Schattenblick → INFOPOOL → NATURWISSENSCHAFTEN → BIOLOGIE


MELDUNG/404: Mechanische Kräfte in der Biologie (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 21.06.2016

Mechanische Kräfte in der Biologie


Ein Physiker als Professor in der Biologie - das ist nur auf den ersten Blick ungewöhnlich. Philip Kollmannsberger (38) entwickelt computergestützte Methoden, um mikroskopische Bilder noch besser auswerten zu können.

Philip Kollmannsberger stammt aus Erlangen, studierte in seiner Heimatstadt Physik und promovierte dort 2009 in Biophysik. "Mein Herz war an die Biologie verloren, als ich als frischgebackener Doktorand zum ersten Mal lebende Zellen unter dem Mikroskop beobachtet habe", sagt er.

Heute interessiert sich der 38-Jährige für einen physikalischen Aspekt der Biologie, der in seinen Augen stark unterschätzt wird: die Rolle mechanischer Kräfte und wie man diese mikroskopisch und mit quantitativer Bildanalyse "sichtbar" machen kann. Solche Kräfte spielen zum Beispiel eine Rolle, wenn Tumorzellen in gesundes Gewebe eindringen, wenn sich Knochengewebe regeneriert oder wenn Bakterien und Immunzellen miteinander in Wechselwirkung treten.

Teile der Bildauswertung automatisieren

"Ich entwickle Methoden zur Analyse und Quantifizierung biologischer Bilddaten, vor allem aus der Mikroskopie", sagt Kollmannsberger. Mit den heutigen bildgebenden Verfahren könnten biologische Prozesse extrem genau und mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung erfasst werden. Die Forschung steht dadurch aber oft vor dem Problem, aus den riesigen Datenmengen die interessanten Informationen herauszufiltern und zu quantifizieren.

Dazu braucht es einerseits Strategien, um effizient mit den sehr großen Bilddaten umzugehen. Andererseits müssen Teile der Bildauswertung, die bisher von Hand ausgeführt wurden, automatisiert werden, um Millionen von Datensätzen bearbeiten zu können. "Dafür setzen wir neueste Technologien zum Beispiel aus den Bereichen Mustererkennung, maschinelles Lernen und Hochleistungsrechnen ein", erklärt der neue Professor.

Experimente und Modelle besser verknüpfen

Bei seiner bisherigen Forschungsarbeit in Potsdam und Zürich hat sich Kollmannsberger unter anderem mit dem Wachstum von Zellen und Matrix in künstlichen 3D-Gewebemodellen sowie mit der Beschreibung des komplexen Zellnetzwerks im Knochen beschäftigt. "In beiden Fällen war es nur durch die Entwicklung spezieller Auswertungssoftware möglich, das Potential der experimentellen Daten voll auszuschöpfen und mit den Vorhersagen von Modellen und Computersimulationen zu verknüpfen."

Diese Verknüpfung zwischen Experiment und Modell sei ein wesentlicher Aspekt der computergestützten Bildanalyse in der Biologie, wo die Entwicklung quantitativer Theorien und Erklärungsmodelle oft hinter den experimentellen Daten zurückbleibe. Diese Lücke zu verkleinern, ist ein Ziel des Center for Computational and Theoretical Biology, dem Kollmannsberger angehört: "Wir wollen die Studierenden der Biologie und Biomedizin so früh wie möglich an quantitative computergestützte Methoden heranführen."

Offener Umgang mit Ergebnissen

In Würzburg will das Team des neuen Juniorprofessors in Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen seine Methoden auf andere Themen der Biologie ausweiten, etwa auf die Infektionsbiologie oder die Signalverarbeitung bei Nervenzellen.

"Wir stellen unsere Entwicklungen und Infrastruktur auch anderen Arbeitsgruppen zur Verfügung, indem wir etwa den Quellcode selbstentwickelter Software weitergeben, Ergebnisse frei verfügbar publizieren oder in der Fakultät einen Server für die Speicherung und Analyse von Bilddaten einrichten." Die Etablierung solcher "offenen" Praktiken und Technologien sei in allen Bereichen der Forschung wichtig, um die Verfügbarkeit und Reproduzierbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse zu verbessern.

Werdegang des neuen Juniorprofessors

Philip Kollmannsberger, 1978 in Erlangen geboren, studierte Physik in Erlangen und promovierte 2009 in Biophysik. Postdoc-Aufenthalte absolvierte er am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Von dort wechselte er zum 1. März 2016 als Juniorprofessor ans Center for Computational and Theoretical Biology (CCTB) der Universität Würzburg. Hier leitet er die Nachwuchsgruppe "Computergestützte Bildverarbeitung".

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 21.06.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang