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FORSCHUNG/798: Wie sich Ursaurier bewegten (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 27.07.2011

Wie sich Ursaurier bewegten

Universität Jena und Stiftung Schloss Friedenstein Gotha starten gemeinsames zoologisch-paläontologisches Forschungsprojekt


Als vor 300 Millionen Jahren Ursaurier über den Bromacker bei Tambach-Dietharz liefen, wären moderne Forscher gerne dabei gewesen. Diese Zeitreise ist leider nicht möglich. Aber dank Dr. Thomas Martens von der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha und seinem Team sind dort in den letzten 40 Jahren zahlreiche Skelette von Urechsenarten und ihre Fußspuren gefunden und konserviert worden. "Es ist die wichtigste Fundstätte in Europa von primitiven Landwirbeltieren aus dem Perm", sagt Prof. Dr. Martin S. Fischer von der Universität Jena. Der Evolutionsbiologe und sein Team starten nun gemeinsam mit den Gothaer Forschern und weiteren Partnern ein Forschungsprojekt, um die Fortbewegung dieser urzeitlichen Echsen zu ermitteln und sie wieder in Bewegung zu bringen - zumindest als Animation. Mit rd. 288.000 Euro fördert die VolkswagenStiftung in den nächsten zwei Jahren dieses Vorhaben, "unser erstes großes paläontologisches Projekt", freut sich Zoologe Fischer.

Fossil eines Orobates pabsti, das auf dem Bromacker gefunden wurde. Diese Urechse lebte etwa vor 270 bis 290 Millionen Jahren. In einem neuen Forschungsprojekt wollen Jenaer Zoologen gemeinsam mit Forschern der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha das Bewegungssystem solcher Echsen untersuchen und nachbilden. - Foto: © Jan-Peter Kasper/FSU

Fossil eines Orobates pabsti, das auf dem Bromacker gefunden wurde.
Diese Urechse lebte etwa vor 270 bis 290 Millionen Jahren. In einem
neuen Forschungsprojekt wollen Jenaer Zoologen gemeinsam mit
Forschern der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha das
Bewegungssystem solcher Echsen untersuchen und nachbilden.
Foto: © Jan-Peter Kasper/FSU

Die auf dem Bromacker gefundenen Fossilien stammen von den ältesten in ihrer Entwicklung vollständig ans Landleben angepassten Wirbeltieren. Diese sogenannten Amnioten (Nabeltiere) sind die ersten "echten Landgänger". Möglich wurde dies, weil sie ihren ersten Entwicklungsschritt in ein nach außen abgeschlossenes Ei verlegten, in dessen "wässrigem Inneren" sich der Nachwuchs fortan entwickeln konnte und daher eine Kaulquappe mit Kiemen unnötig wurde. "Die Fossilien vom Bromacker sind die engsten bisher gefundenen Verwandten des letzten gemeinsamen Vorfahren der Amnioten", weist Dr. John A. Nyakatura, der das neue Forschungsprojekt leitet, auf die evolutionsbiologische Bedeutung der Funde hin. Wie hat sich das Bewegungssystem dieser Amnioten, "die für Evolutionsbiologen eine Schlüsselstellung im Stammbaum einnehmen", so Nyakatura, verändert? "Welche funktionell anatomischen Konsequenzen hat die Abnabelung vom Wasser für das Bewegungssystem der Tiere gehabt?", formuliert der Jenaer Bewegungsforscher die Kernfragen des neuen Projekts.

Das wollen die Jenaer Zoologen und ihre Partner in Gotha, Dresden, England und den USA nun ermitteln. Sie können dabei nicht nur auf langjährige Expertise in der Bewegungsforschung zurückgreifen, sondern auch auf eine der schnellsten Röntgenvideoanlagen der Welt, die an der Friedrich-Schiller-Universität existiert. In dieser Anlage werden nun gemeinsam von Dr. Nyakatura und dem Paläo-Biomechaniker Dr. Vivian Allen aus London, der im Herbst nach Jena wechselt, die Bewegungssysteme verschiedener den Urechsen ähnlicher Tiere untersucht: Beobachtet werden Skinke, Tiger-Salamander, Grüne Leguane und kleine Krokodile. Dazu werden sich die Tiere vor der Röntgenvideokamera, die bis zu 2.000 Bilder pro Sekunde machen kann, auf einem Laufband bewegen. Außerdem werden die auf die Gelenke wirkenden Kräfte ermittelt und auf einer feuchten Tonstrecke Fußabdrücke erzeugt. Am Ende dieser Untersuchungen soll ein umfassendes Bewegungsprofil der Arten erstellt werden - was die Wissenschaft bereits voranbringt.

Das Spuren-Protokoll wird dann mit den urzeitlichen Fußabdrücken verglichen, um zu verstehen, wie sich die Ursaurier bewegt haben. "Das wird wiederum Rückschlüsse auf den Fundort zulassen und was sich dort zugetragen hat", ergänzt Dr. Martens. Möglich ist dies nur, weil die Gothaer Forscher neben zahlreichen Spuren auch komplette Skelette in einzigartiger Qualität bergen konnten. "Die Fossilien sind Extraklasse", betont Nyakatura. Die in Gesteinsplatten eingeschlossenen vollständigen Tierreste werden mit Hilfe der TU Dresden gescannt, um dreidimensionale Rekonstruktionen der Skelette zu erstellen. Aus den Scans und den Bewegungs-Protokollen sollen am Ende des Projekts animierte bewegte Studien der Ursaurier entstehen. "Dank der Unterstützung durch die VolkswagenStiftung und der Zusammenarbeit mit der Universität Jena werden wir somit den Besuchern des Museums der Natur in Schloss Friedenstein nun endlich wissenschaftlich fundiert einen Einblick in die Welt der Ursaurier geben können", so Dr. Martin Eberle, Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha. Nun hoffen die Forscher auf den Erfolg ihres Projekts, um in zwei Jahren nicht nur eine Ausstellung zum Thema zu präsentieren, sondern auch dank der innovativen Animationen quasi 300 Millionen Jahre in der Zeit zurückreisen und den Ursauriern beim Laufen zuschauen zu können.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution23


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Axel Burchardt, 27.07.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2011