliten zum Einsatz kommen sollten. Dabei erwarben die Beteiligten wertvolles Wissen, das die wissenschaftliche und technische Durchführung der Satellitenprojekte förderte.

Ballonexperimente lassen sich vergleichsweise schnell vorbereiten und durchführen, sind kostengünstig und können nach den im Allgemeinen problemlosen Bergungen verbessert und erneut geflogen werden. Für Studenten bietet jetzt ein deutsch-schwedisches Programm die Möglichkeit, innerhalb eines Jahres kleinere Ballonexperimente durchzuführen (siehe Infokasten oben). Allerdings gibt es keine Organisation, die größere Ballonexperimente ähnlich umfassend unterstützt, wie beispielsweise ESA und NASA die Weltraum-Experimente, oder ESO die erdgebundene Astronomie. Dennoch wird dieser älteste und einfachste Fahrstuhl an den Rand des Weltraums auch in der Astronomie der Zukunft seine Nische behaupten.


Dietrich Lemke war bis zu seiner Emeritierung am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg für die Weltraumprojekte des Instituts verantwortlich. Sein eigener Einstieg in die Weltraumastronomie verlief über Entwicklung und Bau des Ballonteleskops THISBE und dessen Einsatz für Beobachtungsprogramme im Ultravioletten und im nahen Infraroten.


Literaturhinweise

Lemke, D.: Die astronomische Ballonsonde THISBE. In: Sterne und Weltraum 2/1970, S. 29-32.

Röhrs, H.: Flüge mit Stratosphärenballonen zu wissenschaftlichen Untersuchungen. In: Sterne und Weltraum 2/1970, S. 33-36.

Wittmann, A.: Die Erforschung der Sonne mit Ballonteleskopen. In: Sterne und Weltraum 1/1978, S. 8-13.

Staubert, R., Trümper, J.: Ballon-Röntgenmessungen an Neutronensternen und Quasaren. In: Sterne und Weltraum 7-8/1982, S. 286-290.


Weblinks zum Thema: www.astronomie-heute.de/artikel/1040370


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w i s - wissenschaft in die schulen!

Die Astronomie mit Ballonen ist ein relativ einfacher und sehr effizienter Wegbereiter der großen Weltraumobservatorien. Dazu haben wir didaktische Materialien erstellt, die unter www.wissenschaft-schulen.de kostenfrei abgerufen werden können. Ballons üben eine Faszination auf die Schüler aus, und dies umso mehr, wenn sie für einen klareren Blick in den Weltraum sorgen. Unser Schulprojekt führen wir in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad Wildbad und dem Haus der Astronomie in Heidelberg durch.


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 33:
Der Beginn der Ballonastronomie: Die französischen Aeronauten Théodore Sivel und Joseph Crocé-Spinelli gelangten im März 1874 im offenen Korb unter einem Ballon auf 7300 Meter Höhe. Mit einem Handspektrometer untersuchten sie Wasserdampflinien im Sonnenspektrum.

Abb. S. 34 oben:
Die elektromagnetische Strahlung aus dem Weltraum dringt je nach Wellenlänge unterschiedlich tief in die Erdatmosphäre ein. Die beiden Kurven zeigen die Höhen an, bis zu denen die Strahlung auf die Hälfte beziehungsweise auf ein Hundertstel der extraterrestrischen Intensität geschwächt wird. Aus Ballon-Flughöhen werden das Infrarote (IR), der harte Röntgen- und der Gammabereich zugänglich. Nur im Optischen und im Radiobereich erreicht die Strahlung ungeschwächt den Erdboden.

Abb. S. 34 unten:
So ist die Erdatmosphäre aufgebaut: Die rote Kurve zeigt den Verlauf der Temperatur in Abhängigkeit von der Höhe.

Abb. S. 35 oben:
Die Hülle von Gleichdruckballons fasst mehrere hunderttausend Kubikmeter, ist aber erst in der gewünschten Aufstiegshöhe prall gefüllt. Innen- und Außendruck sind dann gleich, da das Füllgas durch eine Öffnung am unteren Ende entweichen kann.

Abb. S. 35 unten:
Die Grafik zeigt die Windverhältnisse in der Stratosphäre über Texas im Verlaufe eines Jahres. Im Winter herrscht Westwind, im Sommer Ostwind. Beim Richtungswechsel im Frühjahr und Herbst sind die Windgeschwindigkeiten gering. Mit der Höhe steigt die Windgeschwindigkeit (angegeben in Meter pro Sekunde) an.

Abb. S. 36:
Audouin Dollfus stieg 1959 in einer Druckkapsel, an deren Außenseite ein Teleskop angebracht war, auf eine Beobachtungshöhe von 13.500 Metern. Getragen wurde die Gondel von 104 dehnbaren Gummiballons an einem 450 Meter langen Seil (rechts).

Abb. S. 38:
Die Heidelberger Ballongondel THISBE wurde am Max-Planck-Institut für Astronomie in Zusammenarbeit mit der Firma Dornier in Friedrichshafen entwickelt. Mit einem Trockeneis-gekühlten Infrarotteleskop ausgerüstet, wurde sie in den 1970er Jahren mehrmals in Palestine, Texas, gestartet (links). Die Messungen führten zu einer ersten Karte des Zentralbereichs der Milchstraße bei einer Wellenlänge von 2,4 Mikrometern. Wo die Reise endet, bestimmt der Wind. Auch in den sumpfigen Urwäldern Lousianas musste THISBE nach der Landung geborgen werden (oben).

Abb. S. 39:
Ein Hilfsballon hebt bei Starts in Frankreich die Nutzlast an. Er wird abgeschnitten, sobald das Gespann durch den schnelleren Aufstieg des Hauptballons gestrafft ist.

Abb. S. 40 oben:
Mit dem Röntgen-Ballonteleskop der Universität Tübingen und des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching wurde 1976 die im starken Magnetfeld des Röntgendoppelsterns Herkules X-1 entstehende quantisierte Zyklotronstrahlung entdeckt, die sich durch die beobachtete Emissions-Absorptions-Struktur im Spektrum verrät.

Abb. S. 40 unten:
Einer der THISBE-Flüge erbrachte die Daten für diese Karte des Zentralbereichs der Milchstraße bei einer Wellenlänge von 2,4 Mikrometern (als Konturlinien einem optischen Bild überlagert). Die Infrarotstrahlung stammt von Milliarden kühlen Sternen, deren sichtbares Licht von interstellaren Staubwolken absorbiert wird.

Abb. S. 41:
Im Jahr 1998 startete das Teleskop Boomerang in der Antarktis zu einer 19-tägigen Rundtour um den Südpol, bei der die Fluktuationen der kosmischen Hintergrundstrahlung auf der Bogenminuten-Skala entdeckt wurden (oben).

Abb. S. 42:
Das ballongetragene Teleskop Sunrise ist das größte jemals geflogene Sonnenteleskop; im Juni 2009 trieb es in knapp sechs Tagen von Kiruna in Schweden bis nach Kanada (oben). Da entlang der Route die Sonne nicht unterging, konnte es ihre Oberfläche ununterbrochen beobachten. Sunrise lieferte hochaufgelöste Bilder und Spektren der Sonnenoberfläche (rechts): Die beiden linken Teilbilder zeigen die Sonnengranulation im UV und im Sichtbaren. Es folgt ein Bild der Chromosphäre im Licht der Kalzium-H-Linie bei 397 Nanometer. Im rechten Teilbild, das die Zirkularpolarisation im Sichtbaren zeigt, sind kleine Magnetfeldkonzentrationen zu erkennen.


© 2010 Dietrich Lemke, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 9/10 - September 2010, Seite 32 - 43
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2010